Entscheidungsstichwort (Thema)

betriebsverfassungsrechtlicher Unterlassungsanspruch im einstweiligen Verfügungsverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

1). Ein Betriebsrat, dessen Wahl noch nicht rechtskräftig als unwirksam festgestellt worden ist, bleibt bis zur Rechtskraft im Amt und ist aktiv legitimiert, seine betriebsverfassungsrechtlichen Ansprüche gegen den Arbeitgeber durchzusetzen.

2). Eine aufgrund eines Einigungsstellenspruches zustandegekommene Betriebsvereinbarung hat der Arbeitgeber durchzuführen, auch wenn er die Wahl des beteiligten Betriebsrats angefochten hat. Der Arbeitgeber kann nicht einseitig eine andere Regelung (hier: Arbeitszeit) anordnen.

3). Der Betriebsrat kann dies im Wege der einstweiligen Verfügung durchsetzen.

 

Normenkette

BetrVG § 77 Abs. 1, § 87 Abs. 1 Ziff. 2, § 87 Abs. 1 Ziff. 3; ZPO §§ 935, 940

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Beschluss vom 28.10.1987; Aktenzeichen 4 BV Ga 17/87)

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Frankfurt vom 28.10.1987 – 4 BV Ga 17/87 – wird zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I.

Der Antragsteller ist der bei der Antragsgegnerin gebildete Betriebsrat. Die Antragsgegnerin betreibt einen Druck- und Verlagsbetrieb mit etwa 20 Arbeitnehmern.

Durch Spruch der Einigungsstelle vom 4.3.1987 wurde die Arbeitszeit der gewerblichen Arbeitnehmer einschließlich der technischen Angestellten der Antragsgegnerin von montags bis freitags auf 06.00 bis 14.30 Uhr festgelegt.

Am 31.3.1987 fanden Wahlen statt, in denen ein neuer Betriebsrat, der Jetzige Antragsteller, gewählt wurde. Die Antragsgegnerin hat diese Wahl für nichtig gehalten und angefochten. In dem vor dem Arbeitsgericht Frankfurt diesbezüglich anhängig gemachten Verfahren 3 Bv 9/87 ist am 8.10. 1987 ein Beschluß verkündet worden, in dem die Betriebsratswahl vom 31.3.1987 im Betrieb der Antragsgegnerin für unwirksam erklärt und der Antrag (auf Nichtigkeit) im übrigen zurückgewiesen worden ist. Dieser Beschluß ist nicht rechtskräftig.

Am 16.10.1987 ordnete die Antragsgegnerin durch Aushang am schwarzen Brett des Betriebs an, daß ab dem 1.11.1987 der Dienst – abweichend vom Spruch der Einigungsstelle vom 4.3.1987 – um 07.00 Uhr beginne.

Mit am 27.10.1987 beim Arbeitsgericht eingegangenem Antrag hat der Antragsteller die Unterlassung der einseitigen Festlegung der täglichen Arbeitszeit abweichend vom Spruch der Einigungsstelle und für den Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld beantragt. Er hat gleichzeitig beantragt, die Ladungsfrist auf 1 Stunde abzukürzen.

Er hat die Ansicht vertreten, die Antragsgegnerin sei nicht zur einseitigen Festlegung von anderen als den beschlossenen Arbeitszeiten berechtigt. Da die Wahl nur für unwirksam und nicht für nichtig erklärt worden sei, sei der Antragsteller auch weiter im Amt und habe alle Mitbestimmungsrechte. Ein Eilgrund liege in der ab dem 1.11.1987 unmittelbar bevorstehenden Änderung der Arbeitszeit.

Das Arbeitsgericht hat Termin zur Anhörung der Beteiligten anberaumt auf Mittwoch, den 28.10.1987, 12.00 Uhr und die Ladungs- und Einlassungsfrist auf 2 Stunden abgekürzt.

In diesem Termin hat die Antragsgegnerin durch ihren Verfahrensbevollmächtigten den Schriftsatz vom 28.10.1987 übergeben lassen.

Der Antragsteller hat beantragt,

  1. der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung aufzugeben, es zu unterlassen, ab dem 1.11.1987 Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit in ihrem Betrieb abweichend von der Regelung der Arbeitszeit aufgrund des Spruchs der Einigungsstelle vom 4.3.1987 festzulegen;
  2. der Antragsgegnerin für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld in Höhe von zumindest 20.000,– DM – die Höhe wird in das Ermessen des Gerichts gestellt –, für den Fall der Nichtbeitreibung Haft der Geschäftsführerin der Antragsgegnerin anzudrohen.

Die Antragsgegnerin hat beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin hat die Ansicht vertreten, dem Antragsteller fehle es an der notwendigen Aktivlegitimation, da die Wahl des Betriebsrats unwirksam sei, wie das Arbeitsgericht richtig festgestellt habe. Darüber hinaus halte die Antragsgegnerin die Wahl sogar für nichtig. Aber auch bei einer wegen Anfechtung unwirksamen Wahl müsse die Wahl als von Anfang an ungültig angesehen werden, da auch nach § 142 Abs. 1 BGB eine Anfechtung zu einer rückwirkenden Aufhebung der Willenserklärung führe. Aus dem Betriebsverfassungsgesetz lasse sich kein Anhaltspunkt dafür gewinnen, daß der die Ungültigkeit der Wahl feststellende Beschluß rechtsgestaltende Wirkung habe und nur für die Zukunft wirke.

Die Abkürzung der Ladungsfristen sei unter Verletzung des Grundsatzes auf rechtliches Gehör ergangen.

Dem Antragsteller fehle es an dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis, da er es unterlassen habe, die Antragsgegnerin außergerichtlich aufzufordern, die beanstandete Anordnung zurückzunehmen.

Schließlich sei die Änderung der Arbeitszeiten aufgrund ganz gewichtiger betrieblicher Belange erfolgt, welche die Interessen der Arbeitnehmer an einer Beibehaltung der bisherigen ...

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