Entscheidungsstichwort (Thema)
Antrag einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft auf Feststellung des Bestehen eines Gemeinschaftsbetriebs als relevante Betriebsstruktur. Zusammenfassung, Ordnung und gezielter Einsatz vorhandenener materieller und immaterieller Betriebsmittel für einen einheitlichen arbeitstechnischen Zweck in einer Betriebsstätt. Steuerung des Einsatzes der menschlichen Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat
Leitsatz (redaktionell)
Bei einem Gemeinschaftsbetrieb liegt gerade keine besondere Betriebs-, Unternehmens- oder Konzernorganisation oder Zusammenarbeit von Unternehmen vor, die in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht mit besonderen Schwierigkeiten verbunden wäre. Vielmehr enthält das BetrVG mit der Vorschrift des § 1 Abs. 2 eine Strukturregelung, durch die die Vertretung der Arbeitnehmer sämtlicher Unternehmen, die den Gemeinschaftsbetrieb bilden, schon von Gesetzes wegen erreicht wird. Die Bildung von zwei Betriebsräten innerhalb eines Gemeinschaftsbetriebs wäre eine Verschlechterung, weil jeder Betriebsrat nur noch einen Teil der Belegschaft vertreten würde und damit keinen Überblick über die mitbestimmungsrelevanten Fragen hinsichtlich des jeweils anderen Teils der Arbeitnehmerschafft hätte.
Normenkette
BetrVG § 18 Abs. 2, § 1 Abs. 1 S. 2, § 3 Abs. 1 Nr. 3
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 04.10.2021; Aktenzeichen 18 BV 405/20) |
Tenor
Auf die Beschwerden der Antragsteller zu 1-3 und 4 wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 4. Oktober 2021 - 18 BV 405/20 - unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen teilweise abgeändert:
Es wird festgestellt, dass zwischen den Beteiligten zu 1-3 eine betriebsratsfähige Organisationseinheit (Gemeinschaftsbetrieb) besteht.
Im Übrigen werden die Anträge zurückgewiesen.
Die Beschwerden der Antragsteller zu 6 und 8 werden zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Betriebsstruktur nach § 18 Abs. 2 BetrVG.
Die Antragsteller zu 1-3 sind Unternehmen, die nach Auffassung der Antragsteller einen Gemeinschaftsbetrieb unterhalten und auf der Grundlage von Strukturtarifverträgen die Bildung von 2 Betriebsräten in dem Gemeinschaftsbetrieb, die Antragsteller zu 4 und 5, vereinbart haben. Der Antragsteller zu 6 ist eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft. Der Beteiligte zu 8 ist zwar keine im Betrieb unmittelbar vertretene Gewerkschaft. Er wurde jedoch von einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft, der A, ermächtigt, als deren Dachverband Tarifverträge zu verhandeln und abzuschließen. Die A organisiert die Mitglieder vor Ort und agiert auf betriebliche Ebene. Insoweit ist der Antragsteller zu 8 der Auffassung, er sei im Betrieb mittelbar vertreten.
Durch die inhaltsgleichen Landesbezirkstarifverträge Nr. 8/2016 sowie Nr. 8a/2016 wurde auf der Grundlage von § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG der zum 1. Juli 2017 um die Antragstellerin zu 3 erweiterte gemeinsamen Betrieb zwischen den Antragstellern zu 1 und 2 in 2 betriebliche Einheiten getrennt.
In § 2 der Landesbezirkstarifverträge Nr. 8, 8a/2016 ist folgendes geregelt:
Betriebsverfassungsrechtliche Trennung
(1) Im Gemeinschaftsbetrieb wird kein gemeinsamer Betriebsrat gebildet.
(2) Stattdessen vertritt die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Fraport und der FRA-Voko einerseits und die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der FraGround andererseits jeweils ein eigenständiger Betriebsrat. Auf diese Arbeitnehmervertretungen finden die Vorschriften über die Rechte und Pflichten des Betriebsrats und die Rechtsstellung seiner Mitglieder Anwendung.
(3) Im Übrigen gelten die Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes.
Gegenstand des vorliegenden Beschlussverfahrens sind das Vorliegen eines gemeinsamen Betriebs der Antragsteller zu 1-3 sowie die Rechtswirksamkeit der durch die Strukturtarifverträge erfolgten betriebsverfassungsrechtlichen Aufspaltung in 2 getrennte Einheiten.
Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Beteiligten und der gestellten Anträge wird auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts im Beschluss unter I. (Bl. 307-312 der Akte) Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat den Antrag zurückgewiesen; wegen der Begründung wird auf die Ausführungen im Beschluss unter II. (Bl. 313-323 der Akte) verwiesen.
Dieser Beschluss wurde dem Verfahrensbevollmächtigten der Antragsteller zu 1-3 und 8 am 11. Oktober 2021, den Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 4 und 6 am 12. Oktober 2021 und dem Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten zu 5 am 18. Oktober 2021 zugestellt. Die Beschwerden der Antragsteller zu 1-3 und 6 sind am 8. November 2021, die des Beteiligten zu 4 am 12. November 2021 und die des Beteiligten zu 8 am 2. November 2021 beim Landesarbeitsgericht eingegangen. Die Beschwerdebegründungsfrist wurde für die Antragsteller zu 1-3 bis 31. Januar 2022 und für den Beteiligten zu 6 bis 7. Februar 2022 verlängert. Die Beschwerdebegründung des Beteiligten zu 8 ist am 8. Dezember 2021, die des Beteili...