Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstellung der Zwangsvollstreckung
Leitsatz (amtlich)
1. Gegen Entscheidungen über einen auf § 769 ZPO gestützten Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung ist die sofortige Beschwerde nach § 793 ZPO unbeschränkt statthaft.
2. Die Überprüfung derartiger Entscheidungen im Beschwerderechtszug beschränkt sich auf Ermessensfehler. § 570 ZPO findet keine Anwendung.
3. § 62 Abs. 1 ArbGG ist auf Anträge nach § 769 ZPO nicht anzuwenden.
Normenkette
ZPO §§ 793, 769, 570; ArbGG § 62 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Kassel (Beschluss vom 23.07.1997; Aktenzeichen 1 Ca 342/97) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen denBeschluß des Arbeitsgerichts Kassel vom 23. Juli 1997 – 1 Ca 342/97 – wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Der Beschwerdewert wird auf DM 3.666.– festgesetzt.
Tatbestand
I.
Der Beklagte wendet sich im Wege sofortiger Beschwerde gegen einen Beschluß des Arbeitsgerichts, mit dem dieses auf Antrag des Klägers im Rahmen einer von ihm erhobenen Vollstreckungsgegenklage die Zwangsvollstreckung aus einem gerichtlichen Vergleich, worin sich der jetzige Kläger zur Zahlung von DM 11.000.– an den Beklagten verpflichtete, eingestellt hat.
Der Kläger hat den Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung unter Vorlage der Fotokopie einer Quittung und der eidesstattlichen Versicherung einer Zeugin damit begründet, er habe am 7. April 1997 den im Vergleich titulierten Betrag vollständig bezahlt.
Das Arbeitsgericht hat dem klägerischen Einstellungsbegehren mit Beschluß vom 23. Juli 1997 ohne vorherige Anhörung des Beklagten entsprochen und in den Gründen ausgeführt, daß es sich die Überprüfung seiner Entscheidung nach Anhörung des Beklagten vorbehalte.
Gegen diesen ihm am 25. Juli 1997 zugestellten Beschluß wendet sich der Beklagte mit seiner am 28. Juli 1997 beim Arbeitsgericht eingelegten sofortigen Beschwerde.
Er meint, der Beschluß sei schon deshalb aufzuheben, weil er unter Verletzung rechtlichen Gehörs ergangen sei. Im übrigen sei die titulierte Forderung nicht erfüllt worden, weil – wie er durch eidesstattliche Versicherung einer Zeugin glaubhaft mache – am fraglichen Tag lediglich DM 1.000.– gezahlt worden seien.
Der Kläger verteidigt den angefochtenen Beschluß und wiederholt sein Vorbringen zur Erfüllung.
Im übrigen wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
II.
Die sofortige Beschwerde ist an sich statthaft (§§ 793 ZPO, 62 Abs. 2 ArbGG), sowie form- und fristgerecht eingelegt worden und damit insgesamt zulässig.
Die Frage, ob Entscheidungen nach § 769 ZPO überhaupt und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen angefochten werden können, ist in Rechtsprechung und Literatur lebhaft umstritten. Zum Teil wird eine Anfechtung in Analogie zu §§ 707 Abs. 2, 719 Abs. 1 ZPO schlechthin verneint bzw. nur in Fällen „greifbarer Gesetzeswidrigkeit” gegeben (vgl. aus der Rechtsprechung der Landesarbeitsgerichte z. B. LAG Hamm 26.05.1988 LAGE § 769 ZPO Nr. 1; LAG Berlin 21.06.1989 LAGE § 769 ZPO Nr. 2; LAG Köln 14.02.1990 LAGE § 769 ZPO Nr. 3; LAG Bremen 24.06.1996 NZA 97, 338; HessLAG 05.10.1992 – 12 Ta 320/92 und vom 17.03.1992 – 15 Ta 58/92). Nach anderer Ansicht ist die sofortige Beschwerde uneingeschränkt nach § 793 ZPO statthaft (vgl. aus der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung z. B. LAG Frankfurt am Main 14.01.1981 AR-Blattei D Zwangsvollstreckung Entscheidung 34; HessLAG 20.05.1997 – 9 Ta 162/97; vgl. im übrigen z. B. OLG Köln (19. Senat) 28.05.1991 NJW-RR 92, 632).
Die erkennende Berufungskammer bleibt auch nach erneuter Prüfung bei ihrer bisherigen Auffassung (vgl. zuletzt Kammerbeschluß vom 06.10.1995 – 16 Ta 322/95), daß gegen Beschlüsse nach § 769 ZPO eine uneingeschränkte Beschwerdemöglichkeit besteht. Eine gesetzliche Einschränkung der Beschwerdemöglichkeit ist nicht gegeben. § 769 ZPO enthält, anders als § 707 Abs. 2 S. 2 ZPO, keinen Ausschluß der Anfechtung des erstinstanzlichen Beschlusses. Eine Analogie zu § 707 Abs. 2 S. 2 ZPO scheitert an einer planwidrigen Unvollständigkeit der gesetzlichen Regelung. Denn die Frage der Anfechtbarkeit von Entscheidungen im Rahmen der Zwangsvollstreckung ist in § 793 ZPO ausdrücklich geregelt (ebenso: OLG Köln (19. Senat) 28.05.1991 aaO.). Im übrigen stehen der Gedanke von Rechtssicherheit und Rechtsklarheit der Beschränkung der Anfechtbarkeit entgegen. Beide Gesichtspunkte gebieten nämlich ausdrückliche Regelungen, soweit Rechtsmittel und Rechtsbehelfe gegen Entscheidungen nicht stattfinden oder besondere Voraussetzungen für ihre Zulässigkeit bestehen sollen. Diesem Gebot trägt der Gesetzgeber auch grundsätzlich Rechnung (vgl. z. B. § 513 Abs. 2 ZPO).
In der Sache hat die sofortige Beschwerde keinen Erfolg, weil die Entscheidung des Arbeitsgerichts nicht zu beanstanden ist.
Bei der Entscheidung, ob einem Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 769 ZPO zu entsprechen ist, hat das Gericht, wie der Wortlaut der Norm zeigt („kann … anordnen”) einen Ermessensspielraum, wobei in erster Linie ...