Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit SokaSiG. Bauliche Prägung bei Heben von Gebäudeteilen
Leitsatz (redaktionell)
Auch wenn vor oder nach dem Betrieb andere Unternehmen tätig werden, so bleibt das Heben von Gebäuden, Gebäudeteilen und Dachstühlen baulich und unterfällt damit dem SokaSiG.
Normenkette
VTV § 1 Abs. 2 Abschn. II; SokaSiG § 7
Verfahrensgang
ArbG Wiesbaden (Urteil vom 15.05.2018; Aktenzeichen 12 Ca 621/17) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 15. Mai 2018 - 12 Ca 621/17 - wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung von Beiträgen an die Sozialkassen des Baugewerbes.
Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien in der Rechtsform eines Vereins mit eigener Rechtspersönlichkeit kraft staatlicher Verleihung. Er ist tarifvertraglich zum Einzug der Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes berechtigt und verpflichtet.
Der Beklagte, der den tarifschließenden Verbänden des Baugewerbes nicht mitgliedschaftlich verbunden ist, unterhielt in dem Kalenderjahr 2014 einen Betrieb, der im Internet unter dem Namen "A" auftrat. Gemäß seiner dortigen Darstellung ist sein Betrieb auf Haushebungen, Gebäudehorizontierungen und Pfahlgründungen spezialisiert. Für die Durchführung der Hebungen werden Hubanlagen aufgestellt. Nach der Vornahme eines horizontalen Schnitts durch das Gebäude wird die Hebung computergesteuert und bei kontinuierlicher Überwachung in Schritten von max. 2 mm vorgenommen. Sobald die Hydraulikzylinder auf 18 cm ausgefahren sind, werden Keile in die Hubspalte gestellt und angespannt. Sodann können die Zylinder wieder eingefahren werden und es erfolgt eine Ergänzung durch Klotzmaterial, bis die gewünschte Höhe erreicht ist. Während des gesamten Vorgangs kommt es zu keinerlei Eingriffen in die Substanz des Gebäudes, beispielsweise durch Löcher oder Verschraubungen. Nach der Hebung wird die Hubanlage ersatzlos abgebaut.
Der Kläger begehrt mit seiner Klage auf Grundlage der Tarifverträge über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) von dem Beklagten die Zahlung von Beiträgen für einen gewerblichen Arbeitnehmer während der Kalendermonate Juni und Juli 2014 i.H.v. insgesamt 1.296,- EUR und für zwei Angestellte während desselben Zeitraums i.H.v. insgesamt 268,- EUR. Der Beitragsberechnung legt der Kläger hinsichtlich des gewerblichen Arbeitnehmers zugrunde, dass diesem zumindest der durchschnittliche Bauarbeiterlohn im Tarifgebiet West gezahlt worden ist.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Beklagte sei zur Beitragszahlung verpflichtet. Er hat gemeint, das Heben von Häusern, Gebäudeteilen und insbesondere von Dachstühlen falle unter dem betrieblichen Geltungsbereich von § 1 Abs. 2 Abschnitt II VTV. Diesbezüglich beruft er sich auf das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 07. Oktober 2015 (18 Sa 53/15) betreffend die Beitragspflicht des Beklagten für den Zeitraum von Juli 2013 bis Mai 2014.
Der Kläger hat behauptet, die Arbeitnehmer des Beklagten hätten in dem streitgegenständlichen Zeitraum zu mehr als 50 % ihrer persönlichen Arbeitszeit und auch zu mehr als 50 % der betrieblichen Gesamtarbeitszeit folgende Tätigkeiten ausgeübt:
- Hebung von Häusern und Gebäudeteilen zu Sanierungszwecken, z.B. bei eindringender Feuchtigkeit im Fundament durch hochstehendes Grundwasser, zur Beseitigung von Schieflagen sowie zur Schaffung zusätzlichen Raums durch Einsatz computergesteuerter hydraulischer Hubanlagen;
- (Nach-) Fundamentierungen durch Einsatz sogenannter Bohr- und Presspfähle zum Zwecke der Sanierung bzw. Befestigung des Baugrundes;
- damit im Zusammenhang stehende Hilfsarbeiten, wie Ausschachtungsarbeiten und Transport von Material und Gerätschaften;
- Überwachung und Anleitung von Arbeitnehmern beauftragter Subunternehmer.
Der Kläger hat beantragt, den Beklagten zur Zahlung von 1.564,- EUR an ihn zu verurteilen.
Der Beklagte hat die Abweisung der Klage beantragt und die Auffassung vertreten, die Hebung von Häusern oder von Gebäudeteilen werde nicht vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV erfasst. Die von ihm eingesetzte Technik sei vergleichbar mit einem Wagenheber. Die (Nach-) Fundamentierungsarbeiten durch Einsatz sogenannter Bohr- und Einpresspfähle zum Zwecke der Sanierung bzw. Befestigung des Baugrundes würden ausschließlich von Subunternehmern ausgeführt und nicht von ihm oder seinen gewerblichen Arbeitnehmern. Die damit im Zusammenhang stehenden Hilfsarbeiten – Ausschachtungsarbeiten, Transport von Material und Gerätschaften u.ä. – würden ebenfalls von Subunternehmern ausgeführt und nicht von seinen gewerblichen Arbeitnehmern. Die Überwachung und Anleitung von Arbeitnehmern der Subunternehmer obliege den Architekten und Bauleitern. Die Subunternehmer würden von ihm, dem Beklagten, sorgfältig ausgewählt, damit die Hebung reibungsl...