rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Vollziehung einer einstweiligen Verfügung im Beschlußverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine einstweilige Verfügung im Beschlußverfahren – auch diejenige, die auf Unterlassung bestimmter Handlungen gerichtet ist – muß gemäß § 929 Abs. 2 ZPO vollzogen werden, etwa durch Zustellung im Parteibetrieb. Andernfalls ist sie nach Ablauf der Vollziehungsfrist für gegenstandslos zu erklären, da i. S. des § 927 Abs. 1 ZPO veränderte Umstände vorliegen. Dies gilt, obwohl gemäß § 85 Abs. 2 ArbGG erforderliche Zustellungen von Amts wegen erfolgen.

2. Ein entsprechender Antrag kann sowohl in einem eigenen Verfahren gemäß § 927 ZPO vor dem Arbeitsgericht gestellt werden, als auch in Beschwerdeverfahren vor dem Landesarbeitsgericht. Insoweit hat der Schuldner ein Wahlrecht.

 

Normenkette

ZPO § 927 Abs. 1, § 929 Abs. 2; ArbGG § 85 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Beschluss vom 03.10.1989; Aktenzeichen 16 BVGa 32/89)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluß des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 3.10.1989 – 16 BVGa 32/89 – aufgehoben und die einstweilige Verfügung für gegenstandslos erklärt.

 

Tatbestand

I.

Der Antragsteller des vorliegenden Verfahrens, der bei einem großen F.-Hotel gebildete Betriebsrat, hat am 03. Oktober 1989 eine einstweilige Verfügung gegen den Arbeitgeber erwirkt, wonach dieser verpflichtet worden ist, es zu unterlassen, in dem Restaurant „Die G.” ohne Zustimmung des Betriebsrats Arbeitnehmer abweichend vom genehmigten Dienstplan Überstunden anzuordnen Bzw. entgegenzunehmen, die aus Gründen des Arbeitsanfalls betrieblich bedingt sind. Für den Fall der Zuwiderhandlung ist ein Ordnungsgeld angedreht worden.

Dieser Beschluß ist sowohl dem Betriebsrat als auch dem Arbeitgeber am 18. Oktober 1989 von Amts wegen zugestellt worden. Dem Verfahrensbevollmächtigten des Arbeitgebers ist der Beschluß an 25. Oktober 1989 zugestellt worden.

Hiergegen hat der Arbeitgeber am 23. November 1989 Beschwerde eingelegt und diese am 19. Dezember 1989 begründet.

Der Arbeitgeber ist der Ansicht, die einstweilige Verfügung sei aufzuheben und der Antrag abzuweisen, da die Vollziehungsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO verstrichen sei, ohne daß der Betriebsrat die einstweilige Verfügung zugestellt habe. Es erübrige sich daher, auf die Begründung des Beschlusses einzugehen.

Der Arbeitgeber beantragt,

die einstweilige Verfügung von 03. Oktober 1989

aufzuheben und den Antrag abzuweisen,

hilfsweise,

die einstweilige Verfügung für gegenstandlos zu erklären und den Antrag zurückzuweisen.

Der Betriebsrat beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Wegen des Vorbringens des Arbeitgebers im Beschwerderechtszug wird auf die Beschwerdebegründung vom 19. Dezember 1989 (Bl. 50–52 d.A.) und den Schriftsatz vom 22. Januar 1990 (Bl. 59–60 d.A.) Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Beschwerde ist statthaft. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Die Zustellung des Beschlusses des Arbeitsgerichts an den Arbeitgeber selbst löste die einmonatige Beschwerdefrist nicht aus, da die Beschlüsse und Urteile an den Verfahrensbevollmächtigten zuzustellen sind. Da dies erst am 25. Oktober 1989 geschah, ist die Beschwerdefrist eingehalten.

Die Beschwerde ist auch begründet und führt zur Aufhebung des Beschlusses des Arbeitsgerichts von 03. Oktober 1989. Die einstweilige Verfügung war für gegenstandlos zu erklären, da der Betriebsrat die Vollziehungsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO nicht gewahrt hat.

Nach Ablauf der Monatsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO ist eine weitere Vollziehung der einstweiligen Verfügung nicht mehr statthaft. Die Versäumung der Vollstreckungsfrist stellt eine Veränderung der Umstände im Sinne von § 927 Abs. 1 ZPO dar. Zwar sieht § 927 Abs. 2 ZPO ein besonderes Verfahren vor, für das das Arbeitsgericht zuständig wäre, weil es die einstweilige Verfügung erlassen hat. Hierdurch wird jedoch eine Geltendmachung auch in Beschwerdeverfahren nicht ausgeschlossen, da § 927 keine Spezialregelung gegenüber den Bestimmungen über das Berufungs- bzw. Beschwerdeverfahren beinhaltet. Der Schuldner kann wählen, ob er ein Rechtsmittel bzw. einen Widerspruch einlegen will, oder ein Aufhebungsverfahren nach § 927 ZPO durchführen will. Entscheidet er sich für die Berufung, so kann er dabei eine Veränderung der Umstände vortragen. Daneben ist kein besonderes Aufhebungsverfahren zulässig (Stein-Jonas-Grunsky, ZPO, 1988, § 927 Anm. 1; § 924 Anm. 4; OLG Schleswig, Urt. v. 17.12.1971, 6 U 59/71, NJN 72, S. 1056 f.). Es wäre auch nicht prozeßökonomisch, wenn der Schuldner gezwungen würde, aus Sicherheitsgründen sowohl den Antrag nach § 927 ZPO in der ersten Instanz zu stellen und vorsichtshalber ebenfalls Beschwerde einzulegen, um sich nicht des Rechts zu begeben, die materielle Richtigkeit des Urteils oder Beschlusses überprüfen zu lassen. Im vorliegenden Fall hat der Arbeitgeber sich zwar mit dem materiellen Inhalt des Beschlusses nicht auseinandergesetzt, sondern sich auf den Vortrag beschränkt, die Vol...

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