keine Angaben zur Rechtskraft
Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozesskostenhilfe. Mutwilligkeit. Rechtsverfolgung. Nachteilsausgleich. Gesamtschaden
Leitsatz (amtlich)
1. Offensichtlich mutwillig im Sinne von § 11 a Abs. 2 ArbGG kann eine Rechtsverfolgung auch dann sein, wenn der Antragsteller nicht wider besseres Wissen handelt, sondern sich einer für einen Rechtskundigen eindeutigen Rechtslage verschließt.
2. Die Geltendmachung eines Gesamtschadens im Sinne von § 92 InsO gegen den Massenschädiger kann mutwillig sein.
Normenkette
ArbGG § 11a; ZPO § 114; BetrVG § 113; InsO § 92
Verfahrensgang
ArbG Offenbach am Main (Beschluss vom 17.10.2005; Aktenzeichen 5 Ca 454/04) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Offenbach am Main vom 17. Oktober 2005 – 5 Ca 454/04 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Tatbestand
I.
Der Kläger verlangt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für einen im Ausgangsverfahren geltend gemachten Anspruch auf Nachteilsausgleich in Höhe von mindestens EUR 93.960. Er war bei der Schuldnerin, über deren Vermögen am 01. Dezember 2004 die Insolvenz eröffnet wurde, seit 1976 zu einer Bruttomonatsvergütung von zuletzt EUR 2.700 beschäftigt. Er nimmt mit der im Ausgangsverfahren erhobenen Klage die Beklagten zu 2) – 4) als Mitglieder des Konzerns der Schuldnerin sowie gemäß dem von ihm gefassten Rubrum den Beklagten zu 1) auf Zahlung des Nachteilsausgleichs „als Insolvenzverwalter” der Schuldnerin in Anspruch. Der Beklagte zu 1) verhandelte bis August 2005 mit dem bei der Schuldnerin gebildeten Betriebsrat über den Abschluss eines Interessenausgleichs und Sozialplans und kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger nach dem erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen Ende August 2005 betriebsbedingt.
Der Kläger behauptet, die Schuldnerin habe spätestens seit dem zweiten Quartal 2004 die Betriebsstilllegung abschließend geplant. Sie habe den Beginn von Verhandlungen über einen Interessenausgleich entgegen § 111 Satz 1 BetrVG verzögert. Sie sei bereits seit Jahren unterkapitalisiert gewesen, wofür die Beklagten zu 2) – 4) als Konzernobergesellschaften verantwortlich seien. An diese seien die Gewinne der Schuldnerin abgeführt worden. Diese hafteten daher im Wege der Durchgriffshaftung. Gleiches gelte für den Beklagten zu 1) wegen seines Unterlassens der Inanspruchnahme der Beklagten zu 2) – 4). Die insolvenzrechtlichen Grundsätze über die Beschränkung der Geltendmachung eines Gesamtschadens seien nicht anwendbar, da der Nachteilsausgleich ein individueller Anspruch des Klägers sei.
Das Arbeitsgericht hat den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung des Prozessbevollmächtigten des Klägers mit der Begründung zurückgewiesen, die Rechtsverfolgung biete nicht nur keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Sie sei auch offensichtlich mutwillig im Sinn von § 11 a Abs. 2 ArbGG. Gegen den am 20. Oktober 2005 zugestellten Beschluss legte der Kläger am Montag, dem 21. November 2005 sofortige Beschwerde ein, der das Arbeitsgericht nicht abgeholfen hat.
Entscheidungsgründe
II.
Die sofortige Beschwerde ist nicht begründet. Der Kläger hat zwar inzwischen mit dem Schriftsatz vom 05. Januar 2006 seine Bedürftigkeit umfassend glaubhaft gemacht. Das Arbeitsgericht hat den Antrag jedoch zu Recht zurückgewiesen, da die Rechtsverfolgung des Klägers nicht nur keine hinreichende Aussicht auf Erfolg gemäß § 114 Satz 1 ZPO bietet, sondern auch offensichtlich mutwillig im Sinne von § 11 a Abs. 2 ArbGG ist, da sie eindeutig einschlägige insolvenzrechtliche Beschränkungen missachtet.
1. Das Grundgesetz gebietet mit Art. 3 Abs. 1, 19 Abs. 4 GG und durch das Rechtsstaatsprinzip eine weitgehende Angleichung der Situation unbemittelter und bemittelter Parteien bei der Verwirklichung ihres Rechtsschutzes. Eine vollständige Gleichstellung armer Parteien ist dagegen nicht geboten. Eine unbemittelte Partei braucht nur einer bemittelten gleichgestellt zu werden, die ihre Prozessaussichten vernünftig abwägt und dabei auch das Kostenrisiko berücksichtigt. Daher ist es verfassungsrechtlich zulässig, die Gewährung von Prozesskostenhilfe von einer hinreichenden Erfolgsaussicht und davon abhängig zu machen, dass sie nicht mutwillig erscheint. Dies darf allerdings nicht dazu führen, dass die Sachprüfung in das Bewilligungsverfahren verlagert wird. Prozesskostenhilfe darf nur versagt werden, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht völlig ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist. Schwierige Rechts- und Tatsachenfragen sind nicht im Prozesskostenhilfe-, sondern im Hauptsacheverfahren zu klären (ständige Rechtsprechung des BVerfG, etwa 07. Mai 1997 – 1 BvR 269/94 – NJW 1997/2745, zu II 1 a; 07. April 2000 – 1 BvR 81/00 – AP ZPO § 114 Nr. 12, zu B I 1; 24. Juli 2002 – 2 BvR 2256/99 – NJW 2003/576, zu B I 1; 13. Juli 2005 – 1 BvR 175/05 – NJW 2005/3489, zu B I 1).
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