Entscheidungsstichwort (Thema)
Ordnungsgemäße Unterrichtung des Betriebsrats vor einer Eingruppierung. Inhalt der Unterrichtung des Betriebsrats gem. § 99 Abs. 1 BetrVG. Nachholung der fehlenden Informationen im Zustimmungsersetzungsverfahren gem. § 99 Abs. 4 BetrVG. Weitgehende Parallelentscheidung zu LAG Hessen 15 TaBV 119/18 v. 30.07.2019
Leitsatz (redaktionell)
1. Voraussetzung für eine gerichtliche Zustimmungsersetzung nach § 99 Abs. 4 BetrVG ist eine ordnungsgemäße Unterrichtung des Betriebsrats durch den Arbeitgeber. Nur diese setzt für den Betriebsrat die Frist des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG in Lauf. Dazu hat der Arbeitgeber den Betriebsrat nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG über die beabsichtigte personelle Einzelmaßnahme unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen ausreichend zu unterrichten.
2. Erforderlich und ausreichend ist eine Unterrichtung, die es dem Betriebsrat ermöglicht, aufgrund der mitgeteilten Tatsachen zu prüfen, ob einer der in § 99 Abs. 2 BetrVG genannten Zustimmungsverweigerungsgründe gegeben ist. Bei Eingruppierungen gehört zu einer vollständigen Unterrichtung die Angabe der vorgesehenen Vergütungs- oder Entgeltgruppe sowie die Erläuterung der Gründe, weshalb der Arbeitnehmer so einzureihen ist.
3. Der Arbeitgeber kann noch im Zustimmungsersetzungsverfahren fehlende Informationen nachholen. Mit der Vervollständigung der Informationen wird die Wochenfrist des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG in Lauf gesetzt. Diese ergänzende Information kann auch durch einen im Lauf des Zustimmungsersetzungsverfahrens eingereichten Schriftsatz erfolgen. Für den Fristbeginn ist dann entscheidend, wann der Betriebsrat in Person des Betriebsratsvorsitzenden von dem Schriftsatz Kenntnis erlangt hat.
Normenkette
BetrVG §§ 99, 99 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, 3 S. 1, Abs. 4
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Beschluss vom 20.04.2018; Aktenzeichen 13 BV 451/17) |
Nachgehend
Tenor
Es wird festgestellt, dass die Zustimmung des Beteiligten zu 2) zur Eingruppierung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in die Entgeltgruppe 2 Stufe 1 TVöD – V (VKA) 2017
- A
- B
- C
- D
- E
- F
- G
- H
- I
als erteilt gilt.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Zustimmungen des zu 2. beteiligten Betriebsrats zu den Eingruppierungen von zuletzt noch neun Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern als erteilt gelten oder gerichtlich zu ersetzen sind.
Die zu 1. beteiligte Arbeitgeberin ist ein gemeinsames Tochterunternehmen der J AG und der K AG und Mitglied im kommunalen Arbeitgeberverband Hessen e. V. (KAV Hessen). Sie erbringt für die am L Flughafen im Bereich Passage tätigen Fluggesellschaften Betreuungsdienste für ältere, mobilitätseingeschränkte und behinderte Fluggäste, allein reisende Kinder und andere Fluggäste, die eine Begleitung benötigen. Für diese Betreuungstätigkeit beschäftigt sie als „Service Agenten“ bezeichnete Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
Der Beteiligte zu 2. ist der bei der Beteiligten zu 1. gewählte Betriebsrat.
lm Zuge der Gründung des Unternehmens der Beteiligten zu 1. schlossen der KAV Hessen und die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) den Landesbezirkstarifvertrag Nr. 4/2008 vom 14. Januar 2008, der Sonderregelungen ua. zum TVöD für Beschäftigte und Auszubildende der Beteiligten zu 1. enthält.
ln § 3 dieses Landesbezirkstarifvertrags findet sich unter anderem folgende Regelung:
„Bezüglich der Eingruppierung der Beschäftigten mit operativen Tätigkeiten bei der FraCareServices GmbH werden die nachstehenden Festlegungen getroffen:
Beschäftigte in der Funktion „Service Agent“ sind in der Entgeltgruppe 2 TVöD eingruppiert.“
Wegen der weiteren Einzelheiten dieses Landesbezirkstarifvertrags Nr. 4/2008 wird Bezug genommen auf Anlage A4 im Anlagenband.
Mit Schreiben vom 16. September 2011 kündigte ver.di den Landesbezirkstarifvertrag Nr. 4/2008.
lm Jahr 2013 schlossen der KAV Hessen, die Beteiligte zu 1. und ver.di den Landesbezirkstarifvertrag Nr. 2/2013 mit dem der Landesbezirkstarifvertrag Nr. 4/2008 mit Wirkung vom 1. Januar 2012 wieder in Kraft gesetzt wurde. Wegen der Einzelheiten des Landesbezirkstarifvertrags Nr. 2/2013 wird auf Anlage A8 im Anlagenband Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 24. August 2015 kündigte die Gewerkschaft ver.di die Landesbezirkstarifverträge Nr. 4/2008 und Nr. 2/2013 mit Wirkung zum 31. Dezember 2015.
Die Beteiligte zu 1. wendet - auch bei den nicht tarifgebundenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern - den TVöD-V (VKA) an, der seit dem 1. Januar 2017 in § 12 folgendes regelt:
„(1) Die Eingruppierung der/des Beschäftigten richtet sich nach den Tätigkeitsmerkmalen der Anlage 1 – Entgeltordnung (VKA). Die/Der Beschäftigte erhält Entgelt nach der Entgeltgruppe, in der sie/er eingruppiert ist.
(2) Die/Der Beschäftigte ist in der Entgeltgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmalen die gesamte von ihr/ihm nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht. Die gesamte auszuübende Tätigkeit entspricht den Tätigkeit...