Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterrichtungspflicht des Arbeitgebers nach § 99 Abs. 1 BetrVG. Vorläufige personelle Eilmaßnahme nach § 100 BetrVG. Keine Nachholung der Begründung im Eilverfahren nach § 100 BetrVG
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat vor jeder Einstellung und Versetzung über diese zu unterrichten, die erforderlichen Unterlagen vorzulegen sowie Auskunft über die Person des Beteiligten zu geben. Der Betriebsrat soll die Informationen erhalten, die er benötigt, um sein Recht zur Stellungnahme nach § 99 Abs. 2 BetrVG sachgerecht ausüben zu können. Die Unterrichtungspflicht bezieht sich auf alle Bewerber für die zu besetzende Position.
2. Der Arbeitgeber muss dem Betriebsrat die sachlichen Gründe nennen, die aus seiner Sicht die dringende Erforderlichkeit der Maßnahme begründen. Nur dann kann der Betriebsrat seine Entscheidung nach § 100 Abs. 2 Satz 2 BetrVG treffen. Verletzt der Arbeitgeber seine Begründungspflicht, ist die Durchführung der personellen Eilmaßnahme unzulässig. Es fehlt eine Verfahrensvoraussetzung.
3. Ein Nachholen der Begründung wäre nicht unverzüglich i.S.d. § 100 Abs. 2 Satz 1 BetrVG und deshalb unwirksam. Es ist mit dem Fristenregime des § 100 BetrVG nicht vereinbar, wenn der Arbeitgeber den Begründungsmangel der ersten Stufe des Verfahrens noch nach Einleitung der dritten Stufe (Antrag an das Arbeitsgericht) nachholen könnte.
Normenkette
BetrVG §§ 99-100, 93, 95 Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 16.10.2018; Aktenzeichen 24 BV 378/18) |
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 16. Oktober 2018 – 24 BV 378/18 – wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten noch über 14 Versetzungen.
Die antragstellende Arbeitgeberin betreibt einen Betrieb auf dem Flughafen A, dessen Zweck die Herstellung und Belieferung von Bordverpflegung für Luftverkehrsgesellschaften ist. In dem Betrieb beschäftigt die Arbeitgeberin gut 2.200 Arbeitnehmer, die von dem zu 2) beteiligten Betriebsrat repräsentiert werden. Die Arbeitgeberin ist Teil des Konzerns der B AG. Die Muttergesellschaft schloss mit dem Konzernbetriebsrat mehrere Konzernbetriebsvereinbarungen zur Gewährleistung eines konzernweiten Arbeitsmarktes, darunter die in der Anlage BB 3 zum Schriftsatz vom 27. Januar 2019 (Bl. 283 – 286 d. A.) ersichtliche Konzernbetriebsvereinbarung Stellenausschreibung. Mit Schreiben vom 05. Juli 2015 verlangte der Betriebsrat von der Arbeitgeberin die betriebsinterne Ausschreibung aller innerhalb des Betriebes zu besetzenden Stellen.
In den Jahren 2016 bis 2018 beschäftigte die Arbeitgeberin mehr als 1.500 operative Mitarbeiter. Ein Großteil von diesen ist auf Abruf mit einer Monatsmindestarbeitszeit von vierzig Stunden tätig. Aktuell beschäftigt die Arbeitgeberin die Abrufmitarbeiter während des Winterfahrplans an höchstens sechzig Stunden pro Monat und während des Sommerfahrplans an höchstens hundert Stunden pro Monat. Ein erheblicher Teil dieser Arbeitnehmer ist an einer Arbeitszeiterweiterung interessiert. Unter dem 25. September 2017 informierte die Arbeitgeberin den Betriebsrat mit der in der Anlage BB 4 zum Schriftsatz vom 27. Januar 2018 (Bl. 287 – 292 d. A.) ersichtlichen Präsentation über ihre Personalplanung.
Mit mehreren am 11. Juni 2018 zugegangenen Schreiben vom 08. Juni 2017 unterrichtete die Arbeitgeberin den Betriebsrat über ihre Absicht, die ersten acht der im Antrag der Arbeitgeberin aufgeführten Arbeitnehmer vom 18. Juni 2018 befristet bis 17. Juni 2020 als operative Mitarbeiter einzustellen und diese Maßnahmen vorläufig durchzuführen. Die Anhörungen enthielten Angaben zu den Personalien und zur Eingruppierung der betroffenen Arbeitnehmer, nicht aber über andere Bewerber auf die Stellen. Die vorläufige Durchführung der Maßnahmen begründete die Arbeitgeberin folgendermaßen:
„Wir teilen Ihnen mit, dass wir die Maßnahme zum oben angegebenen Datum nach § 100 BetrVG vorläufig durchführen werden, weil sie aus sachlichen Gründen und für einen ordnungsgemäßen Arbeitsablauf dringend erforderlich ist. Zur Sicherung eines ordnungsgemäßen betrieblichen Arbeitsablaufs müssen wir den akut bestehenden Personalbedarf möglichst lückenlos decken. Anderenfalls ist ein ordnungsgemäßer Arbeitsablauf zur Erfüllung des Kundenauftrags im o. g. Zeitraum gefährdet.“
Der Betriebsrat widersprach den Maßnahmen mit am selben Tag zugegangenen Schreiben vom 13. Juni 2018 gemäß § 99 Abs. 2 Nr. 1, 2, 3, 5 BetrVG. Er verwies u. a. auf mehrere betriebsinterne Bewerber für die Stellen, die die Arbeitgeberin habe bevorzugen müssen, und rügte eine nicht ordnungsgemäße Unterrichtung.
Die Arbeitgeberin informierte den Betriebsrat mit weiteren am 22. Juni 2018 zugegangenen Schreiben vom 21. Juni 2018 über ihre Absicht, die weiteren im Antrag der Arbeitgeberin aufgeführten Arbeitnehmer vom 05. Juli 2018 befristet bis 04. Juli 2020 als operative Mitarbeiter einzustellen und diese...