Entscheidungsstichwort (Thema)
Berechtigung des Wahlvorstands zur Einleitung einer Betriebsratswahl und zur Ausübung der Tätigkeiten eines Wahlvorstands
Leitsatz (redaktionell)
1. Einem Arbeitgeber stehen keine gerichtlich durchsetzbaren Unterlassungsansprüche gegen den Betriebsrat zu. Dies schließt zugleich Unterlassungsansprüche gegenüber anderen betriebsverfassungsrechtlichen Stellen, wie dem Wahlvorstand, aus. Das ergibt sich daraus, dass dieser - wie der Betriebsrat - ein Kollegialorgan ist, das durch Mehrheitsbeschlüsse handelt.
2. An feststellenden Verfügungen - hier im Hinblick auf die Bestellung eines Wahlvorstands und eine (bevorstehende) Betriebsratswahl - besteht regelmäßig kein Rechtsschutzinteresse. Insoweit ist einstweiliger Rechtsschutz durch eine gerichtliche Gestaltungsentscheidung auf Abbruch der Wahl möglich.
3. Die Nichtigkeit der Bestellung des Wahlvorstands ist jedoch auf ausgesprochen schwerwiegende Errichtungsfehler beschränkt, die dazu führen, dass das Gremium rechtlich inexistent ist. Eine nur fehlerhafte Bestellung genügt nicht. Erforderlich ist vielmehr, dass gegen allgemeine Grundsätze jeder ordnungsgemäßen Errichtung in so hohem Maß verstoßen wurde, dass auch der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Bestellung des Wahlvorstands nicht mehr besteht. Es muss sich um einen offensichtlichen und besonders groben Verstoß gegen die Bestellungsvorschriften der §§ 16 bis 17a BetrVG handeln. An einem solchen fehlt es indes, soweit der Betriebsrat, der den Wahlvorstand bestellte, hierfür nicht zuständig war, weil von zwei bislang (fehlerhaft) in einem Gemeinschaftsbetrieb gebildeten Betriebsräten der bislang größere der beiden die Vorbereitungen für die Wahl eines einheitlichen Betriebsrats zu treffen hat.
Normenkette
BetrVG § 23 Abs. 3, §§ 16-18
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 09.02.2024; Aktenzeichen 27 BVGa 19/24) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsteller zu 2 und 3 wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 9. Februar 2024 - 27 BVGa 19/24 - teilweise abgeändert:
Die Anträge werden insgesamt zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten im einstweiligen Verfügungsverfahren unter anderem über die Berechtigung des Wahlvorstands zur Einleitung einer Betriebsratswahl und zur Ausübung der Tätigkeiten eines Wahlvorstands.
Die Beteiligten zu 4-6 (Arbeitgeber) erbringen Dienstleistungen am A Flughafen. Sie bilden einen Gemeinschaftsbetrieb. Für diesen wurde auf der Grundlage von Strukturtarifverträgen vereinbart, dass in dem Gemeinschaftsbetrieb 2 Betriebsräte gebildet werden. Mit rechtskräftigem Beschluss von 17. Juli 2023 -16 TaBV 154/21- hat das Landesarbeitsgericht entschieden, dass zwischen den Beteiligten zu 4-6 dieses Beschlussverfahrens eine betriebsratsfähige Organisationseinheit (Gemeinschaftsbetrieb) besteht und den Feststellungsantrag, dass die auf der Basis von § 2 der Landesbezirkstarifverträge Nr. 8/2016 und Nr. 8a/2016 gebildeten Betriebe "B" einerseits bzw. "C" andererseits den Gemeinschaftsbetrieb in 2 als Betriebe geltende Einheiten im Sinne des BetrVG trennen, zurückgewiesen.
Der für den Betriebsteil "C" bislang gebildete Betriebsrat (Beteiligter zu 2) bestellte am 16. Januar 2024 einen Wahlvorstand (Beteiligter zu 3), um eine Betriebsratswahl im Gemeinschaftsbetrieb durchzuführen.
Dagegen wendet sich der Betriebsrat des Betriebsteils "Gemeinschaftsbetrieb B" im Wege des einstweilen Verfügungsverfahrens.
Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Beteiligten und der gestellten Anträge wird auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts im Beschluss unter I. (Bl. 92-93 der Akte) Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat den Anträgen zu 3 und 4 stattgegeben und dem Wahlvorstand aufgegeben, die Wahl eines Betriebsrats im Gemeinschaftsbetrieb der Beteiligten zu 4-6 nicht einzuleiten bzw. ein bereits eingeleitetes Verfahren abzubrechen und nicht fortzuführen sowie es zu unterlassen, Tätigkeiten eines Wahlvorstands zu entfalten. Im Übrigen hat es die Anträge zurückgewiesen.
Dieser Beschluss wurde dem Beteiligten am 12. Februar 2024 zugestellt, gegen den der Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten zu 2 und 3 am 26.2.2024 Beschwerde eingelegt und diese zugleich begründet hat.
Die Beteiligten zu 2 und 3 rügen, die Anträge zu 3 und 4 seien als Unterlassungsanträge gegenüber einem Wahlvorstand nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bereits unzulässig. Unabhängig davon fehle es am Rechtsschutzbedürfnis, da der Beteiligte zu 3 (unstreitig) bislang kein Wahlausschreiben ausgehängt hat. Jedenfalls seien die Anträge unbegründet. Das Arbeitsgericht habe verkannt, dass nur eine bereits eingeleitete Wahl abgebrochen werden könne. Daran fehle es.
Die Beteiligten zu 2 und 3 beantragen,
den Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 9. Februar 2024 -27 BVGa 19/24- teilweise abzuändern und die Anträge insgesamt zurückzuweisen.
Die Beteiligten zu 1 sowie 4-6 beantragen,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie verteidigen die Entscheidung d...