Entscheidungsstichwort (Thema)
Einbettung von Schriften in PDF-Dokument. Recht zum nachträglichen, fristwahrenden Einreichen von Schriften nach § 130a Abs. 6 ZPO
Leitsatz (redaktionell)
Schriften, die nicht ins PDF-Dokument - hier Berufungsbegründung - eingebettet sind, sind formunwirksam und nicht fristwahrend.
Normenkette
ZPO § 130a Abs. 6; ERVV § 2 Abs. 1 S. 3; ERVB 2019
Verfahrensgang
ArbG Darmstadt (Urteil vom 06.03.2020; Aktenzeichen 10 Ca 232/19) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 06. März 2020 – 10 Ca 232/19 – wird auf ihre Kosten verworfen.
Die Revisionsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Beklagte ist eine deutsche Gesellschaft eines internationalen Unternehmens der Automobilindustrie. Bei ihr ist ein Betriebsrat gebildet.
Am 14. März 2019 wurden wegen eines Personalabbaus der Beklagten am Standort A ein Interessenausgleich (Anlage K6 zur Klageschrift, Bl. 22-35 d.A.) und ein Sozialplan (Anlage K7 zur Klageschrift, Bl. 36-56 d.A.) geschlossen.
Der 1988 geborene Kläger war bei der Beklagten seit 01. Oktober 2017 als Software-Entwickler gegen ein Bruttomonatsentgelt von 4.299,43 € beschäftigt. Er kündigte das zur Beklagten bestehende Arbeitsverhältnis durch Schreiben vom 20. November 2018 zum 28. Februar 2019 (Anlage K5 zur Klageschrift, Bl. 21 d.A.).
Der Kläger erhob vor dem Arbeitsgericht Darmstadt Klage auf Zahlung einer Sozialplanabfindung i.H.v. 21.799,43 €.
Das Arbeitsgericht gab durch Urteil vom 05. März 2020 dem Antrag des Klägers statt. Das Urteil wurde dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 15. April zugestellt (Empfangsbekenntnis Bl. 286 d.A.).
Die Beklagte legte mit vom 23. April 2020 datierenden Schriftsatz Berufung ein und begründete diese sofort. Der Schriftsatz wurde am 23. April 2020 aus dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA) des Prozessbevollmächtigten der Beklagten mit qualifizierter Signatur im Dateiformat PDF an das Hess. Landesarbeitsgericht übermittelt.
Die Berufungskammer informierte die Beklagte durch Hinweisbeschluss vom 25. Juni 2020, der am 29. Juni 2020 zuging (Empfangsbekenntnis Bl. 329 d.A.), dass die begründete Berufung offensichtlich in einem fehlerhaften Dateiformat eingereicht wurde, wie anlässlich der Bearbeitung der Akte bei Eingang der Berufungsbeantwortung festgestellt worden sei. Die begründete Berufung sei als elektronisches Dokument übermittelt worden, welches nach ERBV 2019, Nr. 1 unzulässig sei, da zumindest nicht alle für die Darstellung des Dokuments notwendigen Inhalte in der Datei enthalten seien.
Berufung und Berufungsbegründung könnten als elektronisches Dokument bei Gericht eingereicht werden (§ 66 Abs. 6 ArbGG i.V.m. § 525, § 130a Abs. 1 ZPO), wenn diese für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet seien (§ 130a Abs. 2 Satz 1 ZPO). Hinsichtlich der Signatur und des Übermittlungswegs seien die Vorgaben in § 130a Abs. 3 und Abs. 4 ZPO zu beachten. Die für die Übermittlung und Bearbeitung geeigneten technischen Rahmenbedingungen (§ 130a Abs. 2 Satz 2 ZPO) seien in der zum 01. Januar 2018 in Kraft getretenen Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung - ERVV) vom 24. November 2017 (BGBl. I S. 3803) i.d.F. der Verordnung zur Änderung der ERVV vom 09. Februar 2018 (BGBl. I S. 200) geregelt. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 ERVV sei das elektronische Dokument in druckbarer, kopierbarer und, soweit technisch möglich, durchsuchbarer Form im Dateiformat PDF zu übermitteln. Die Durchsuchbarkeit beziehe sich auf eine texterkannte Form und dient der Weiterbearbeitung im Gericht. Die technischen Anforderungen an das zulässige Dateiformat ergäben sich aus der zu § 5 ERVV ergangenen Bekanntmachung (Elektronischer-Rechtsverkehr-Bekanntmachung 2019 - ERVB 2019) vom 20. Dezember 2018. Demnach müssen hinsichtlich der zulässigen Dateiversionen PDF alle für die Darstellung des Dokuments notwendigen Inhalte in der Datei enthalten sein.
Es wurde nach § 130a Abs. 6 Satz 1 ZPO der Hinweis erteilt, dass der Eingang des elektronischen Dokuments wegen des Formmangels unwirksam sei und das Dokument nach § 130a Abs. 6 Satz 2 ZPO unter den dort geregelten Bedingungen erneut mit Wirkung für den früheren Einreichungszeitpunkt nachgereicht werden könne.
Zur Wiedergabe des vollständigen Inhalts des Hinweisbeschlusses wird auf Bl. 327 f. d.A. Bezug genommen.
Bei der Überprüfung des Schriftsatzes vom 23. April 2020 hatte die Kammervorsitzende festgestellt, dass bei „Eigenschaften“ des PDF-Dokuments unter „Schriften“ als eingebettete Schriften angegeben wurden:
ArialMT (Eingebettete Untergruppe)
Typ: TrueType (CID)
Corbel (Eingebettete Untergruppe)
Typ: TrueType.
Ohne einen Hinweis auf Einbettung wurden angezeigt:
Arial-BoldMT
Typ: TrueType
ArialMT
Typ: TrueType.
Am 29. Juni 2020 reichte der Prozessbevollmächtige der Beklagten die begründete Berufung vom 23. April 2020 über beA erneut ein. Die Übersendung vom 29. J...