Entscheidungsstichwort (Thema)

Einigungsstelle. Ordnungsverhalten. Mitbestimmungsrecht in Fragen der Ordnung des Betriebs

 

Leitsatz (amtlich)

Eine das Arbeitsverhalten betreffende Weisung des Arbeitgebers wird nicht dadurch mitbestimmungspflichtig, weil sie das Direktionsrecht überschreitet und deshalb rechtswidrig ist.

 

Normenkette

TV PV DLH § 77

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 03.08.2012; Aktenzeichen 4 BV 570/12)

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 03. August 2012 - 4 BV 570/12 - wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über die Bestellung einer Einigungsstelle.

Die zu 2) beteiligte Arbeitgeberin betreibt ein Luftfahrtunternehmen. Die antragstellende Gesamtvertretung repräsentiert das fliegende Personal der Arbeitgeberin. Die Einsatzbedingungen des fliegenden Personals der Arbeitgeberin werden durch "Operation Manuals" geregelt, unter anderem das OM-A. Nach Ziffer 13.3.2.3 OM-A sind kurzfristige Änderungen des Einsatzplanes den betroffenen Besatzungsmitgliedern so früh wie möglich bekannt zu geben. Sie sind hierüber je nach Dringlichkeit telefonisch, telegraphisch oder schriftlich über ihr Postfach zu unterrichten. Gemäß § 7 a (3) (c) des für das fliegende Personal der Arbeitgeberin geltenden Manteltarifvertrages sind Einsatzplanänderungen ohne Zustimmung des Mitarbeiters diesem mindestens 96 Stunden vor dem Flugereignis mitzuteilen. In Ziffer 1.6.3 OM-A sind die Aufgaben der Piloten während des Fluges definiert. Die Entgegennahme von Mitgliedern der Besatzung betreffende Dienstplanänderungen sowie deren Übermittlung an die betroffenen Besatzungsmitglieder ist dort nicht aufgeführt.

Die Arbeitgeberin nutzt seit einigen Jahren das System ACAR, eine digitale Funkverbindung zwischen den Bodenleitstellen und den Cockpits der eingesetzten Flugzeuge. Aus diesem Anlass schloss die Arbeitgeberin mit dem bei ihr gebildeten Konzernbetriebsrat eine seit 18. Januar 1989 geltende Konzernbetriebsvereinbarung, die Regelungen über die Datenerfassung enthält. In einigen Fällen gebrauchte sie dieses System, um Besatzungsmitglieder betreffende Dienstplanänderungen durch den jeweiligen Kapitän bzw. dessen Vertreter während des Fluges entgegennehmen und den betroffenen Arbeitnehmer bekanntgeben zu lassen. Dies hält die Gesamtvertretung für eine mitbestimmungspflichtige Frage des Ordnungsverhaltens. Aus diesem Grund strebte sie die Bildung einer Einigungsstelle an. Nach dem Scheitern der innerbetrieblichen Verhandlungen verfolgt sie dieses Ziel mit dem vorliegenden Einigungsstellenbestellungsverfahren weiter.

Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands wird auf den tatbestandlichen Teil des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen. Das Arbeitsgericht hat die Anträge der Gesamtvertretung zurückgewiesen, da die Einigungsstelle im Sinne von § 98 Abs. 1 S. 2 ArbGG offensichtlich unzuständig sei. Die Mitteilung und die Weitergabe von Dienstplanänderungen sei nicht Teil des Ordnungs-, sondern des Arbeitsverhaltens und dementsprechend mitbestimmungsfrei. Die Zulässigkeit der Übermittlung der betreffenden Daten ergebe sich aus der Konzernbetriebsvereinbarung.

Die Gesamtvertretung hat gegen den am 26. September 2012 zugestellten Beschluss am 14. September 2012 Beschwerde eingelegt und diese am 20. September 2012 begründet. Sie hält an ihrer Auffassung fest, dass die Dienstplanübermittlung mit Hilfe von ACAR das Ordnungsverhalten der Mitglieder des fliegenden Personals berühre, da in den Regelungen des OM-A und der Konzernbetriebsvereinbarung eine derartige Vorgehensweise nicht vorgesehen sei. Die Praxis der Arbeitgeberin bewirke eine Änderung dieser Regelungen. Dies begründe die Zuständigkeit der Einigungsstelle.

Wegen des weiteren zweitinstanzlichen Vortrags der Gesamtvertretung wird auf die Schriftsätze vom 20. September und 06. November 2012 Bezug genommen.

Die Gesamtvertretung beantragt,

unter Abänderung der Entscheidung des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main

1. den Direktor des Arbeitsgerichts Darmstadt A zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle "Umsetzung Einsatzplanänderung" zu bestellen und

2. die Zahl der Beisitzer für die im Antrag zu Ziffer 1) genannte Einigungsstelle für jede Seite auf drei festzusetzen.

Die Arbeitgeberin verteidigt zur Begründung ihres Zurückweisungsantrags die Würdigung des Arbeitsgerichts wie im Schriftsatz vom 11. Oktober 2012 ersichtlich.

II. Die Beschwerde ist nicht begründet.

Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Einigungsstelle nicht zu bestellen ist, da sie offensichtlich unzuständig ist (§ 98 Abs. 1 S. 2 ArbGG). Die Zurückweisung eines Bestellungsantrags wegen offensichtlicher Unzuständigkeit der Einigungsstelle setzt voraus, dass die Zuständigkeit der Einigungsstelle unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt als möglich erscheint, dass ihre Zuständigkeit also bei sachgerechter Beurteilung auf den ersten Blick unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt begründet ist. Das ist nicht der Fal...

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