Entscheidungsstichwort (Thema)
Verdachtskündigung. Beurteilungszeitpunkt. Entlastungsbeweis. Wiedereinstellungsanspruch
Leitsatz (amtlich)
Bei der Verdachtskündigung ist der Entlastungsbeweis des Arbeitnehmers nur hinsichtlich der zum Kündigungszeitpunkt vorliegenden Verdachtsmomente zu erheben. Sich aus dem weiteren Geschehensablauf ergebendem Entlastungsvorbringen ist nicht nachzugehen. Die nachträgliche Reinigung vom Verdacht begründet lediglich, einen Wiedereinstellungsanspruch (Abweichung von BAG von 4.6.1964 2 AZR 310/63 = BAGE 16, 72, 81 und Leitsatz 4).
Normenkette
BGB § 626 Abs. 1-2; BetrVG § 102 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 16.06.1992; Aktenzeichen 4 Ca 364/91) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 16. Juni 1992 – 4 Ca 364/91 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision für den Kläger wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten auch zweitinstanzlich um die Wirksamkeit einer fristlosen Verdachtskündigung.
Die Beklagte ist ein Leasing-Unternehmen. Der zum Kündigungszeitpunkt 43 Jahre alte und geschiedene Kläger war seit 01. Juli 1985 als Gruppenleiter für das Leasing-Anschlußgeschäft bei der Beklagten beschäftigt. Sein Monatsverdienst belief sich zuletzt auf DM 6.412,– brutto. Auf den Arbeitsvertrag vom 24. April 1985 wird Bezug genommen (Bl. 15–19 d. A.). Der Kläger war zuständig für die Verwertung von Leasinggegenständen nach Ablauf der Leasingverträge. Die gebrauchten Geräte wurden anderweitig verleast, verkauft oder verschrottet. Verschrottungen erfolgten bei der Firma M. + K. R. Mit Wirkung vom 01. April 1991 wurde dem Kläger die Funktion „Objektverwertung” zugewiesen (Organigramm vom 01.04.1991, Bl. 14 d. A.). Der Kläger hielt diese Anordnung für unwirksam. Auf den insoweit zwischen den Parteien und dem bei der Beklagten bestehenden Betriebsrat gewechselten Schriftverkehr wird Bezug genommen (Schreiben vom 12. und 25.04., 19. und 25.06., 06. und 24.07. (Bl. 6–14 d. A.), ebenso auf den in Ablichtung zu den Akten gereichten Antrag der Beklagten aus dem Beschlußverfahren 4 BV 36/91 (Bl. 43–48 d. A.).
Mit Schreiben vom 13. und 25.06.1991 (Bl. 64, 10, 11 d. A.) teilte die Beklagte dem Kläger mit, sie sei bei der vertretungsweisen Bearbeitung seiner Aufgaben auf klärungsbedürftige Dinge gestoßen, deren befriedigende Aufklärung ohne seine Stellungnahme nicht möglich sei. Eine erneute Antrage erfolgte mit Schreiben vom 15. August 1991 (Bl. 65, 66 d. A.). Eine weitere Frist zur Stellungnahme bis 13.09.1991 setzte sie mit Schreiben vom 05.09.1991 (Bl. 67 d. A.). Mit Schreiben vom 11.10.1991 (Bl. 68, 69 d. A.) bat die Beklagte den Kläger unter Mitteilung des Ergebnisses ihrer Nachforschungen um Kontaktaufnahme und Stellungnahme bis zum 18. Oktober 1991. Anläßlich der Güteverhandlung vom 17. Oktober 1991 ließ der Kläger eine Stellungnahme bis zum 23. Oktober 1991 in Aussicht stellen. Nach Anhörung des Betriebsrates mit Schreiben vom 11., 23. und 25.10.1991 (Bl. 70–74 d. A.) und dessen Stellungnahme vom 28.10.1991 (Bl. 75 d. A.) sprach die Beklagte mit Schreiben vom 29.10.1991 (Bl. 49 d. A.) dem Kläger gegenüber die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus.
Der Kläger ist der Auffassung gewesen, die Kündigung entspreche nicht den an eine Verdachtskündigung zu stellenden strengen Anforderungen. Der Kläger hat behauptet, in einem Gespräch mit dem Zeugen S. am 19. September 1991 seien sämtliche Vorwürfe abgelegt und festgestellt worden, daß keine Unregelmäßigkeiten passiert seien. Wenn Geräte verschrottet worden seien, hätte der Inhaber der Firma M. + K. R., K., nur das abgezeichnet, was er an Geräten in Besitz genommen hätte (Beweis: Zeugnis K.). Die Mitarbeiterin der Beklagten, F., sei Herrn K. um Blankobescheinigungen angegangen. Hierüber hätte die Beklagte sich Klarheit verschaffen müssen. Die angeblich vermißten N.-Magnetplattensysteme – in Wahrheit ein Hauptsystem mit zwei unselbständigen Nebenrechnern – seien völlig unbrauchbar gewesen und der Verschrottung zugeführt worden (Beweis: Zeugnis K.). Bis zum Zeitpunkt seiner Erkrankung am 03.05.1991 hätten sich die diesbezüglichen Unterlagen in seinem Büro befunden, Dies sei im Gespräch vom 19. September 1991 von Herrn S. akzeptiert worden. Die Schlüssel für das Lager hätten in seinem unverschlossenen Schreibtisch gelegen, was sämtlichen Mitarbeitern bekannt gewesen sei. Die Firma K. sei langjährige Geschäftspartnerin der Beklagten gewesen. Deren Inhaberin, die Zeugin K., sei ihm nur fernmündlich bekannt. Warenlieferungen an diese seien stets gegen Rechnungen erfolgt. Die Firma K. verfüge auch über ein Debitorenkonto bei der Beklagten. Eine Firma K. sei entgegen der Aussage der Zeugin K. nie in die Verwertungsgeschäfte der Beklagten mit der Firma K. zwischengeschaltet gewesen. Auffällig sei, daß die Zeugin K. sich gerade an den fraglichen Vorfall konkret, im übrigen aber nur ungenau erinnern könne. Di...