Entscheidungsstichwort (Thema)
verspätete Erklärung nach § 117 ZPO. Prozesskostenhilfe kann nicht mehr bewilligt werden, wenn das Verfahrens abgeschlossen ist. In Ausnahme von diesem Grundsatz ist eine Rückwirkung der PKH-Bewilligung auf den Zeitpunkt des Antragseingangs auch noch nach dem Abschluss der Instanz zuzulassen. Dies setzt voraus, dass über den Antrag vor Beendigung der Instanz positiv hätte entschieden werden können, also die sog. Bewilligungsreife vorlag. Das ist dann nicht der Fall, wenn der Antragsteller die für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe erforderlichen Unterlagen erst nach dem Abschluss des Verfahrens vorlegt. Etwas anderes gilt nur dann, wenn das Gericht vor Abschluss der Instanz gem. § 118 Abs. 2 S. 3 ZPO eine Frist zur Vorlage der Erklärung oder von Belegen setzt oder eine Veranlassung der Fristsetzung gehabt hätte. Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach Verfahrensabschluss. Rückwirkende PKH-Bewilligung. Bewilligungsreife
Leitsatz (redaktionell)
1. Prozesskostenhilfe kann grundsätzlich nur bis zum Abschluss des Verfahrens bewilligt werden. Nur in Ausnahmefällen kommt eine rückwirkende Bewilligung auf den Zeitpunkt des Antragseingangs in Betracht, falls über den Antrag vor Beendigung der Instanz hätte positiv entschieden werden können, also Bewilligungsreife vorlag.
2. Bewilligungsreife in diesem Sinn liegt nicht vor, wenn der Antragsteller die für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe erforderlichen Unterlagen erst nach Abschluss des Verfahrens vorlegt
Normenkette
ZPO §§ 114, 117-118
Verfahrensgang
ArbG Offenbach am Main (Beschluss vom 02.08.2010; Aktenzeichen 3 Ca 120/10) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichtes Offenbach vom 2. August 2010 – 3 Ca 120/10 – aufgehoben.
Die erneute Entscheidung des Prozesskostenhilfegesuchs wird dem Arbeitsgericht übertragen.
Das Arbeitsgericht hat bei dieser Entscheidung die Rückwirkung der Prozesskostenhilfebewilligung auf den Zeitpunkt des Antragseingangs trotz Abschluss der Instanz zuzulassen.
Tatbestand
I.
Der Kläger hat mit Klageschrift, eingegangen beim Arbeitsgericht am 25. März 2010, Kündigungsschutzklage erhoben und gleichzeitig für diese Rechtsverfolgung Prozesskostenhilfe beantragt mit dem Hinweis auf eine nachzureichende Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse. Der Rechtsstreit endete durch einen Vergleich, festgestellt durch gerichtlichen Beschluss vom 2. August 2010. Gleichzeitig hat das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 2. August 2010 den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wegen fehlender Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers zurückgewiesen. Gegen diesen, ihm am 4. August 2010 zugestellten, Beschluss wendet sich der Kläger mit seiner sofortigen Beschwerde, eingegangen beim Arbeitsgericht am 3. September 2010. Der Kläger rügt, dass das Arbeitsgericht mit dem angefochtenen Beschluss ohne jegliche Vorankündigung seinen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen habe. Zu keinem Zeitpunkt sei er aufgefordert worden, die fehlende Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen einzureichen. Mit Schriftsatz, eingegangen beim Arbeitsgericht am 9. September 2010, überreichte der Kläger sodann seine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Anlagen. Das Arbeitsgericht hatte zuvor mit Beschluss vom 8. September 2010 der sofortigen Beschwerde des Klägers nicht abgeholfen. In dem Nichtabhilfebeschluss führt das Arbeitsgericht aus, dass nach Abschluss der Verfahrens eine rückwirkende Bewilligung der Prozesskostenhilfe nur möglich gewesen wäre, sofern Bewilligungsreife vor Abschluss des Verfahrens bestanden hätte oder eine Nachfrist für die Vorlage fehlender Unterlagen gesetzt worden wäre. Das Gericht sei nicht verpflichtet gewesen, die Vorlage der fehlenden Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers anzumahnen, da in der Klageschrift angekündigt wurde, diese nachzureichen.
Entscheidungsgründe
II.
Die nach §§ 78 Abs. 1 ArbGG, 127 Abs. 2 S. 2, 590 ZPO statthafte und zulässige Beschwerde ist begründet. Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war nicht unter dem Gesichtspunkt, dass nach Abschluss des Verfahrens eine rückwirkende Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht möglich ist, zurückzuweisen. Richtig ist zwar, dass Prozesskostenhilfe nicht mehr bewilligt werden kann, wenn das Verfahren abgeschlossen ist. Richtig ist aber weiter auch, dass von diesem Grundsatz abweichend eine Rückwirkung der Prozesskostenhilfebewilligung auf den Zeitpunkt des Antragseingangs auch noch nach dem Abschluss des Verfahrens zuzulassen ist. Dies setzt aber voraus, dass über den Antrag vor Beendigung der Instanz positiv hätte entschieden werden können, also die sogenannte Bewilligungsreife vorlag. Das ist dann nicht der Fall, wenn der Antragsteller die für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe erforderlichen Unterlagen...