Entscheidungsstichwort (Thema)
Begriff des Vertretenseins einer Gewerkschaft i.S. von § 17 Abs. 4 BetrVG. Rechtsfolgen unrichtiger Angaben über das Verfahren zur Betriebsratswahl in der Einladung zu einer Betriebsversammlung zur Wahl des Wahlvorstandes
Leitsatz (amtlich)
1. Das Vertretensein einer Gewerkschaft im Betrieb im Sinne des § 17 Abs. 4 BetrVG setzt nicht voraus, dass ihr Mitglied dort aktiv wahlberechtigt ist.
2. Ist eine Einladung zu einer Betriebsversammlung nach § 17 Abs. 3 BetrVG zur Wahl eines Wahlvorstandes grundsätzlich ordnungsgemäß erfolgt, schadet es nicht, wenn diese zur Betriebsratswahl unrichtige Angaben enthält (Wahl im vereinfachten statt regulären Verfahren), da der Wahlvorstand gemäß § 18 Abs. 1 BetrVG über das richtige Wahlverfahren entscheidet und die Einladenden dies nicht vorgeben können.
Normenkette
BetrVG § 17 Abs. 4
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 17.09.2013; Aktenzeichen 13 BV 319/13) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 17. September 2013 - 13 BV 319/13 - abgeändert:
Im Betrieb der Beteiligten zu 2) in B wird ein Wahlvorstand, bestehend aus
1. C
2. D
3. G/A-Landesfachbereichsleiterin,
bestellt.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Die antragstellende Gewerkschaft (von nun an: A) begehrt die Bestellung eines Wahlvorstandes im Betrieb der Beteiligten zu 2) in B, die im Bereich der spezialisierten Arbeitnehmerüberlassung für fachspezifische Bereiche des Arbeitsmarktes tätig ist. In diesem Betrieb wurde bisher kein Betriebsrat gewählt. Per Aushang vom 8. April 2013 (Bl. 4 d. A.) luden die Arbeitnehmer der Beteiligten zu 2) Herr C, Herr D und Frau E zu einer Wahlversammlung zur Wahl eines Wahlvorstandes im Betrieb B ein, die am 18. April 2013 stattfinden sollte. 72 Mitarbeiter der Beteiligten zu 2), die bei Kunden eingesetzt waren, erhielten Einladungen per E-Mail vom 10. April 2013. Bei der Wahlversammlung vom 18. April 2013 waren 21 Arbeitnehmer aus dem Betrieb anwesend. Die Mitarbeiter C, D und E stellten sich für den Wahlvorstand zur Wahl. Bei der Abstimmung stimmten drei Arbeitnehmer für einen Wahlvorstand, 14 dagegen und vier enthielten sich.
Mit Schreiben vom 18. April 2013, jeweils zugegangen am 19. April 2013, kündigte die Beteiligte zu 2) das Arbeitsverhältnis der Arbeitnehmer C, D und E fristlos, hilfsweise fristgerecht. Sie erhoben Kündigungsschutzklage. Frau E ist auf der Grundlage eines gerichtlichen Vergleichs mit Ablauf des 30. Juni 2013 aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden. Gegen die erstinstanzlich obsiegenden Urteile der Mitarbeiter C und D ist die Berufung der Beteiligten zu 2) noch beim Hessischen Landesarbeitsgericht anhängig.
Die Beteiligte zu 1) hat mit Antragsschrift vom 25. April 2013 beim Arbeitsgericht Frankfurt am Main die Bestellung eines Wahlvorstandes für den Betrieb der Beteiligten zu 2) in B beantragt. A ist der Auffassung gewesen, sie sei antragsbefugt, weil sie eine im Betrieb der Beteiligten zu 2) vertretene Gewerkschaft sei. Die zwischenzeitlich ausgesprochenen Kündigungen änderten daran nichts. Sie hat behauptet, die Arbeitnehmer C und D seien bereits im März 2013 bei ihr Mitglieder gewesen.
Die Beteiligte zu 1) hat beantragt,
im Betrieb der Beteiligten zu 2) in B einen Wahlvorstand zu bestellen.
Die Beteiligte zu 2) hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Die Beteiligte zu 2) hat A nicht für antragsbefugt gehalten, weil diese nicht im Betrieb vertreten sei. Die gekündigten Mitarbeiter C und D seien - insoweit unstreitig - schon seit betriebsbedingten Kündigungen im Sommer bzw. Herbst 2012 nicht mehr für sie tätig gewesen. Die Antragsbefugnis der Gewerkschaft nach § 17 Abs. 4 BetrVG erfordere jedoch, dass das Gewerkschaftsmitglied auch tatsächlich beschäftigt sei. Die Mitarbeiter C und D seien im Übrigen auch nicht satzungsgemäß in die Gewerkschaft aufgenommen worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens, des vom Arbeitsgericht festgestellten Sachverhalts und des arbeitsgerichtlichen Verfahrens wird auf die Sachdarstellung des angefochtenen Beschlusses verwiesen.
Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat den Antrag durch Beschluss vom 17. Sept. 2013 - 13 BV 319/13 - zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, A fehle die Antragsbefugnis, weil nicht festgestellt werden könne, dass sie im Betrieb der Beteiligten zu 2) in B vertreten sei. Hierfür sei auch die personelle Präsenz des Mitglieds im Betrieb erforderlich. Die Betriebszugehörigkeit setze neben dem Arbeitsvertrag auch die tatsächliche Eingliederung in die Betriebsorganisation voraus. Die von den Mitarbeitern C und D erhobenen Kündigungsschutzklagen änderten daran nichts. Dadurch seien sie zwar weiterhin passiv wahlberechtigt im Sinne des § 8 BetrVG, das Gewerkschaftsmitglied, auf das die Gewerkschaft ihre Antragsbefugnis stützte, müsse jedoch auch aktiv wahlberechtigt im Sinne des § 7 BetrVG sein. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Grün...