Entscheidungsstichwort (Thema)

Anwaltsgebühren. Rückforderungen von Anwaltsgebühren durch die Staatskasse wegen fehlerhafter Festsetzung ist unter dem Gesichtspunkt der Verwirkung in analoger Anwendung des § 20 Abs. 1 GKG nicht mehr möglich, wenn das auf die Kostenfestsetzung folgende Kalenderjahr abgelaufen ist.. Kostenfestsetzung. Prozesskostenhilfe. Rückforderung. Verwirkung. Rückforderung von Anwaltsgebühren durch die Staatskasse bei Prozesskostenhilfe

 

Leitsatz (redaktionell)

Eine Nach- oder Rückforderung von Anwaltsgebühren ist unter dem Gesichtspunkt der Verwirkung dann nicht mehr möglich, wenn die Geltendmachung so lange verzögert wird, dass die Kostenrechnung längst abgewickelt ist und sich alle Beteiligten darauf eingestellt haben. Dies ist in aller Regel mit Ablauf des auf die Kostenfestsetzung folgenden Kalenderjahres der Fall.

 

Normenkette

GKG § 20 Abs. 1; BGB § 242; GKG § 20 Abs. 1 analog

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Beschluss vom 10.06.2010; Aktenzeichen 3 Ca 9784/07)

ArbG Frankfurt am Main (Beschluss vom 28.04.2010; Aktenzeichen 3 Ca 9784/07)

 

Tenor

Die Beschwerde des Bezirksrevisors von 24. Juni 2010 wird zurückgewiesen

Auf die Beschwerde des Klägervertreters vom 29. Juni 2010 werden der abändernde Kostenfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 28. April 2010 und der Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 10. Juni 2010 – 3 Ca 9784/07 – aufgehoben.

Das Verfahren über die Beschwerden ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

 

Tatbestand

I.

Nach Klageerhebung am 18. Dezember 2007 beantragte der Kläger am 16. Januar 2008 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten. Am 12. Februar 2008 schlossen die Parteien, der Kläger vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten, einen prozessbeendenden Vergleich – zunächst unter Widerruf – mit einer Erweiterung des ursprünglichen Streitgegenstandes unter gleichzeitiger Erledigung zweier Parallelverfahren. Während der Widerrufsfrist beantragte der Klägervertreter ergänzend die „Einbeziehung” des geschlossenen Vergleichs in die zu erwartende Prozesskostenhilfeentscheidung. Am 15. Februar 2008 gewährte das Arbeitsgericht den Kläger rückwirkend ab 16. Januar 2008 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Klägervertreters. Am 11. Februar 2008 zeigte der Klägervertreter an, dass er das Mandat niedergelegt habe. Am 16. April 2008 beantragte er Kostenfestsetzung gegenüber der Staatskasse wie folgt:

EUR

EUR

Verfahrensgebühr

3100

1.995,60

172,90

3101

8.363,40

146,90

Terminsgebühr

3104

10.359,00

295,20

Einigungs-/Aussöhnungsgebühr

1003

10.359,00

246,00

Entgelte für Post- und Einzelberechnung

7001

Telekommunikationsdienstleistungen Pauschale

7002

20,00

Summe

881,00

Umsatzsteuer auf die Vergütung

7008

167,39

Summe

1.048,39

abzüglich Vorschüsse und sonstige Zahlungen (s. o.)

zu zahlender Betrag:

1.048,39

Durch Beschluss vom 30. April 2008 setzte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die Kosten antragsgemäß fest. Am selben Tag wurde der Betrag zur Anweisung gebracht.

Am 11. Februar 2010 legte der Bezirksrevisor aus mehreren Gründen Erinnerung ein. Aus seiner Sicht seien 396,86 EUR zuviel gezahlt und zurückzufordern. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle half der Erinnerung am 28. April 2010 ab und forderte 386,86 EUR vom Klägervertreter zurück. Nach Zustellung am 30. April 2010 legte der Klägervertreter hiergegen unter dem 6. Mai 2010 „sofortige Beschwerde” ein, mit der er unter anderem auf die aus seiner Sicht eingetretene Verwirkung des Rückforderungsrechts hinwies. Nach Erhalt des fraglichen Betrages habe er jedenfalls ab 31. Dezember 2009 darauf vertrauen dürfen, dass die Staatskasse ihre Zahlungen nicht mehr infrage stellt. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat der so verstandenen Erinnerung des Klägervertreters nicht abgeholfen. Das Arbeitsgericht hat der Erinnerung durch Beschluss vom 10. Juni 2010 nur teilweise abgeholfen und die Beschwerde ausdrücklich zugelassen. Hiergegen haben der Klägervertreter nach Zustellung am 16. Juni 2010 unter dem 29. Juni 2010 wie auch der Bezirksrevisor nach Zustellung am 15. Juni 2010 unter dem 24. Juni 2010 Beschwerden erhoben, denen das Arbeitsgericht am 25. Juni 2010 und 29. Juni 2010 nicht abgeholfen hat. Es hat die Sache vielmehr dem Hessischen Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten im Beschwerdeverfahren wird auf den Akteninhalt im Übrigen verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die gemäß den §§ 56, 33 Abs. 3 bis 6 RVG nach der Art des Rechtsbehelfs statthaften Beschwerden des Klägervertreters und des Bezirksrevisors sind auch im Übrigen zulässig, insbesondere sind sie form- und fristgerecht eingelegt. Wegen der Zulassung der Beschwerde kommt es auf den Beschwerdewert von mehr als 200 EUR nicht an (§ 33 Abs. 3 S. 2 RVG).

Das Arbeitsgericht hat den Beschwerden nicht abgeholfen (§ 33 Abs. 4 S. 1 RVG).

Die Beschwerde des Klägervertreters ist begründet, die des Bezirksrevisors ist unbegründet.

Der Kostenfestsetzungsbesch...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?