Entscheidungsstichwort (Thema)
Eingruppierung. Erweiterung des Mitbestimmungsrechts. Auslegung des Vergütungstarifvertrags für die Arbeitnehmer der B (Deutsche Niederlassung) i. d. F. v. 01.10.2007
Leitsatz (amtlich)
1. § 2 Nr. 2 S. 3 des Vergütungstarifvertrages für die Arbeitnehmer der B (Deutsche Niederlassung) in der ab 1.10.2007 geltenden Fassung (VTV) enthält keine Erweiterung des gesetzlichen Mitbestimmungsrechts bei Eingruppierungen, sondern lediglich eine deklaratorische Verweisung auf § 99 Abs. 4 BetrVG.
2. Eine tarifliche Bewertung der Tätigkeiten der Arbeitnehmer anhand der allgemeinen Tätigkeitsmerkmale der Entgeltgruppen des VTV kommt nicht in Betracht. Die Tarifvertragsparteien haben alle in Deutschland vorhandenen Positionen verbindlich den jeweiligen Tarifgruppen zugeordnet.
3. Der Betriebsrat hat im Rahmen der Ein- bzw. Umgruppierung ein Mitbeurteilungsrecht, welches auf die rechtsanwendende Beurteilung beschränkt ist, ob die Mitarbeiter tatsächlich Tätigkeiten ausüben, die den Aufgaben der Stellenbeschreibung des Arbeitgebers entsprechen.
4. Für die Eingruppierung in eine Tarifgruppe des VTV reicht es nicht aus, dass die in den Stellenbeschreibungen des Arbeitgebers aufgelisteten Tätigkeiten arbeitszeitlich überwiegend ausgeführt werden. Vielmehr müssen sie in ihrer Gesamtheit zumindest mehr als die Hälfte der Arbeitszeit in Anspruch nehmen.
Normenkette
BetrVG § 99
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Beschluss vom 05.05.2009; Aktenzeichen 14/23 BV 814/08) |
Nachgehend
BAG (Aktenzeichen 7 ABR 51/10) |
Tenor
Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 05. Mai 2009 – 14/23 BV 814/08 – wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
A
Die Beteiligten streiten über die zutreffende Eingruppierung der Arbeitnehmerin A in den Vergütungstarifvertrag für die Arbeitnehmer der B (Deutsche Niederlassung) in der ab 01. Oktober 2007 geltenden Fassung.
Die Beteiligte zu 1) (Arbeitgeberin) ist die Deutsche Niederlassung eines in den C ansässigen und weltweit tätigen Logistikunternehmens. Die Vergütung der bei ihr beschäftigten Mitarbeiter richtet sich nach den Regelungen des Vergütungstarifvertrages für die Arbeitnehmer der B (Deutsche Niederlassung) in der jeweils geltenden Fassung. Der Beschwerdeführer ist der für den Betrieb in D gewählte Betriebsrat.
Mit Schreiben vom 21. Juli 2008 unterrichtete die Arbeitgeberin den Betriebsrat über die „beabsichtigte Versetzung der Arbeitnehmerin A in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis” als „Payroll-Administrator-Associate.” Die Eingruppierung sollte in die „Tarifgruppe 5 des seinerzeit anwendbaren Vergütungstarifvertrages (VTV) vom 28. Februar 2008, gültig ab 01. Oktober 2007” erfolgen. Wegen des weiteren Inhalts des Schreibens vom 21. Juli 2008 wird auf die Kopie Bl. 59 ff d. A. Bezug genommen. Der Betriebsrat stimmte mit Schreiben vom 28. Juli 2008 der „Versetzung” zu und widersprach der Eingruppierung im Wesentlichen mit der Begründung, die Geschäftsleitung habe eindeutig höhere Anforderungen in der Arbeitsplatzbeschreibung gestellt, als die Merkmale des Tarifvertrages in der TG 5 zuließen. Aus der Sicht des Betriebsrats sei die richtige Eingruppierung in die TG 6 gegeben. Wegen des vollständigen Inhalts des Schreibens wird auf die Kopie Bl. 41 d. A. verwiesen.
Die seit dem 01. Oktober 2007 bei der Arbeitgeberin beschäftigte Arbeitnehmerin A verrichtet überwiegend folgende Tätigkeiten:
- Weiterleitung der durch das Management übersendeten Daten und Dokumente an die lokalen Payroll-Agenturen in den Ländern E, F, G (z.B. Stundenmeldungen, Neueintritte, Kündigungen),
- Kontrolle der Gehaltszahlungen,
- effektive und fristgerechte Zahlung der Gehälter inklusive Lohnsteuern und Sozialabgaben,
- Verbuchung der Gehaltsdaten im B-Buchhaltungssystem,
- Prüfung und Auszahlung der Reisekosten für die Länder H, I, E, F und G.
Für die Job-Familie des „Payroll-Administrator” hat die Arbeitgeberin die Stellenbeschreibungen vom 19. Mai 2003 erstellt. Wegen Einzelheiten wird auf die Kopie der Stellenbeschreibung Bl. 155 ff d. A. Bezug genommen. Hinsichtlich des unstreitigen Sachverhalts, des Vortrags der Beteiligten im ersten Rechtszug sowie der dort gestellten Anträge wird ergänzend auf den tatbestandlichen Teil des angefochtenen Beschlusses – Bl. 164 bis Bl. 168 d. A. – verwiesen.
Mit dem am 05. Mai 2009 verkündeten Beschluss hat das Arbeitsgericht Frankfurt am Main die verweigerte Zustimmung zur Eingruppierung der Mitarbeiterin A ersetzt. Seine Entscheidung hat es – kurz zusammengefasst – wie folgt begründet: Das Zustimmungsersetzungsverfahren werde nicht durch § 2 Nr. 2 Satz 3 VTV ausgeschlossen. Zwar hätten die Tarifvertragsparteien in dieser Bestimmung festgehalten, dass eine Eingruppierung lediglich im Einvernehmen mit dem Betriebsrat erfolgen könne. Nichts anderes folge jedoch auch aus § 99 Abs. 1 Satz 1, letzter HS BetrVG, nach dem für personelle Einzelmaßnahmen die Zustimmung des Betriebsrats einzuholen sei. Damit seien ...