Entscheidungsstichwort (Thema)
Freistellung des Betriebsratsvorsitzenden zur Teilnahme an Schulungsveranstaltungen. Beurteilungsspielraum des Betriebsrats für die Entscheidung über die Erforderlichkeit der Schulungsteilnahme
Leitsatz (redaktionell)
1. Der örtliche Betriebsrat hat nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG darüber zu wachen, ob die Gesamtbetriebsvereinbarungen ordnungsgemäß vom Arbeitgeber durchgeführt werden. Dies erfordert einen entsprechenden Kenntnisstand - hier vor allem im Zusammenhang mit der Einführung neuer Technologien - (auch) der örtlichen Betriebsräte.
2. Für Schulungsveranstaltungen für Betriebsräte ist die Befähigung zum Richteramt nicht erforderlich, insbesondere nicht (gesetzlich) vorgeschrieben. Es reicht aus, wenn der Schulungsveranstalter die von ihm eingesetzten Referenten für diese Aufgaben als hinreichend qualifiziert ansieht.
Normenkette
ZPO §§ 935, 940; BetrVG § 37 Abs. 6, 2
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 12.10.2023; Aktenzeichen 26 BVGa 446/23) |
Tenor
Die Beschwerde der Beteiligten zu 4 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 12. Oktober 2023 - 26 BVGa 446/23 - wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens über die Freistellung von zwei Betriebsratsmitgliedern zur Teilnahme an einer Schulungsveranstaltung sowie die Übernahme der Kosten für die Schulung sowie der Anreise zum Schulungsort.
Antragsteller sind der beim Arbeitgeber (Beteiligter zu 4), einem Textileinzelhandelsunternehmen, gebildete Betriebsrat (Antragsteller zu 1), der 2 seiner Mitglieder (Antragsteller zu 2 und 3) zu einer Schulung zum Thema "Handlungsfelder und Beteiligungsrechte für die betriebliche Interessenvertretung angesichts von Digitalisierung und der Entwicklung des stationären Einzelhandels" im Zeitraum vom 1. bis 3. November 2023 in A entsandte.
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und der gestellten Anträge wird auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts im Beschluss unter I. (Bl. 170-171R der Akte) Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat den Anträgen stattgegeben; wegen der Begründung wird auf die Ausführungen im Beschluss unter II. (Bl. 172 - 178R der Akte) verwiesen.
Dieser Beschluss wurde dem Verfahrensbevollmächtigten des Arbeitgebers am 19. Oktober 2023 zugestellt, der dagegen am 25. Oktober 2023, die Beschwerdebegründung enthaltend, Beschwerde eingelegt hat.
Der Arbeitgeber rügt (wie bereits erstinstanzlich), dass der Betriebsrat keinen hinreichenden und ordnungsgemäßen Beschluss zur Einleitung des erstinstanzlichen Verfahrens vorgelegt habe. Ferner ist er der Ansicht, die Anträge zu 1-3 könnten nicht im einstweiligen Verfügungsverfahren geltend gemacht werden. Eine Freistellung zur Schulungsteilnahme sei betriebsverfassungsrechtlich nicht vorgesehen und im Beschlussverfahren nicht durchsetzbar. Es bedürfe nach § 37 Abs. 2 BetrVG keiner Freistellungserklärung zur Schulungsteilnahme. Im Übrigen bestehe in einem Hauptsacheverfahren keine Bindungswirkung an eine im einstweiligen Verfügungsverfahren ergangene Entscheidung. Für eine Kostenfreistellung (Antrag zu 2) bestehe kein Rechtsschutzbedürfnis. Der Antrag zu 3 sei unbestimmt. Ein Verfügungsanspruch bestehe nicht, da die streitgegenständliche Fortbildungsveranstaltung nicht erforderlich sei. Die in der Seminarbeschreibung genannten Technologien würden (jedenfalls zum weit überwiegenden Teil) bereits seit Jahren im Betrieb angewendet und seien durch Gesamtbetriebsvereinbarungen geregelt. Jedenfalls könnten nicht zwei Betriebsratsmitglieder an der Schulung teilnehmen. Dauer und Kosten der Schulungsveranstaltung seien unverhältnismäßig. Die beiden Referenten seien als Industriesoziologin und Arbeitssoziologe nicht für die streitgegenständliche Schulungsveranstaltung qualifiziert. Der Schulungsveranstalter "B" sei gewerkschaftsnah, weshalb der Arbeitgeber nicht zu einer Gegnerfinanzierung verpflichtet sei. Ein Anspruch auf Zurverfügungstellung eines S-Bahn Tagestickets bestehe nicht; die Teilnehmer könnten mit dem Fahrrad nach A fahren. Jedenfalls bestehe kein Verfügungsgrund, da die Angelegenheit nicht eilbedürftig sei. Auch ohne einen Eilrechtstitel werde keine Schulungsteilnahme vereitelt. Es sei nicht ersichtlich, warum das Spezialseminar so zeitnah stattfinden müsse.
Der Arbeitgeber beantragt,
den Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 12. Oktober 2023 -26 BVGa 446/23- abzuändern und
die Anträge zurückzuweisen.
Die Antragsteller beantragen,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie verteidigen die Entscheidung des Arbeitsgerichts als zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Anhörungsprotokolle Bezug genommen.
II.
1. Die Beschwerde ist statthaft, § 87 Abs. 1 ArbGG, und zulässig, da sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet wurde, § 80 Abs. 2 S. 1, § 66 Abs. 1 S. 1, § 89 Abs. 1 und 2 ArbGG.
2. Die Beschwerde des Arbeitsgebers ist nicht ...