keine Angaben zur Rechtskraft

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Säumnis. Verkündungstermin

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zwischen einem Termin zur mündlichen Verhandlung und einem darauf anberaumten Verkündungstermin darf kein fünf Monate überschreitender Zeitraum liegen.

2. Für Säumnisentscheidungen aufgrund eines Kammertermins ist nicht die Kammer des Arbeitsgerichts in voller Besetzung, sondern allein der Vorsitzende zuständig.

 

Normenkette

ArbGG §§ 55, 60; ZPO §§ 331, 335, 517, 548

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Beschluss vom 19.07.2005; Aktenzeichen 10 Ca 7190/02)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 19. Juli 2005 – 10 Ca 7190/02 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Der Kläger nimmt im Ausgangsverfahren die Beklagte auf Feststellung der Unwirksamkeit einer Kündigung sowie mit einer Klageerweiterung vom 12. Mai 2003 auf Zahlung von Arbeitsvergütung in Höhe von EUR 94.877,25 in Anspruch. Zustellungsversuche im Inland hatten keinen Erfolg. Nachdem ein Insolvenzantrag gegen die Beklagte mangels Masse zurückgewiesen wurde, teilte der Kläger am 04. September 2003 eine ladungsfähige Anschrift der Beklagten in Moskau mit. Am 13. November 2003 ließ der Kläger die Klageschrift und den Schriftsatz vom 12. Mai 2003 durch Gerichtsvollzieher dem dort kurzfristig präsenten Vorstandsvorsitzenden der Beklagten in den Geschäftsräumen eines anderen Unternehmens in A zustellen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage zum Schriftsatz vom 17. November 2003 (Bl. 28 – 40 d.A.) Bezug genommen. Das Arbeitsgericht bestimmte darauf Güte-/Kammertermin auf den 15. Juni 2004 und veranlasste eine Zustellung der Ladung der angegebenen Anschrift der Beklagten in Moskau. Nach einem Hinweis des Bezirksrevisors auf die übliche Zustellungsdauer in Russland verlegte das Arbeitsgericht den Termin auf den 23. November 2004. Gleichzeitig veranlasste es erneut eine Zustellung der Ladung zu diesem Termin in Moskau.

Mit Schreiben vom 19. Mai 2004 teilte die deutsche Botschaft in Moskau mit, die Erledigung von Rechtshilfeersuchen in Russland nehme zurzeit von der Übergabe des Ersuchens an das russische Außenministerium bis zur Übersendung der Erledigungsstücke an die Botschaft mindestens ein halbes Jahr, regelmäßig aber über ein Jahr in Anspruch. Bei Rücklauf der Erledigungsstücke könne die erbetene Rechtshilfehandlung bereits mehrere Monate zurückliegen. In dem Termin vom 23. November 2004 erschien für die Beklagte niemand. Das Arbeitsgericht stellte fest, dass ein Zustellungsnachweis nicht zur Akte gelangt war. Der Kläger stellte die angekündigten Sachanträge. Das Arbeitsgericht bestimmte Verkündungstermin auf den 19. Juli 2005. Mit Schreiben vom 31. Mai 2005 teilte die deutsche Botschaft in Moskau mit, dass nach wie vor kein Zustellungsnachweis der russischen Behörden eingegangen sei.

Das Arbeitsgericht wies mit dem angefochtenen Beschluss den Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils durch die Vorsitzende zurück. Wegen dessen Begründung wird auf Bl. 75, 76 d.A. Bezug genommen. Gegen den am 01. August 2005 zugestellten Beschluss legte der Kläger am 09. August 2005 sofortige Beschwerde ein, der das Arbeitsgericht mit Beschluss der Vorsitzenden vom 05. September 2005 nicht abhalf. Der Kläger rügt, dass die Parteizustellung der Klageschrift und des Schriftsatzes vom 12. Mai 2003 gem. § 189 ZPO Zustellungsmängel geheilt habe. Das Arbeitsgericht habe am 19. Juli 2005 nicht über die Anträge vom 23. November 2004 entscheiden dürfen, sondern wegen der Zustellungsprobleme den Verkündungstermin vertagen müssen. Seine Entscheidung sei zu früh ergangen. Zudem habe das Arbeitsgericht öffentlich zustellen können.

Wegen des weiteren Vortrags des Klägers wird auf die im Ausgangs- und im Beschwerdeverfahren eingereichten Schriftsätze samt Anlagen Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die sofortige Beschwerde ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht den Erlass eines Versäumnisurteils abgelehnt.

1.

Gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 4 ArbGG hat das Arbeitsgericht zutreffend allein durch die Vorsitzende entschieden. Die Zurückweisung des Erlasses des beantragten Versäumnisurteils und die Nichtabhilfeentscheidung sind Entscheidungen bei Säumnis in dieser Norm. Es ist allerdings streitig, ob diese Norm bei Säumnisentscheidungen aufgrund eines Kammertermins überhaupt anzuwenden ist. Dies wird zum Teil mit der Begründung abgelehnt, § 55 ArbGG betreffe seiner systematischen Stellung nach nur die Säumnis im Gütetermin (ArbG Bamberg 29.10.1997 – 1 Ca 675/97 – NZA 1998/904); Berscheid in Schwab/Weth ArbGG § 55 Rz 2 – 9, 27, § 59 Rz 36). Daher sei außerhalb des Gütetermins die Kammer mit den ehrenamtlichen Richtern zur Entscheidung berufen. Nach einer anderen Meinung soll im Kammertermin ein Wahlrecht bestehen, ob die ehrenamtlichen Richter beteiligt werden oder nicht. Die Beteiligung der ehrenamtlichen Richter führe nicht zu einer Änderung des gesetzlichen Rich...

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