Entscheidungsstichwort (Thema)
Umfang der Neutralitätspflicht des Arbeitgebers bei der Wahl des Betriebsrats. Rechtsfolgen eines Verstoßes
Leitsatz (amtlich)
Der Arbeitgeber hat im Zusammenhang mit Betriebsratswahlen eine Neutralitätspflicht. Dagegen verstößt er in zur Wahlanfechtung berechtigender Art und Weise, wenn er in Mitarbeiterversammlungen die Arbeitnehmer in Verbindung mit deutlicher Kritik am Verhalten des Betriebsrats zur Aufstellung alternativer Listen auffordert und äußert, wer die Betriebsratsvorsitzende bzw. den Betriebsrat wiederwähle, begehe Verrat am Unternehmen.
Normenkette
BetrVG §§ 19-20
Verfahrensgang
ArbG Wiesbaden (Entscheidung vom 19.11.2014; Aktenzeichen 7 BV 2/14) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1) bis 3) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 19. November 2014 - 7 BV 2/14 - abgeändert.
Die am 5. Mai 2014 durchgeführte Wahl des gemeinsamen Betriebsrats für die Betriebe der Beteiligten zu 5) bis 8) wird für unwirksam erklärt.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird für die Beteiligten zu 4) bis 8) zugelassen, für die Beteiligten zu 1) bis 3) nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten um die Wirksamkeit einer Betriebsratswahl.
Die Beteiligten zu 1) bis 3) und Antragsteller sind Arbeitnehmer des Wahlbetriebes, die Beteiligten zu 2) und 3) auch Betriebsratsmitglieder. Die Beteiligte zu 3) war in der vorangegangenen Amtsperiode Betriebsratsvorsitzende. Zwischen den Beteiligten zu 3) bis 8) ist in dritter Instanz (- 7 ABR 81/13 - Termin lt. Juris am 18. Mai 2016) ein am 20. Juni 2011 durch rund 250 Beschäftigte des Betriebes eingeleitetes Verfahren auf Ausschließung der Beteiligten zu 3) aus dem Betriebsrat anhängig. Das Beschwerdegericht hat zwar einen Ausschließungsgrund in seinem Beschluss vom 19. Sept. 2013 - 9 TaBV 225/12 - bejaht, den Antrag aber gleichwohl zurückgewiesen, weil es nach Vernehmung von 15 Zeugen/innen und vier Beteiligten zu dem Ergebnis gelangt ist, dass das Quorum nur durch massive Einflussnahme des Leiters des Außendienstes und einiger Businessmanager erreicht worden ist.
Der Wahlvorstand für die turnusmäßigen Betriebsratswahlen 2014 wurde in der ersten Januarhälfte 2014 bestellt. Das Wahlausschreiben wurde in der ersten Märzhälfte 2014 ausgehängt und per E-Mail versandt. Die Wahl wurde am 5. Mai 2014 für einen Gemeinschaftsbetrieb der Beteiligten zu 5) bis 8) durchgeführt. Das Wahlergebnis ist durch Aushang vom 8. Mai 2014 (Bl. 51 ff. d. A.) bekannt gemacht. Es wurden 818 Stimmen abgegeben. Es gab vier Listen. Die Liste 1 (xx1) erhielt 305 Stimmen, die Liste 2 (xx2) bekam 137 Stimmen, die Liste 3 (xx3) 84 Stimmen und die Liste 4 (xx4) 276 Stimmen. Auf der Liste 2 hat die derzeitige Betriebsratsvorsitzende Frau A kandidiert, auf der Liste 4 die Beteiligten zu 2) und 3).
Die Beteiligten zu 1) bis 3) haben zur Begründung ihres am 19. Mai 2014 per Telefax eingereichten Anfechtungsantrages u.a. vorgetragen, die Geschäftsleitung hätte bereits im Vorfeld der Wahl versucht, auf diese Einfluss zu nehmen und den amtierenden Betriebsrat zu diskreditieren. Dies stelle eine unzulässige Wahlbeeinflussung dar. Die Verstöße seien derart schwerwiegend, dass die Wahl als nichtig, zumindest aber als rechtswidrig zu bewerten sei. Die Beteiligten zu 1) bis 3) haben hierzu behauptet, der Personalleiter der Beteiligten zu 5) B hätte auf dem sog. Scheunentreffen vom 12. Sept. 2013, einem Mitarbeitertreffen der AT-Angestellten, zu dem die Geschäftsleitung eingeladen hatte, vor ca. 80 Anwesenden geäußert, die Betriebsratsvorsitzende C behindere die Arbeit des Unternehmens. Er habe in einer Präsentation einen E-Mail-Verkehr zwischen der Arbeitgeberseite und der Betriebsratsvorsitzenden zum Thema: Seminar zum Stressabbau gezeigt. Er habe ihre Arbeit ins Lächerliche gezogen und gesagt, was sich im Augenblick abspiele, sei eine Zumutung. Als ein Mitarbeiter gefragt hätte, was man da machen könne, hätte er gesagt, nächstes Jahr seien ja Betriebsratswahlen, er rege an, eine "gescheite Liste" aufzustellen. Der damalige Geschäftsführer D habe gesagt, es seien 50 vom Betriebsrat angestrengte Gerichtsverfahren anhängig. Er habe die Anwesenden mehrfach aufgefordert, geeignete Mitarbeiter des Unternehmens für einen neuen Betriebsrat zu suchen. Die Antragsteller haben des Weiteren behauptet, der Personalleiter B habe im September / Oktober 2013 Beschäftigte angesprochen, ob sie sich zur Wahl stellen und ggf. den Vorsitz übernehmen wollten. Auf einem Führungskräftetreffen mit Mitarbeitern des Innendienstes mit Führungsverantwortung am 15. Okt. 2013 im Betrieb in Limburg sei es maßgeblich um Betriebsratswahlen gegangen. Herr B habe gesagt, jeder, der Frau C seine Stimme bei der Betriebsratswahl gebe, betreibe Verrat. Frau C dürfe auf keinen Fall wiedergewählt werden.
Die Beteiligten zu 1) bis 3) haben beantragt,
festzustellen, dass die am 5. Mai 2014 durchgeführte Wahl eines ei...