Entscheidungsstichwort (Thema)

Richtiger Zustellungsadressat im PKH-Nachprüfungsverfahren gem. § § 120 ZPO a.F.

 

Leitsatz (amtlich)

Zustellungen im Nachprüfungsverfahren des § 120a ZPO haben gemäß § 172 Abs. 1 ZPO an den Prozessbevollmächtigten der Partei zu erfolgen, sofern dieser die Partei bereits im Bewilligungsverfahren vertreten hat (im Anschluss an BGH 11.05.2016, XII ZB 582/15, und BAG 19.07.2006, 3 AZB 18/06).

Die im Nachprüfungsverfahren versäumte Zustellung der Aufforderung zur Mitwirkung an den Prozessbevollmächtigten der Partei ist im Beschwerdeverfahren nicht nachholbar, weil Gegenstand der Überprüfung im Beschwerdeverfahren die Rechtmäßigkeit des Beschlusses ist, mit dem die Bewilligung der Prozesskostenhilfe gemäß §§ 120a, 124 ZPO aufgehoben/abgeändert wurde.

 

Normenkette

ZPO §§ 120a, 124, 329 Abs. 2, § 172 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Gießen (Entscheidung vom 24.06.2015; Aktenzeichen 4 Ca 109/14)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Gießen vom 24. Juni 2015 - 4 Ca 109/14 - aufgehoben.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Im Beschwerdeverfahren wendet sich der frühere Kläger und Beschwerdeführer (im Folgenden: Kläger) gegen die Aufhebung der zunächst bewilligten Prozesskostenhilfe.

Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten hat der Kläger am 13. März 2014 vor dem Arbeitsgericht Klage erhoben und Prozesskostenhilfe beantragt.

Die Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse hat er am 14. Mai 2014 zu den Akten gereicht. Mit Beschluss vom 15. Mai 2014 wurde ihm ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten bewilligt.

Am 29. April 2014 haben die Parteien den Rechtsstreit mit einem Vergleich beendet.

Der Rechtspfleger hat den Kläger mit formlos übersendetem Schreiben vom 30. April 2015 gebeten, den beigefügten Vordruck "Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse" bis zum 29. Mai 2015 ausgefüllt zurück zusenden. Eine Durchschrift davon wurde an den Prozessbevollmächtigten des Klägers gesendet (vgl. Bl. 11 des Beihefts). Mit formlos übersendetem Schreiben vom 01. Juni 2016 hat der Rechtspfleger den Kläger letztmalig aufgefordert, die gewünschte Erklärung bis zum 22. Juni 2015 abzugeben und darauf hingewiesen, dass er mit der Aufhebung der Prozesskostenhilfe rechnen müsse, wenn er der Erklärungspflicht nicht nachkomme. Eine Durchschrift davon wurde an die Prozessbevollmächtigte des Klägers gesendet (vgl. Bl. 12 des Beihefts).

Mit Beschluss vom 24. Juni 2015 hat der Rechtspfleger den Beschluss über die bewilligte Prozesskostenhilfe aufgehoben (Bl. 13 des Beihefts). Dieser Beschluss wurde dem Prozessbevollmächtigten des Klägers ausweislich seines Empfangsbekenntnisses am 29. Juni 2015 förmlich zugestellt (Bl. 14 des Beiheftes).

Mit Schriftsatz, der am 29. Juli 2015 bei Gericht eingegangen ist, hat der Prozessbevollmächtigte gegen den Beschluss sofortige Beschwerde eingelegt und diese zunächst nicht begründet. Am 14. August 2015 ist eine Erklärung des Klägers zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen bei Gericht vorab per Fax eingegangen. Mit Beschluss vom 22. Oktober 2015 hat der Rechtspfleger der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen (Bl. 31 des Beihefts) und die Sache dem Hessischen Landesarbeitsgericht vorgelegt.

II. Die gemäß § 11 Abs. 1 RPflG, § 11a ArbGG, § 78 Satz 1 ArbGG, § 127 Abs. 2 Satz 2 und 3 ZPO §§ 567 ff. ZPO, zulässige sofortige Beschwerde ist begründet.

Der Aufhebungsbeschluss des Arbeitsgerichts vom 24. Juni 2015 ist unwirksam, weil vor seinem Erlass eine ordnungsgemäße Beteiligung des Klägers im Nachprüfungsverfahren gemäß §§ 124, 120a Abs. 1 Satz 3 ZPO nicht stattgefunden hat. Eine Aufforderung zur Abgabe einer Erklärung nach § 120a Abs. 1 Satz 3, Abs. 4, Satz 1 ZPO, ob eine Änderung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eingetreten ist, wurde dem Prozessbevollmächtigten des Klägers nicht zugestellt. Dies kann im Beschwerdeverfahren nicht nachgeholt werden, weil die formal ordnungsgemäße Beteiligung vor Erlass des Abänderungs- bzw. Aufhebungsbeschlusses Voraussetzung für seinen rechtmäßigen Bestand ist.

1. Das Überprüfungsverfahren richtet sich im vorliegenden Verfahren nach der zum 01. Januar 2014 erfolgten Neuregelung der Prozesskostenhilfe. Denn nach § 40 Satz 1 EGZPO sind die §§ 114 - 127 in der bis zum 31. Dezember 2013 geltenden Fassung (ZPO a. F.) nur für bis zum 31. Dezember 2013 gestellte Anträge auf Prozesskostenhilfe anwendbar. Da der Kläger mit am 13. März 2014 bei Gericht eingegangenem Antrag Prozesskostenhilfe beantragt hat, gilt für ihn die Neuregelung der Prozesskostenhilfe.

2. Die Aufhebungsentscheidung beruht schon auf einem fehlerhaften Verfahren, sie ist deshalb rechtswidrig und aufzuheben. Für eine Aufhebung oder Abänderung der Prozesskostenhilfebewilligung nach §§ 120a, 124 ZPO ist erforderlich, dass der entsprechenden Entscheidung des Arbeitsgerichts ein von ihm formal ordnungsgemäß durchgeführtes Verfah...

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