Entscheidungsstichwort (Thema)
Freistellungsanspruch des Betriebsrats gem. § 40 Abs. 1 BetrVG. Kostenerstattungs- und Freistellungsansprüche des Betriebsrats nach Beendigung seiner Amtszeit. Prüfung der Erforderlichkeit der Kosten für Schulungsveranstaltungen durch den Betriebsrat
Leitsatz (amtlich)
1. Der Freistellungsanspruch nach § 40 Absatz 1 BetrVG steht grundsätzlich dem Betriebsrat zu. Nur wenn das Betriebsratsmitglied selbst eine Verbindlichkeit eingeht, hat es einen (eigenen) Freistellungsanspruch gegen den Arbeitgeber (BAG 27.5.15 - 7 ABR 26/13).
2. Nach dem Ende seiner Amtszeit bleibt der Betriebsrat berechtigt, Kostenerstattungs- und Freistellungsansprüche, die zum Zeitpunkt der Beendigung seiner Amtszeit noch nicht erfüllt sind, geltend zu machen (BAG 24.10.01 - 7 ABR 20/00).
3. Dies gilt auch dann, wenn die Rechnungen des Schulungsveranstalters erst zu einem Zeitpunkt, als der Betriebsrat bereits nicht mehr bestand, gegenüber dem Betriebsrat gestellt wurden. Maßgeblich ist, ob der zur Begründung der Forderung führende Lebenssachverhalt (d.h. die Schulungsteilnahme) in die Zeit bis zur Beendigung der Liquidation fällt.
4. Bei der Prüfung der Erforderlichkeit hat der Betriebsrat die betriebliche Situation und die mit dem Besuch der Schulungsveranstaltung verbundenen finanziellen Belastungen des Arbeitgebers zu berücksichtigen.
5. Nur wenn mehrere gleichzeitig angebotene Veranstaltungen auch nach Ansicht des Betriebsrats als qualitativ gleichwertig anzusehen sind, kann eine Beschränkung der Kostentragungspflicht des Arbeitgebers auf die Kosten der preiswerteren in Betracht kommen.
Normenkette
BetrVG § 37 Abs. 6, § 40 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 01.11.2018; Aktenzeichen 19 BV 386/17) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers zu 1 wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 1. November 2018 - 19 BV 386/17 - unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen teilweise abgeändert:
Die Beteiligte zu 5 wird verpflichtet, den Antragsteller zu 1 von den Rechnungen der A Institut AG, xxx, xxx vom 23. Mai 2017, Rechnungsnummer xxxx1 über 4.448,22 € (Bl. 545 der Akte) und vom 6. Juni 2017, Rechnungsnummer xxxx2 über 1.756,44 € (Bl. 546, 547 der Akte) freizustellen.
Im Übrigen werden die Anträge zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Freistellung von Seminargebühren für die Schulungsveranstaltung "Der erfolgreiche Wirtschaftsausschuss - Teil 1" des Veranstalters A vom 29. Mai bis 1. Juni 2017 in B.
Die Beteiligte zu 5 (Arbeitgeber) betreibt ein Textileinzelhandelsunternehmen. Der Antragsteller zu 1 ist der für die Filiale xxx in C gebildete, inzwischen nicht mehr bestehende Betriebsrat, dessen Mitglieder die Antragsteller zu 2-4 waren.
In dem Betrieb wurde mit Beschluss des Betriebsrats vom 1. März 2017 ein Wirtschaftsausschuss gebildet. Mit Beschluss vom 3. Mai 2017 entsandte der Betriebsrat die Antragsteller zu 2-4 zur Teilnahme an der streitgegenständlichen Schulungsveranstaltung. Der Arbeitgeber lehnte dies ab und verwies auf zwei im Juli und August in C stattfindende Veranstaltungen.
Nachdem das Hessische Landesarbeitsgericht mit Beschluss vom 22. Mai 2017 -16 TaBVGa 116/17-den Arbeitgeber im Wege der einstweiligen Verfügung verpflichtete, die Antragsteller zu 2-4 für die Teilnahme an der streitgegenständlichen Schulungsveranstaltung von der Arbeitspflicht freizustellen, nahmen diese hieran teil. Der Veranstalter berechnete mit einer ausweislich des Adressfelds an den Arbeitgeber gerichteten Rechnung vom 23. Mai 2017, Rechnungsnummer xxxx1, für die Seminarteilnahme 4448,22 € (Bl. 292 der Akte) und mit einer gleichfalls an den Arbeitgeber gerichteten Rechnung vom 6. Juni 2017, Rechnungsnummer xxxx2, für Übernachtung und Tagespauschale 1756,44 € (Bl. 293, 294 der Akte). Der Arbeitgeber zahlte nicht. Für die Hin- und Rückfahrt zu der Schulung verauslagte der Antragsteller zu 3 für alle 3 Teilnehmer insgesamt 326,75 €.
Diese Ansprüche haben die Antragsteller mit ihrem am 26. Mai 2017 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antrag im Beschlussverfahren geltend gemacht.
Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Beteiligten und der gestellten Anträge wird auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts im Beschluss unter I. (Bl. 475-481 der Akte) Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat dem Antrag hinsichtlich der Fahrtkosten nebst Zinsen stattgegeben und die Anträge im Übrigen zurückgewiesen. Wegen der Begründung wird auf die Ausführungen im Beschluss unter II. (Bl. 481-485 der Akte) Bezug genommen.
Dieser Beschluss wurde der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsteller am 26. November 2018 zugestellt. Sie hat dagegen am 12. November 2018 Beschwerde eingelegt und diese am 18. Dezember 2018 begründet.
Die Antragsteller sind der Auffassung, das Arbeitsgericht habe den Freistellungsanspruch hinsichtlich der Schulungs-, Übernachtungs- und Verpflegungskosten zu Unrecht abgewiesen, weil sie vom Veranstalter insoweit n...