keine Angaben zur Rechtskraft

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Strukturtarifvertrag. Tarifvertragsparteien. Tarifkonkurrenz

 

Leitsatz (amtlich)

Zum Abschluss eines Strukturtarifvertrages nach § 3 Abs. 1 BetrVG ist jede im Unternehmen vertretene und tarifzuständige Gewerkschaft legitimiert. Mehrere im Unternehmen vertretene Gewerkschaften müssen keine „Zwangstarifgemeinschaft” bilden. Etwaige Tarifkonkurrenzen sind auf der Grundlage des Spezialitätsgrundsatzes zu lösen.

 

Normenkette

BetrVG 3 I; TVG 3 II

 

Verfahrensgang

ArbG Darmstadt (Beschluss vom 08.11.2006; Aktenzeichen 8 BV 9/06)

 

Tenor

Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) – 5) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 08. November 2006 – 8 BV 9/06 – wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird für die Beteiligten zu 1) – 5) zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten um die Wirksamkeit einer Betriebsratswahl.

Der Beteiligte zu 6) ist der 2006 für den Standort …straße / …straße in A bei der zu 7) beteiligten Arbeitgeberin gewählte Betriebsrat. Die Beteiligten zu 1) bis 5) sind Mitglieder des gewählten Betriebsrats, der Beteiligte zu 5) zugleich Betriebsratsvorsitzender.

In der genannten Betriebsstätte sind so genannte Business Units mit ihren jeweiligen Untergliederungen gebildet. Diese Untergliederungen sind von der Beteiligten zu 7) im Rahmen des neu eingeführten, so genannten Geschäftsmodells Gamma-Gemeinschaftsbetrieben, die mit der B GmbH (Beteiligte zu 8) betrieben werden, zugeordnet. Die C Integration (D GmbH, E GmbH, F GmbH) schloss wegen der Ausgestaltung und Umsetzung des Geschäftsmodells Gamma mit dem Gesamtbetriebsrat den Sozialplan und Interessenausgleich vom 1. Okt. 2004 (Bl. 55 ff. d. A.). Die vier Industriebusiness Units (IBU) werden jeweils von einer IBU-Zentrale geleitet, die einen Betrieb im Sinne des BetrVG bildet. Darüber hinaus bestehen in jeder IBU Service Solution Center (SSC), die jeweils branchenbezogen die arbeitstechnischen Zwecke realisieren und eigenständige Betriebe mit einheitlicher Leitung bilden. Die Umsetzung des Geschäftsmodells Gamma hätte das Entstehen zahlreicher zusätzlicher kleiner Betriebsratsgremien – oft am gleichen Standort – zur Folge gehabt.

Am 29. November 2005 schlossen die Gewerkschaft Ver.di und die B GmbH sowie deren Tochterunternehmen, darunter die Beteiligte zu 7), einen Tarifvertrag über die Zuordnung von Betrieben und Betriebsteilen innerhalb des Geschäftsbereiches der B sowie über die Bildung des Gesamtbetriebsrates B (im Folgenden: ZuordnungsTV), wegen dessen Inhalts auf Bl. 84 ff. d. A. verwiesen wird. Darin ist unter anderem vorgesehen, dass für zahlreiche Gebiete so genannte Regionalbetriebsräte gebildet werden. Bei der angefochtenen Betriebsratswahl vom 9. Mai 2006 ist nach dem ZuordnungsTV für die zu der IBU X und der IBU Service & Finance gehörenden betrieblichen Einheiten der Betriebsrat mit der Bezeichnung SI A II gewählt worden, für den Bereich G, östliches H und A unter Ausschluss der Standorte …-Straße und …straße / …straße der Betriebsrat SI A I und für den Standort A …straße der Betriebsrat SI A III. Im die Anfechtung betreffenden Wahlbetrieb SI A II ist eine Vielzahl von Arbeitnehmern Mitglied der IG-Metall, die Mehrheit der tarifgebundenen Arbeitnehmer ist Mitglied der Gewerkschaft Ver.di.

Die Beteiligten zu 1) bis 5) haben mit ihrem am 23. Mai 2006 beim Arbeitsgericht Darmstadt eingegangenen Antrag die Nichtigkeit, hilfsweise die Ungültigkeit der angefochtenen Wahl geltend gemacht. Sie sind der Auffassung gewesen, der Tarifvertrag sei aus einer Vielzahl von Gründen unwirksam, insbesondere auch deshalb, weil er unter Umgehung der im Betrieb vertretenen IG Metall zustande gekommen sei. Die Tarifvertragsparteien hätten zudem im ZuordnungsTV den Betriebsbegriff willkürlich gefasst. Während Betriebsräte generell größeren Regionen zugeordnet worden seien, sei mit dem Betriebsrat A SI II ein besonders kleiner Betriebsrat entstanden. Außerdem seien die Regelungen über die Bildung des Gesamtbetriebsrats nicht rechtswirksam.

Die Beteiligten zu 1) – 5) haben beantragt,

festzustellen, dass die im Betrieb der Beteiligten zu 7) am 9. Mai 2006 durchgeführte Betriebsratswahl nichtig ist,

hilfsweise,

die im Antrag zu 1) genannte Betriebsratswahl für unwirksam zu erklären.

Die Beteiligten zu 7) und 8) haben beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Die Beteiligte zu 7) ist der Auffassung gewesen, der ZuordnungsTV sei auch ohne Mitwirkung der IG Metall wirksam und bewirke eine sinnvolle Interessenvertretung der Arbeitnehmer. Ohne den Tarifvertrag würden angesichts des neuen Geschäftsmodells ineffiziente und künstlich aufgespaltene Gremien entstehen. Eine Sonderbehandlung für die Region A liege nicht vor, weil es kleiner geschnittene Regionen auch in I, J, K und L gebe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Beteiligten, des vom Arbeitsgericht festgestellten Sachverhalts und des arbeitsgerichtlichen Verfahrens wird auf die Sachdarstellung des angefochtenen Beschlusses verwiese...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge