Entscheidungsstichwort (Thema)
Umfang der Mitwirkungspflicht des Arbeitgebers bei der Betriebsratswahl. Verpflichtung zur Herausgabe der Postadressen der Mitarbeiter an den Wahlvorstand
Leitsatz (redaktionell)
Der Arbeitgeber ist zur Herausgabe der Postadressen solcher Mitarbeiter des Unternehmens an den Wahlvorstand verpflichtet, die regelmäßig außerhalb des Betriebes eingesetzt werden und damit zum Zeitpunkt der Wahl zum Betriebsrat voraussichtlich nicht im Betrieb anwesend sein werden.
Normenkette
WahlO BetrVG § 24
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 30.04.2020; Aktenzeichen 12 BVGa 192/20) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 30. April 2020 – 12 BVGa 192/20 – teilweise abgeändert:
Der Beteiligten zu 2 wird im Wege der einstweiligen Verfügung aufgegeben, an den Antragsteller die postalischen Adressen aller bei ihr in A und B beschäftigten Arbeitnehmer herauszugeben.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten im Beschwerdeverfahren noch über die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Herausgabe der Postadressen der Mitarbeiter an den Wahlvorstand.
Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Beteiligten und der gestellten Anträge wird auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts im Beschluss unter I. (Bl. 271-277 der Akte) Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat dem (ursprünglich weitergehenden) Antrag teilweise stattgegeben und ihn im Übrigen zurückgewiesen. Hinsichtlich der Begründung wird auf die Ausführungen im Beschluss unter II. (Bl. 277-281 der Akte) verwiesen. Dieser Beschluss wurde der Vertreterin des Betriebsrats am 4. Mai 2020 zugestellt, die dagegen am 19. Mai 2020 Beschwerde eingelegt und diese zugleich begründet hat.
Der Wahlvorstand ist der Ansicht, der Arbeitgeber müsse die Postadressen der Mitarbeiter herausgeben. Für die Fahrer ergebe sich dies daraus, dass sie nicht in einer Betriebsstätte, sondern ausschließlich aus dem Stadtgebiet heraus arbeiteten. Die Fahrer hätten individuelle Arbeitszeiten, die ihnen über den Schichtplan in der C-App mitgeteilt werden. Insoweit seien die Voraussetzungen des § 24 Abs. 2 WahlO Betriebsverfassungsgesetz gegeben. Die 7 Verwaltungsmitarbeiter arbeiteten wegen der Corona-Pandemie im Home Office und unterfielen daher gleichfalls § 24 Abs. 2 WahlO Betriebsverfassungsgesetz. Der Verfügungsgrund ergebe sich daraus, dass die Betriebsratswahl am 31. August 2020 stattfinden soll.
Der Wahlvorstand beantragt,
den Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 30. April 2020 -12 BVGa 192/20- teilweise abzuändern und
der Beteiligten zu 2 aufzugeben, an den Antragsteller die postalischen Adressen aller bei ihr in A und B beschäftigten Arbeitnehmer herauszugeben.
Der Arbeitgeber beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er wendet ein, es bestehe kein Anspruch auf Herausgabe der postalischen Adressen. Bislang sei nicht glaubhaft gemacht, dass der Wahlvorstand die Durchführung der Betriebsratswahl beschlossen hat. Dies werde mit Nichtwissen bestritten. Es sei noch nicht einmal eine Wählerliste aufgestellt worden, so dass etwaige Anträge auf Herausgabe postalischer Adressen noch viel zu pauschal und gegebenenfalls zu weit gefasst wären. Die Verwaltungsmitarbeiter seien inzwischen nicht mehr im Home-Office, sondern wieder in Büros tätig und unterfielen nicht der Regelung des § 24 Abs. 2 WahlO Betriebsverfassungsgesetz. Der Herausgabe der Adressen stehe der Datenschutz entgegen. Zum jetzigen Zeitpunkt fehle es an einem Verfügungsgrund. Weder sei der wahlberechtigte Arbeitnehmerkreis eingegrenzt, noch eine Wählerliste erstellt. Daher sei eine Geltendmachung von Rechten zur Durchführung einer Briefwahl verfrüht. Die Herausgabe der E-Mail-bzw. postalischen Adressen würde zu einer Vorwegnahme der Hauptsache führen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Anhörungsprotokolle Bezug genommen.
II.
1. Die Beschwerde des Wahlvorstands ist statthaft, § 87 Abs. 1 ArbGG, und zulässig, da sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet wurde, § 87 Abs. 2 S. 1, § 66 Abs. 1 S. 1, § 89 Abs. 1 und 2 ArbGG, § 594 ZPO.
2. Die Beschwerde des Wahlvorstands ist begründet. Anhängig ist zum Schluss der Anhörung in der Beschwerdeinstanz nur noch der Antrag zu 2, dem Arbeitgeber aufzugeben, an den Wahlvorstand die postalischen Adressen aller bei ihm in A und B beschäftigten Arbeitnehmer herauszugeben. Dieser Antrag ist begründet.
Der erforderliche Verfügungsanspruch liegt vor. Er ergibt sich daraus, dass der Wahlvorstand die Postadressen sämtlicher im Betrieb beschäftigter Arbeitnehmer benötigt, um diesen die Unterlagen für die schriftliche Stimmabgabe zu übersenden. Nach § 24 Abs. 2 WahlO Betriebsverfassungsgesetz erhalten Wahlberechtigte, von denen dem Wahlvorstand bekannt ist, dass sie im Zeitpunkt der Wahl nach der Eigenart ihres Beschäftigungsverhältnisses voraussichtlich nicht im Betrieb anwesend sein werden (insbesondere im Außend...