Entscheidungsstichwort (Thema)

Sofortige Beschwerde gegen Einstellung der Zwangsvollstreckung

 

Leitsatz (amtlich)

Gegen Entscheidungen über einen auf § 769 ZPO gestützten Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung ist entgegen verbreiteter Auffassung (vgl. LArbG Hamm 26.[xxxxx].88 8 Ta 171/88 = LAGE § 769 ZPO Nr. 1, LArbG Berlin 21.06.89 8 Ta 7/89 = LAGE § 769 ZPO Nr. 2) die sofortige Beschwerde nach § 793 ZPO unbeschränkt statthaft.

Inhaltlich ist der erstinstanzliche Beschluß nach § 769 ZPO vom Beschwerdegericht allerdings nur daraufhin zu überprüfen, ob die Voraussetzungen des § 769 ZPO verkannt wurden oder ob die erforderliche Beurteilung der Erfolgsaussichten der Vollstreckungsgegenklage offenkundig fehlerhaft ist. § 570 ZPO ist in Ansehung des Sinn und Zwecks des § 769 ZPO einschränkend dahin auszulegen, daß neue, dem Arbeitsgericht bei seiner Beschlußfassung unbekannte Tatsachen im Beschwerderechtszug nicht zu bewerten sind. Mit derartigen Tatsachen kann der Beschwerdeführer vielmehr eine Abänderung der nach § 769 ZPO ergangenen Entscheidung vor dem Arbeitsgericht zu erreichen versuchen.

 

Normenkette

ZPO §§ 793, 769, 577 Abs. 3, § 570

 

Verfahrensgang

ArbG Wiesbaden (Beschluss vom 11.07.1990; Aktenzeichen 3 Ca 1759/90)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluß des Arbeitsgerichtes Wiesbaden vom 11. Juli 1990 – 3 Ca 1759/90 – wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Der Beschwerdewert wird auf 2.000,– DM festgesetzt.

 

Tatbestand

I

Der Beklagte wendet sich im Wege der sofortigen Beschwerde gegen einen Beschluß des Arbeitsgerichtes, mit dem dieses auf Antrag des Klägers die Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil des Arbeitsgerichtes Wiesbaden vom 6. Juni 1988 – 3 Ca 1469/88 – eingestellt hat. Dieses vom Arbeitsgericht erlassene Versäumnisurteil, mit dem der Kläger zu Auskunftserteilung nach Maßgabe der Sozialkassentarifverträge des Baugewerbes und für den Fall, daß er dieser Verpflichtung nicht innerhalb einer Frist von sechs Wochen nach Urteilszustellung nachkommt, einer Entschädigung in Hohe von 39.200,– DM verurteilt wurde, wurde, nachdem es durch Urteil des Arbeitsgerichtes Wiesbaden aufgehoben worden war, durch mittlerweile rechtskräftiges Urteil des LAG Frankfurt am Main vom 15. Sept. 1989 – 15 Sa 1413/88 – unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung aufrecht erhalten. Das landesarbeitsgerichtliche Urteil wurde den Prozeßbevollmächtigten des Klägers am 27. Nov. 1989 zugestellt.

Der Kläger hat den Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung damit begründet, er habe am 19. Dez. 1989 die Auskunftspflicht erfüllt, so daß die vom Beklagten derzeit über einen Teilbetrag von 10.000,– DM betriebene Zwangsvollstreckung unzulässig sei.

Das Arbeitsgericht Wiesbaden hat dem klägerischen Antrag durch Beschluß vom 11. Juli 1990 entsprochen.

Gegen diesen ihm am 12. Juli 1990 zugestellten Beschluß wendet sich der Beklagte mit seiner am 20. Juli 1990 eingegangenen sofortigen Beschwerde.

Er meint, mit der Verkündung des LAG-Urteils sei das Versäumnisurteil vom 6. Juni 1988 rechtskräftig geworden und deshalb die ohnehin nicht formgerechte Auskunft seitens des Klägers verspätet erteilt worden. Im übrigen sei eine abgekürzte vollstreckbare Ausfertigung dem Kläger bereits im September 1989 ausgehändigt worden.

Der Kläger verteidigt den erstinstanzlichen Beschluß und trägt vor, auf die nicht formgerechte Auskunftserteilung könne sich der Beklagte nicht berufen, da ihm, dem Kläger, die entsprechenden Formulare nicht übersandt worden seien.

Im übrigen wird hinsichtlich des Sachvortrages der Parteien auf den Akteninhalt Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

II

Die sofortige Beschwerde ist an sich statthaft (§ 793 ZPO, 62 Abs. 2 ArbGG), form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet worden und damit insgesamt zulässig.

Soweit die Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde gegen Beschlüsse nach § 769 ZPO insoweit eingegrenzt wird, als Statthaftigkeit nur bei der Rüge „greifbarer Gesetzwidrigkeiten” gegeben sei (vgl. z.B. LAG Hamm LAGE § 769 ZPO Nr. 1; LAG Berlin LAGE § 769 ZPO Nr. 2), kann dem nicht gefolgt werden. § 769 ZPO enthält, anders als § 707 Abs. 2 Satz 2 ZPO keinen Ausschluß der Anfechtung des erstinstanzlichen Beschlusses. Auch eine entsprechende Anwendung von § 707 Abs. 2 Satz 2 ZPO scheidet aus. Denn einer derartigen Analogie widerstreitet der Umstand, daß Rechtssicherheit und Rechtsklarheit ausdrückliche Regelungen gebieten, soweit Rechtsmittel und Rechtsbehelfe gegen Entscheidungen nicht stattfinden oder besondere Voraussetzungen für ihre Zulässigkeit bestehen. Diesem Gebot trägt der Gesetzgeber auch grundsätzlich Rechnung. Das zeigt beispielsweise die Regelung der Berufung gegen Versäumnisurteile, gegen die der Einspruch nicht statthaft ist. Insoweit hat der Gesetzgeber selbst ausdrücklich einschränkende Voraussetzungen der Statthaftigkeit (Zulässigkeit) in § 513 Abs. 2 ZPO verankert. Da eine einschränkende Regelung in § 769 ZPO fehlt, muß es dann bei der Bestimmung des § 79...

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