keine Angaben zur Rechtskraft

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Bindungswirkung. Verweisungsbeschluss. Gerichtsstand des Erfüllungsortes. greifbare Gesetzwidrigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1) Allein die fehlerhafte Verneinung des Gerichtsstandes des Erfüllungsortes gemäß § 29 Abs. 1 ZPO stellt noch keine greifbare Gesetzwidrigkeit dar, die die Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses entfallen lässt.

2) Die in dem Beschluss des erkennenden Gerichts vom 14. November 1951 – II LA 277/51 (BB 1952, 603) – vertretene Ansicht, zur Bejahung des Gerichtsstands des Erfüllungsortes für Streitigkeiten aus einem Arbeitsverhältnis sei am Arbeitsort eine betriebliche Organisation erforderlich, wird ausdrücklich aufgegeben.

 

Normenkette

BGB §§ 269, 29 Abs. 1; ZPO 36 I 6; ArbGG § 48 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Neuruppin (Aktenzeichen 5 Ca 914/06)

 

Tenor

Als für die Verhandung und Entscheidungdes Rechtsstreits 10 Ca 3143/06 Arbeitsgericht Frankfurt am Main = 5 Ca 914/06 Arbeitsgericht Neuruppin zwischen den Parteien zuständiges Gericht wird das Arbeitsgericht Neuruppin bestimmt.

 

Gründe

Die Klägerin war laut § 1 des schriftlichen Arbeitsvertrags der Parteien vom 10./11. März 2004 seit dem 15. März 2004 für den Beklagten als IT-Supporterin tätig. Einsatzort sollte Frankfurt a. M. sein, „Dienstsitz” Berlin; außerdem war eine Versetzungsklausel vereinbart (Bl. 14 – 16 d. A.). Die Klägerin arbeitete danach ausschließlich in den Räumen der in Frankfurt a. M. Ihre Vergütung erhielt sie aufgrund einer von einer Steuerberatungsgesellschaft in Kyritz erstellten Abrechnung für den Monat März 2006 auf ihr Konto bei der Frankfurter Sparkasse überwiesen (Bl. 17 d. A.). Nachdem die das Vertragsverhältnis mit dem Beklagten fristlos gekündigt hatte, kündigte dieser das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin mit Schreiben vom 21. April 2006 fristlos, hilfsweise ordentlich zum 30. Juni 2006. Die Klägerin hält die Kündigung für unwirksam. Mit der am 2. Mai 2006 bei dem Arbeitsgericht Frankfurt a. M. eingereichten, dem Beklagten am 16. Mai 2006 zugestellten Klage hat die Klägerin die Anträge angekündigt

  1. festzustellen, dass ihr Arbeitsverhältnis durch die Kündigung des Beklagten vom 21. April 2006 nicht aufgelöst worden ist;
  2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien über den 30. Juni 2006 hinaus ungekündigt fortbesteht;
  3. für den Fall, dass dem Klageantrag zu 1 stattgegeben wird, den Beklagten zu verurteilen, sie zu den Bedingungen des Arbeitsvertrags vom 11. März 2004 weiter zu beschäftigen.

Mit Hinweisschreiben vom 10. Mai 2006 (Bl. 19 und 20 d. A.) hat das Arbeitsgericht Frankfurt a. M. die Parteien zu einer beabsichtigten Verweisung des Rechtsstreits an das Arbeitsgericht Neuruppin angehört; die Klägerin (Bl. 25 und 26 d. A.). und der Beklagte (Bl. 27 d. A.) haben dazu Stellung genommen.

Das Arbeitsgericht hat alsdann mit einem Beschluss vom 20. Juni 2006 – 10 Ca 3143/06 (Bl. 30 und 30 R d. A.) – sich für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Neuruppin verwiesen. Dieses hat nach Anhörung der Parteien mit einem Beschluss vom 11. Juli 2006 – 5 Ca 914/06 (Bl. 37 und 37 R d. A.) – sich ebenfalls für unzuständig erklärt und die Sache dem Hessischen Landesarbeitsgericht zur Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts vorgelegt.

Zu dem Inhalt der genannten Entscheidungen und Schriftstücke im Übrigen und im Einzelnen wird auf die angegebenen Blätter der Akte Bezug genommen.

II.

Nachdem sowohl das Arbeitsgericht Frankfurt a. M. als auch das Arbeitsgericht Neuruppin sich mit rechtskräftigen, weil gem. §§ 48 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG, 17 a Abs. 2 und 3 GVG unanfechtbaren, Beschlüsse für örtlich unzuständig erklärt haben, hat das Hessische Landesarbeitsgericht gem. § 36 Abs. 2 ZPO auf die Vorlage des Arbeitsgerichts Neuruppin das örtlich zuständige Arbeitsgericht zu bestimmen. Die Vorlage ist in dem hier gegebenen Fall des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO auch ohne Antrag einer Partei von Amts wegen zulässig, um einen Verfahrensstillstand zu vermeiden (BGH Beschl. v. 31.01.1979 – IV ARZ 111/78 – NJW 1979, 1048; v. 07.03.1991 – I ARZ 15/91 – MDR 1991, 1199).

1. Als örtlich zuständiges Arbeitsgericht ist das Arbeitsgericht Neuruppin als eines der – gem. §§ 12, 13 ZPO – als örtlich zuständig in Betracht kommenden und bisher schon mit der Sache befassten Arbeitsgerichte zu bestimmen. Zwar war das Arbeitsgericht Frankfurt a. M. entgegen dessen Ansicht als besonderer Wahl-Gerichtsstand des Erfüllungsortes gem. § 29 Abs. 1 ZPO zuständig, weil die Klägerin ihr Wahlrecht zwischen dem allgemeinen Gerichtsstand des Beklagten bei dem Arbeitsgericht Neuruppin und dem nach dem insoweit unstreitigen Sachverhalt gegebenen Gerichtsstand des Erfüllungsortes Arbeitsgericht Frankfurt a. M., § 35 ZPO, bezüglich des letzteren ausgeübt hat. Das Arbeitsgericht Neuruppin ist aber an den rechtskräftigen Verweisungsbeschluss des Arbeitsgericht Frankfurt a. M. vom 20. Juni 2006 gebunden. 1. Zwar ist der Verweisungsbeschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt a. M. rechtswidrig, weil es...

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