Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachträgliche Zulassung. Antragsfrist. Anwaltsverschulden
Leitsatz (amtlich)
Die Antragsfrist des § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG ist eine Prozessfrist, bei deren Versäumung Anwaltsverschulden nach § 85 Abs. 2 ZPO zugerechnet wird. Die Frist beginnt regelmäßig mit der Ladung zum Gütetermin zu laufen, wenn diese die Mitteilung über den Zeitpunkt des Klageeingangs enthält.
Normenkette
KSchG § 5 Abs. 3; ZPO § 85 II
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Beschluss vom 31.03.1999; Aktenzeichen 14 Ca 3763/98) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 31. März 1999 – 14 Ca 3763/98 – wird auf ihre Kosten aus einem Beschwerdewert von DM 12.030,– zurückgewiesen.
Gründe
Die Klägerin war seit 1. Nov. 1991 bei der Beklagten und deren Rechtsvorgängerin als Büroassistentin im Bereich Kundendienst beschäftigt. Die Beklagte hat mehr als 10 Arbeitnehmer. Mit Schreiben vom 9. April 1998, der Klägerin am selben Tag zugegangen, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Klägerin gegenüber zum 30. Juni 1998. Ihr Bruttomonatsgehalt betrug zuletzt DM 4.010,–. Die Klägerin hat mit einem Schriftsatz ihres früheren Prozeßbevollmächtigten vom 21. April 1998, der beim Arbeitsgericht Frankfurt am Main am 11. Mai 1998 einging, Kündigungsschutzklage gegen eine ihr am 9. April 1998 zugegangene ordentliche Kündigung zum 30. Juni 1998 erhoben.
Sie hat beantragt,
festzustellen, daß das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 9. April 1998 endet.
Die Kündigungsschutzklage war an das Arbeitsgericht Frankfurt am Main, Adickesallee 36, 80322 Frankfurt adressiert. Mit Schriftsatz, der vom früheren Prozeßbevollmächtigten der Klägerin am 19. Mai 1998 diktiert und unter dem Datum des 20. Mai 1998 gefertigt wurde und am 22. Mai 1998 bei Gericht einging, bat dieser wegen der Klage um Sachstandsmitteilung. In der ihm am 20. Mai 1998 zugegangenen Ladung zum Gütetermin vom 22. Juni 1998 hatte das Gericht auf das Eingangsdatum der Klage hingewiesen. Die Ladung enthielt nach der Anrede in Fettdruck den Vermerk:
„… auf die bei Gericht am 11. Mai 1998 eingegangene Klageschrift bzw. Klagebegründung vom 21. April 1998 werden Sie hiermit zu dem oben genannten Termin geladen.” (wortgleiche Ladung an die Beklagte. Bl. 58 d. A.).
Die Beklagte erwiderte mit Schriftsatz vom 8. Juni 1998 auf die Klage und wies auf die verspätetet Klageerhebung hin. Dieser Schriftsatz ging im Büro des Prozeßbevollmächtigten der Klägerin am 15. Juni 1998 ein. Mit Schriftsatz, der am 18. Juni 1998 beim Arbeitsgericht Frankfurt am Main per Telefax einging, beantragte die Klägerin die nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage. Im Gütetermin vom 22. Juni 1998 gab der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin eine eidesstattliche Versicherung ab.
Die Klägerin ist der Auffassung gewesen, sie müsse sich ein etwaiges Verschulden ihres Prozeßbevollmächtigten bei der Nichteinhaltung der materiellen Frist des § 4 KSchG nicht zurechnen lassen. Ein Verschulden der Prozeßbevollmächtigten scheitere bereits daran, daß diese sich auf die normalen Postlaufzeiten hätten verlassen dürfen. Sie hat behauptet, die Kündigungsschutzklage sei am 24. April 1998 zur Post gegeben worden. Als Mittel der Glaubhaftmachung hat sie auf einen in beglaubigter Fotokopie zu den Akten gereichten Vermerk vom 24. April 1998 Bezug genommen. Den Hinweis in der Ladungsverfügung auf den Klageeingang bei Gericht hat sie nicht als ausreichend Anlaß dafür angesehen, daß die mit der Postbearbeitung betraute Mitarbeiterin ihres früheren Prozeßbevollmächtigten die Akte dem Sachbearbeiter habe vorlegen oder selbst eine Frist habe notieren müssen.
Sie hat beantragt,
die Kündigungsschutzklage nachträglich zuzulassen.
Die Beklagte hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung gewesen, ein Fall des sich Verlassendürfens auf normale Postlaufzeiten sei bereits deswegen nicht gegeben, weil die Adressierung der Klage fehlerhaft gewesen sei. Die Frist für die nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage sei nicht eingehalten.
Zum weiteren erstinstanzlichen Vorbringen der Parteien, zu dem vom Arbeitsgericht festgestellten Sachverhalt und zum arbeitsgerichtlichen Verfahren wird auf die Sachdarstellung in den Beschlußgründen verwiesen (Bl. 66, 67 d. A.). Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat den Antrag auf nachträgliche Zulassung durch Beschluß vom 31. März. 1999 zurückgewiesen. Es hat angenommen, der Antrag sei unzulässig, weil dieser entgegen § 5 Abs. 3 KSchG nicht innerhalb von zwei Wochen nach Behebung des Hindernisses gestellt worden sei. Die Frist habe bereits mit Zugang der Ladung zum Gütetermin zu laufen begonnen, weil diese den Hinweis auf den Eingang der Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht enthalten habe. Die Überwachung der Einhaltung der Klagefrist gehöre zu den anwaltlichen Pflichten. Eine entsprechende Büroorganisation könne jedoch hier nicht festgestellt werden. D...