Entscheidungsstichwort (Thema)

Versetzung. Ausübung Direktionsrecht. Versetzung aus der ausschließlichen Wochenendschicht. Versetzung aus der ausschließlichen Wochenendschicht (HUB Handler). Direktionsrecht des Arbeitgebers. Ausübung billigen Ermessens

 

Leitsatz (redaktionell)

1. a) Nach § 106 Satz 1 GewO kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind.

b) Dem Inhaber des Bestimmungsrechts nach § 315 Abs. 1 BGB verbleibt für die rechtsgestaltende Leistungsbestimmung ein nach billigem Ermessen auszufüllender Spielraum, innerhalb dessen ihm mehrere Entscheidungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen können.

c) Eine Leistungsbestimmung entspricht nur dann billigem Ermessen, wenn die wesentlichen Umstände des Falles abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind.

2. Hat der Arbeitgeber einen Teil seiner als HUB Handler beschäftigten Mitarbeiter überwiegend nicht und andere Arbeitnehmer ausschließlich zu Zeiten des Wochenendes (d.h. im Zeitraum von freitags spätabends bis montags frühmorgens) eingesetzt und damit über viele Jahre hingenommen, dass Teile der Belegschaft praktisch nicht und andere Teile praktisch immer in finanziell interessanten, weil mit hohen Zuschlägen versehenen Schichten gearbeitet haben, sind im Rahmen der Interessenabwägung bei der Ausübung billigen Ermessens auch die wirtschaftlichen Auswirkungen der Umstellung der Schichtzuweisung in die Betrachtung mit einzubeziehen, auch wenn die Möglichkeit, Vergütungszuschläge durch die Arbeit in der Nacht und an Sonn- und Feiertagen zu verdienen, grundsätzlich nicht zu den bestandsschutzgesicherten Positionen im Arbeitsverhältnis gehört.

 

Normenkette

GewO § 106; BGB § 315 Abs. 1; GewO § 106 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 28.07.2011; Aktenzeichen 20 Ca 2056/11)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 28. Juli 2011 - 20 Ca 2056/11 - abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger als HUB-Handler in ihrem Betrieb A Flughafen ausschließlich in der Zeit von freitags 22.00 Uhr bis montags 6.00 Uhrzu beschäftigen.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Berufungsrechtszug weiterhin um die Berechtigung der Beklagten, dem Kläger eine andere Arbeitszeit zuzuweisen und um Annahmeverzugsansprüche.

Die Beklagte betreibt an mehreren Standorten in Deutschland ein Expressluftfrachtunternehmen, unter anderem am Flughafen in A. Mit dem Betriebsrat der Betriebsstätte A/B, zu der auch der Betrieb am A Flughafen gehört, schloss sie unter dem 25. August 1993 eine Betriebsvereinbarung Schichtarbeit, wegen deren Einzelheiten auf die zu den Gerichtsakten gereichte Kopie (B. 300-305 d.A.) verwiesen wird. Der Kläger arbeitet seit dem 1. September 2000 auf der Basis des schriftlichen Arbeitsvertrags vom 4. September 2000 in dem Betrieb Flughafen A der Beklagten als HUB Handler in Teilzeit mit zuletzt 16 Arbeitsstunden wöchentlich. Seine Durchschnittsvergütung betrug im Jahr 2010 1.860,00 brutto bei einem Bruttostundenlohn von € 13,14. Wegen der Einzelheiten des Arbeitsvertrags wird auf die Kopie Bl. 24-29 d.A. Bezug genommen. Der Kläger ist schwerbehindert mit einem GdB von 50. In der Zeit von September 2000 bis Juli 2010 arbeitete er entweder in der sogenannten V-Schicht von freitags 22.00 Uhr bis samstags 3.00 bzw. 4.00 Uhr oder der sogenannten TY-Schicht von samstags 21.30 Uhr bzw. V-Schicht von 22.00 Uhr bis sonntags 4.00 bzw. 4.30 Uhr und der sogenannten Q-Schicht von sonntags 18.00 bis 23.00 oder 24.00 Uhr. Darüber hinaus arbeitete er in den ersten Jahren des Beschäftigungsverhältnisses auch montags bis 6.00 Uhr. Der Kläger erzielte aufgrund dieser Einsatzzeiten arbeitszeitabhängige Zulagen. Neben ihm beschäftigte die Beklagte noch weitere Mitarbeiter ausschließlich in der sogenannten Weekend-Gruppe am A Flughafen als HUB Handler mit Arbeitszeiten am Wochenende. Mit elektronischer Nachricht vom 15. Mai 2003 informierte ihr Mitarbeiter C den Betriebsrat D über die Veränderungen im HUB-Bereich am A Flughafen (Bl. 30 d.A.). Im Jahr 2008 schloss die Beklagte aufgrund einer Betriebsänderung wegen der anstehenden Verlagerung von Arbeiten, die bisher am Flughafen in A ausgeführt wurden, nach Köln einen Interessenausgleich und Sozialplan. Hiernach entfielen am Flughafen A in bestimmten Bereichen 256 von 413 damals vorhandenen Arbeitsplätzen. Bis Juli 2010 war der Flughafen A Hauptumschlagplatz für die von der Beklagten transportierte Fracht. Danach erfolgte eine Verlagerung des Hauptumschlags an den Flughafen E. Wegen der Einzelheiten der hierdurch bedingten Auswirkungen auf das Abfertigungsvolumen wird auf die Ausführungen im Schriftsatz vom 29. J...

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