Entscheidungsstichwort (Thema)

Einsichtsrecht ausgeschiedener Betriebsratsmitglieder in Protokolle von Betriebsratssitzungen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Einem ausgeschiedenen Betriebsratsmitglied steht kein Einsichtsrecht in die Unterlagen des Betriebsrats zu.

2. § 34 Abs. 3 BetrVG soll sicherstellen, dass sich jedes Betriebsratsmitglied über die Vorgänge im Betriebsrat und in den Ausschüssen informieren kann; dieses allgemeine Informationsinteresse besteht nach Ausscheiden aus dem Betriebsrat nicht mehr.

 

Normenkette

BetrVG § 34 Abs. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Darmstadt (Entscheidung vom 20.03.2012; Aktenzeichen 4 BV 1/12)

 

Tenor

Die Beschwerde des Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 20. März 2012 - 4 BV 1/12 - wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darum, ob ein ausgeschiedenes Betriebsratsmitglied die Überlassung von Kopien der Protokolle von Betriebsratssitzungen verlangen kann, hilfsweise die Einsichtnahme in die Protokolle.

Der Beteiligte zu 1) und Antragsteller war seit der Betriebsratswahl im Frühjahr 2010 bis zum 31. Aug. 2011 Mitglied des bei den Beteiligten zu 4) und 5) für das A in B gewählten Gemeinschaftsbetriebsrats (Beteiligter zu 2)). Dieser besteht aus 11 Mitgliedern, Vorsitzende ist die Beteiligte zu 3). Der Beteiligte zu 2) ist auf Grundlage eines Tarifvertrages nach § 3 Abs. 1 Ziff. 3 BetrVG für den Standort B gebildet worden.

Der Beteiligte zu 1) hat mit seinem am 6. Jan. 2012 beim Arbeitsgericht Darmstadt eingereichten Antrag die Überlassung von Kopien der Protokolle bestimmter Betriebsratssitzungen, hilfsweise Einsichtnahme in diese und - soweit diese noch nicht existierten - deren Erstellung begehrt.

Eine Geschäftsordnung hat sich der Betriebsrat nicht gegeben.

Der Beteiligte zu 1) ist der Ansicht gewesen, verantwortlich für die Erstellung der Sitzungsniederschriften sei die Beteiligte zu 3). Von 97 Sitzungen, die während seiner Amtszeit ab der Wahl 2010 bis zu seinem Ausscheiden stattgefunden hätten, seien nur 43 Protokolle erstellt und verlesen worden, davon 16 innerhalb eines Zeitraums von sechs bis elf Monaten und acht innerhalb eines Zeitraums von drei bis sechs Monaten. Die Vorgehensweise der Beteiligten zu 3) untergrabe die Möglichkeit, Einwendungen gegen die Protokolle vorzunehmen und zu begründen. Er habe ein Recht darauf, Kopien der Protokolle der Sitzungen, an denen er teilgenommen hätte, zu erhalten, jedenfalls aber in diese Einsicht zu nehmen. Auch ein ehemaliges Betriebsratsmitglied könne als Zeuge dafür benannt werden, dass bestimmte Beschlüsse in bestimmten Sitzungen gefasst worden seien. Er könne dadurch zu einer fahrlässigen Falschaussage gezwungen werden. Er müsse auch noch Einwendungen gegen die Protokolle geltend machen können, was deren Kenntnis voraussetze.

Der Beteiligte zu 1) hat beantragt,

den Beteiligten zu 2) zu verpflichten, ihm Kopien der Protokolle datumsmäßig genannter Betriebsratssitzungen zu überlassen, hilfsweise festzustellen, dass ihm Einsicht in diese Protokolle zu gewähren ist, ferner den Beteiligten zu 2) zu verpflichten, die Protokolle für bestimmte datumsmäßig aufgelistete Betriebsratssitzungen zu erstellen.

Die Beteiligten zu 2) und 3) haben beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Die Beteiligten zu 4) und 5) haben keine Anträge gestellt.

Die Beteiligten zu 2) und 3) sind der Meinung gewesen, der Beteiligte zu 1) habe als ausgeschiedenes Betriebsratsmitglied kein Rechtsschutzbedürfnis und keine Anspruchsgrundlage für seinen Antrag. Der Beteiligte zu 1) habe im Gütetermin vor dem Arbeitsgericht lediglich geäußert, er benötige die Protokolle zu Kontrollzwecken. Einen konkreten Anlass habe er nicht genannt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Beteiligten, ihrer Anträge und des vom Arbeitsgericht festgestellten Sachverhaltes wird auf die Sachdarstellung des angefochtenen Beschlusses (I.) verwiesen.

Das Arbeitsgericht Darmstadt hat die Anträge durch Beschluss vom 20. März 2012 - 4 BV 1/12 - zurückgewiesen, da eine Anspruchsgrundlage hierfür nicht ersichtlich sei. Ein Recht auf Überlassung von Kopien der Protokolle bestünde nach § 34 Abs. 3 BetrVG ohnehin nicht. Das Recht auf Einsichtnahme ende mit Ausscheiden aus dem Betriebsrat. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die arbeitsgerichtlichen Beschlussgründe verwiesen.

Der Beteiligte zu 1) hat gegen den ihm am 10. April 2012 zugestellten Beschluss am 10. Mai 2012 per Telefax Beschwerde eingelegt und diese innerhalb der rechtzeitig beantragten Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist bis zum 11. Juli 2012 an diesem Tag per Telefax begründet.

Der Beteiligte zu 1) hält die Entscheidung des Arbeitsgerichts für unrichtig. Er ist der Ansicht, das Arbeitsgericht habe verkannt, dass es hinsichtlich der Protokolle nicht um eine Kontrolle der Betriebsratstätigkeit ginge, sondern dass er die Überlassung der Kopien bzw. die Einsicht in die Protokolle der Sitzungen begehre, an denen er teilgenommen hab...

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