Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterlassung der Umsetzung des mitbestimmten Dienstplans im Wege des einstweiligen Verfügungsverfahrens
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Betriebsrat hat einen allgemeinen Unterlassungsanspruch, wenn die Dienstpläne vom Arbeitgeber gegenüber den vom Betriebsrat vertretenen Beschäftigten im Betrieb bekannt gegeben worden sind, obwohl sie entgegen § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG in Verbindung mit der Betriebsvereinbarung Arbeitszeit von ihm nicht mitbestimmt wurden. 2. Erst mit Rechtskraft eines dem Wahlanfechtungsantrag stattgebenden Beschlusses wird dem Betriebsrat die Grundlage für sein weiteres Bestehen entzogen. Eine Nichtexistenz des Betriebsrats wegen Nichtigkeit der Betriebsratswahl liegt nicht vor, da die Verkennung des Betriebsbegriffs im Regelfall nur zur Anfechtbarkeit der Wahl führt.
Normenkette
BetrVG § 18 Abs. 2; ArbGG § 85 Abs. 2; ZPO § 940
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 31.01.2024; Aktenzeichen 4 BVGa 31/24) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1. wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 31. Januar 2024 - 4 BVGa 31/24 - teilweise abgeändert:
Der Beteiligten zu 2. wird aufgegeben, es zu unterlassen, weiterhin operative Arbeitnehmer im Kalendermonat Februar 2024 zu beschäftigen, es sei denn, der Beteiligte zu 1. hat dem vorher zugestimmt oder die fehlende Zustimmung wurde durch den Spruch einer Einigungsstelle ersetzt.
Der Beteiligten zu 2. wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die vorstehende Verpflichtung ein Ordnungsgeld bis zu € 10.000,00 angedroht.
Die weiteren Anträge des Beteiligten zu 1. auf Erlass einer einstweiligen Verfügung werden zurückgewiesen.
Gründe
I.
Der zu 1. beteiligte Betriebsrat (im Folgenden auch Betriebsrat A oder Antragsteller genannt) begehrt im Wege des einstweiligen Verfügungsverfahrens die Unterlassung der Umsetzung des nach seiner Ansicht nicht wirksam mitbestimmten Dienstplans im Februar 2024 sowie die Unterlassung der Vorlage des Dienstplans für März 2024 an den im Gemeinschaftsbetrieb gewählten weiteren Betriebsrat durch die Beteiligte zu 2. (im Folgenden: Arbeitgeberin).
Die Arbeitgeberin ist ein Unternehmen, das insbesondere Dienstleistungen im Rahmen von Bodenverkehrsdienstleistungen am B Flughafen erbringt. Sie unterhält mit der Konzernobergesellschaft und einem weiteren Tochterunternehmen einen Gemeinschaftsbetrieb, für den auf Grundlage von Strukturtarifverträgen zwei Betriebsräte, nämlich der hiesige Antragsteller und der Betriebsrat des Gemeinschaftsbetriebes der C und der D (im Folgenden: Betriebsrat C), gebildet worden waren. In einem nach § 18 Abs. 2 BetrVG eingeleiteten Beschlussverfahren wurde durch rechtskräftigen Beschluss des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 17. Juli 2023 - 16 TaBV 154/21 - u.a. der Antrag auf Feststellung zurückgewiesen, dass die auf der Basis von § 2 der Landesbezirkstarifverträge Nr. 8/2016 und Nr. 8a/2016 gebildeten Betriebe "C/D" einerseits bzw. "A" andererseits den Gemeinschaftsbetrieb in zwei als Betriebe geltende Einheiten im Sinne des BetrVG trennen. Des Weiteren erachtete das Hessische Landesarbeitsgericht in zwei Wahlanfechtungsverfahren sowohl die im April 2022 durchgeführte Wahl des Betriebsrats C (Beschluss v. 27. November 2023 - 16 TaBV 105/23 -) als auch die am 1. Mai 2022 abgeschlossene Wahl des Antragstellers (Beschluss v. 22. Januar 2024 - 16 TaBV 35/23 -) für unwirksam. Im Zeitpunkt der Entscheidung im hiesigen Verfahren waren beide Wahlanfechtungsverfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen.
Mit Schreiben vom 19. Januar 2024 (Anl. BR3 der Antragsschrift) teilte die Arbeitgeberin dem Betriebsrat A mit, dass dieser aufgrund der Entscheidung des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 17. Juli 2023 nicht mehr existent sei und der Betriebsrat C ein Übergangsmandat für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des gemeinsamen Betriebs wahrnehme. Der Betriebsrat A informierte die Arbeitgeberin mit Schreiben vom 23. Januar 2024 (Anl. BR8 der Antragsschrift) darüber, dass er in seiner Sitzung an diesem Tag die Einleitung des vorliegenden einstweiligen Verfügungsverfahrens beschlossen habe. Über ihre betriebsinterne App teilte die Arbeitgeberin ihren Beschäftigten am 24. Januar 2024 u.a. mit, sie gehe davon aus, dass die Entscheidung des Hessischen Landesarbeitsgerichts über die Unwirksamkeit der Strukturtarifverträge den Wegfall des Betriebsrats zur Folge gehabt habe und kraft Gesetzes der Betriebsrat C an seine Stelle getreten sei, sie aber aufgrund der abweichenden Rechtsauffassung der Betriebsratsmitglieder entschieden habe, diese bis zu einem rechtskräftigen Abschluss des Wahlanfechtungsverfahrens wie einen Betriebsrat zu behandeln. Entsprechendes hatte sie den Betriebsratsmitgliedern am 22. Januar 2024 per E-​Mail mitgeteilt.
Es existiert eine zwischen den Beteiligten des vorliegenden Verfahrens abgeschlossene Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit vom 2. September 2022 (im Folgenden: BV Arbeitszeit), die in § 4 Ziff. 5 Folgendes regel...