Entscheidungsstichwort (Thema)
Anfechtung. Anfechtungsfrist. Aushang. Nichtigkeit. chwerbehindertenvertretung. Wahlergebnis. Feststellungsantrag der Schwerbehindertenvertrauensperson auf Vorliegen einer wirksamen Wahl der Schwerbehindertenvertretung trotz Wahlanfechtung durch den Arbeitgeber durch uneigentlichen Hilfsgegenantrag. Wahl der Schwerbehindertenvertretung. Wahlanfechtung. Sschwerwiegender Verstoß gegen die Wahlordnung
Leitsatz (redaktionell)
1. a) Wegen der schwerwiegenden Folgen einer von Anfang an unwirksamen Wahl kann deren jederzeit feststellbare Nichtigkeit nur bei besonders krassen Wahlverstößen angenommen werden.
b) Eine Wahl ist nur nichtig bei groben und offensichtlichen Verstößen gegen wesentliche Grundsätze des gesetzlichen Wahlrechts, die so schwerwiegend sind, dass auch der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht mehr besteht.
2. a) Ob eine Wahlleiterin im Sinne des § 20 Abs. 1 SchwbVWO örmlich gewählt worden ist oder von einem Beteiligten zu 1) ohne Widerspruch der Anwesenden als solche eingesetzt oder sich die Wahlversammlung per Handzeichen auf sie geeinigt hat, kann dahinstehen.
b) Ein bestimmtes Wahlverfahren ist in § 20 Abs. 1 SchwbVWO nicht vorgesehen. Die Einsetzung der Wahlleiterin durch den Beteiligten zu 1) zu Beginn der Wahlversammlung ohne Widerspruch der Anwesenden wäre kein so schwerwiegender Verstoß gegen die Wahlordnung , dass er die Nichtigkeit der Wahl begründen könnte.
Normenkette
SGB IX § 94 Abs. 6; BetrVG § 19 Abs. 2; SchwbVWO § 13 Abs. 1, § 20 Abs. 3, 1
Verfahrensgang
ArbG Kassel (Entscheidung vom 13.04.2011; Aktenzeichen 7 BV 9/10) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Kassel vom 13. April 2011 - 7 BV 9/10 - abgeändert.
Es wird festgestellt, dass der Beteiligte zu 1) am 5. November 2010 als Schwerbehindertenvertrauensperson gewählt worden ist und die Aufgaben der Schwerbehindertenvertrauensperson für den Betrieb A der Beteiligten zu 2) in der Zeit vom 30. November 2010 bis 29. November 2014 wahrzunehmen hat.
Die Anträge der Beteiligten zu 2) werden zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird für die Beteiligten zu 2) und 3) nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Beteiligten streiten um die Wirksamkeit einer Wahl zur Schwerbehindertenvertretung.
Am 5. Nov. 2010 fand die Wahl zur Schwerbehindertenvertretung im Betrieb A der Beteiligten zu 2) statt. Im Betrieb arbeiten u.a. 11 schwerbehinderte Menschen (Bl. 81 d. A.). Der Beteiligte zu 1), der selbst nicht schwerbehindert ist, wurde als Schwerbehindertenvertretung gewählt. Die Wahl der Schwerbehindertenvertretung wurde im vereinfachten Verfahren durchgeführt. Zu der Wahl wurde durch Aushang (Bl. 45 d. A.) zur Wahlversammlung am 5. Nov. 2010 um 12.00 Uhr in den Pausenraum eingeladen, zusätzlich durch persönliches Schreiben (Bl. 46 d. A.). Zur Wahlversammlung kamen neun schwerbehinderte Menschen. Frau B befand sich in Urlaub, Frau C kam erst nach dem ersten Wahlgang. Die Versammlung wurde durch die bisherige Schwerbehindertenvertretung Frau D geleitet. Wahlhelferin war die Betriebsratsvorsitzende E. Es gab einen Wahlvorschlag mit sechs Bewerbern (Bl. 50 d. A.). Der handschriftliche Wahlvorschlag wurde kopiert. Zur Stimmabgabe begaben sich die Wahlberechtigten in einen vom Wahlraum durch eine Falttür abgetrennten Nebenraum, in der auch die Wahlurne stand (Fotografien Bl. 47 bis 49 d. A.). Nach der Stimmabgabe fand im Wahlraum die Auszählung statt. Es waren neun Stimmzettel abgegeben worden, auf denen jeweils ein Kandidat angekreuzt war. Auf den Beteiligten zu 1) entfielen fünf Stimmen. Die weiteren vier Stimmen verteilten sich auf andere Kandidaten. Die Wahl der stellvertretenden Vertrauensperson fand an diesem Tag nicht mehr statt, weil die Wahl abgebrochen worden ist.
Die Beteiligte zu 2) hat dem Beteiligten zu 1) die Teilnahme an der Jahreshauptversammlung der Schwerbehindertenvertrauenspersonen am 29. und 30. Nov. 2010 und an der Wahl der Gesamtschwerbehindertenvertrauensperson verweigert.
Der Beteiligte zu 1) hat behauptet, am Tage der Wahlversammlung sei das Wahlergebnis am schwarzen Brett im Personaleingangsbereich ausgehängt worden. Er ist der Auffassung gewesen, es habe bei der Wahl keine Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften gegeben.
Mit seinem am 30. Nov. 2010 beim Arbeitsgericht Kassel eingegangenen Antrag hat der Beteiligte zu 1) beantragt,
festzustellen, dass er am 5. Nov. 2010 als Schwerbehindertenvertrauensperson gewählt worden ist und die Aufgaben der Schwerbehindertenvertrauensperson für den Betrieb der F GmbH am Standort A in der Zeit vom 30. Nov. 2010 bis 29. November 2014 wahrzunehmen hat.
Die Beteiligte zu 2) hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen
sowie für den Fall des Obsiegens des Beteiligten zu 1) mit seinem Antrag die am 5. November 2010 durchgeführte Wahl zur Schwerbehindertenvertrauensperson für nichtig zu erklären sowie hilfsweise die am 5. November 2010 durchgeführte Wahl zur Schwerbehindertenvertrauensperson für unwirksam zu erklären.
Der Be...