Entscheidungsstichwort (Thema)

Aussetzung eines gegen den Betriebserwerber geführten Kündigungsschutzverfahrens im Hinblick auf ein gegen den Betriebsveräußerer geführtes Kündigungsschutzverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Vorgreiflichkeit eines gegen den Betriebsveräußerer geführten Kündigungsschutzverfahrens gem. § 148 ZPO für ein gegen den Betriebserwerber geführtes Kündigungsschutzverfahren betreffend eine Kündigung, die erst nach dem Kündigungstermin der ersten Kündigung zuging, ist zweifelhaft, wenn der Betriebsübergang schon vor Rechtshängigkeit der Kündigungsschutzklage gegen den Betriebsveräußerer stattfand, weil §§ 265, 325 ZPO dann keine analoge Anwendung finden, die Rechtskraft sich also nicht auf den Erwerber erstreckt.

2. Jedenfalls solange in keiner Weise absehbar ist, ob es darauf ankommt, dass das Arbeitsverhältnis zum Betriebserwerber bei Zugang von dessen Kündigung noch bestand, kommt eine Aussetzung des Kündigungsschutzverfahrens gegen den Betriebserwerber nicht in Betracht.

 

Normenkette

ZPO §§ 148, 265, 325

 

Verfahrensgang

ArbG Kassel (Entscheidung vom 30.11.2015; Aktenzeichen 7 Ca 342/15)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Kassel vom 30. November 2015 - 7 Ca 342/15 - aufgehoben.

 

Gründe

I.

Die Klägerin wendet sich mit der vorliegenden sofortigen Beschwerde gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts, das vorliegende Verfahren gemäß § 148 ZPO im Hinblick auf ein in der Berufungsinstanz vor der erkennenden Kammer zwischen ihr und dem Rechtsvorgänger der Beklagten anhängiges Kündigungsschutzverfahren (erstinstanzliches Az: 2 Ca 226/15; zweitinstanzliches Az: 14 Sa 1285/15) auszusetzen.

Die Parteien streiten im Rahmen der Hauptsache um eine außerordentliche fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 26. Oktober 2015.

Die Klägerin war seit dem 1. Juli 2013 bei dem Verein "A e.V." tätig, der ca. 60 Arbeitnehmer beschäftigt. Von diesem erfolgte zum 1. Juli 2015 ein Betriebsübergang auf die Beklagte. Mit Kündigung vom 30. Juni 2015 kündigte der Verein "A e.V." das Arbeitsverhältnis der Klägerin ordentlich zum 30. September 2015. Begründet wurde die Kündigung mit dem Verdacht, die Klägerin habe vertrauliche Informationen weiter gegeben. Der hiergegen von der Klägerin am 2. Juli 2015 eingelegten Kündigungsschutzklage hat das Arbeitsgericht Kassel mit Urteil vom 18. September 2015 (2 Ca 226/15) stattgegeben. Den ursprünglich in diesem Verfahren angekündigten Weiterbeschäftigungsantrag hat die Klägerin im Hinblick auf den Betriebsübergang auf die Beklagte zurückgenommen.

Der Verein "A e.V." hat gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kassel vom 18. September 2015 mit Schriftsatz vom 12. November 2015 Berufung eingelegt (Aktenzeichen 14 Sa 1285/15), die vor der erkennenden Kammer anhängig ist. Termin ist bestimmt auf den 7. Oktober 2016.

Gegen die Kündigungen der Beklagten vom 26. Oktober 2015 hat die Klägerin im vorliegenden Verfahren Kündigungsschutzklage erhoben und einen Antrag auf Weiterbeschäftigung auf der Grundlage des allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruchs angekündigt. Außerdem hat sie im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens ihre Weiterbeschäftigung gegen die hiesige Beklagte geltend gemacht.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, das arbeitsgerichtliche Verfahren sei gemäß § 46 Abs. 2 ArbGG in Verbindung mit § 148 ZPO auszusetzen, da das Verfahren 2 Ca 226/15 /14 Sa 1285/15 ihm vorgreiflich sei und mit Schriftsatz vom 16. November 2015 Aussetzung beantragt. In der Sitzung vom 30. November 2015 haben die Parteien übereinstimmend das Ruhen des Verfahrens beantragt. Der Kammervorsitzende hat mitgeteilt, dass über den Aussetzungsantrag "im Dezernatswege" entschieden werde. Eine Entscheidung über den übereinstimmend gestellten Ruhensantrag erfolgte nicht.

Das Arbeitsgericht hat das vorliegende Verfahren sodann mit Beschluss vom 30. November 2015 gemäß § 148 ZPO bis zur Erledigung des Rechtsstreits vor der erkennenden Kammer 14 Sa 1285/15 ausgesetzt. Es hat dies ausschließlich damit begründet, der Ausgang des Verfahrens sei für den vorliegenden Rechtsstreit vorgreiflich. Sei das Arbeitsverhältnis der Parteien bereits durch die ordentliche Kündigung des Verein "A e.V." vom 30. Juni 2015 beendet worden, gehe die Kündigungsschutzantrag im vorliegenden Verfahren ins Leere.

Gegen diesen, ihr am 8. Dezember 2015 zugestellten Beschluss wendet sich die Klägerin mit ihrer am 22. Dezember 2015 beim Hessischen Landesarbeitsgericht eingegangenen sofortigen Beschwerde. Sie argumentiert, die Aussetzung verstoße gegen das Beschleunigungsgebot gemäß § 9 ArbGG und verletze ihren Weiterbeschäftigungsanspruch. Die Entscheidung des Arbeitsgerichts sei bereits deshalb aufzuheben, weil das Arbeitsgericht über die Aussetzung nicht nach pflichtgemäßem Ermessen nach den Umständen des Einzelfalls entschieden habe. Eine Ermessensausübung habe überhaupt nicht stattgefunden. Insoweit sei auch zu bedenken, dass der Arbeitgeber den Weiterbeschäftigungsanspruch...

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