Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweilige Verfügung im Beschlussverfahren. Schulungsteilnahme. zweites stellvertretendes Mitglied der Schwerbehindertenvertretung. Schulungsteilnahme des Schwerbehindertenvertreters
Leitsatz (amtlich)
1. Auf die Freistellung für Schulungen von Schwerbehindertenvertretern nach § 96 Abs. 4 SGB IX gerichtete einstweilige Verfügungen sind zulässig, weil gemäß §§ 85 Abs. 2 ArbGG, 935, 940 ZPO auch im Beschlussverfahren dem Verfassungsgebot eines effektiven Rechtsschutzes mit der Möglichkeit des Erlasses einer einstweiligen Verfügung Rechnung zu tragen ist.
2. Eine Auslegung von § 96 Abs. 4 Satz 4 Nr. 1 i.V.m. § 95 Abs. 1 Satz 4 SGB IX ergibt, dass auch das mit der zweithöchsten Stimmenzahl gewählte stellvertretende Mitglied der Schwerbehindertenvertretung einen Schulungsanspruch hat, wenn es zur Wahrnehmung von Aufgaben der Schwerbehindertenvertretung ständig herangezogen ist.
3. Soweit es um eine Grundschulung geht, die das mit der zweithöchsten Stimmenzahl gewählte stellvertretende Mitglied der Schwerbehindertenvertretung erst in die Lage versetzen soll, die ihm übertragenen Aufgaben ordnungsgemäß wahrzunehmen, sind an die Darlegung der Erforderlichkeit der Kenntnisse keine weiteren Anforderungen zu stellen.
Normenkette
SGB IX § 96 Abs. 4 S. 4 Nr. 1, § 95 Abs. 1 S. 4
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 27.03.2013; Aktenzeichen 17 BVGa 117/13) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragsstellers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 27.März 2013 - 17 BVGa 117/13 - abgeändert:
Die Beteiligte zu 2. wird verpflichtet die Beteiligte zu 3. für die Schulungsveranstaltung "XY - SBV II" in der Zeit vom 08.04.2013 bis 12.04.2013 in M, veranstaltet durch den Schulungsträger V unter Fortzahlung der Vergütung von der Arbeitspflicht freizustellen.
Gründe
I. Die Beteiligten streiten in dem einstweiligen Verfügungsverfahren darüber, ob der Arbeitgeber das mit der zweithöchsten Stimmenzahl gewählte weitere stellvertretende Mitglied der Schwerbehindertenvertretung für die Teilnahme an einer Grundschulung unter Fortzahlung der Vergütung freistellen muss.
Arbeitgeber ist eine Universitätsklinik, bei der in der Regel mehr als 200 (im Jahresdurchschnitt 2012 genau 320) schwerbehinderte Menschen beschäftigt sind. Zum Vertrauensmann der Schwerbehinderten wurde K, zur 1. Stellvertreterin O und zur 2. Stellvertreterin die Beteiligte zu 3 gewählt.
Nach der durch eidesstattliche Versicherung glaubhaft gemachten Behauptung der Schwerbehindertenvertretung (Antragsteller) wurden der Beteiligten zu 3 folgende Aufgaben übertragen:
- Teilnahme an BEM-Gesprächen,
- im Rahmen von Bewerbungsverfahren,
- Beratungen für schwerbehinderte Mitarbeiter.
- Ständige Hinzuziehung zur Teilnahme an der Arbeitsgruppe des Personalrats der Uniklinik zum Thema Vermietung von Zimmern und Wohnungen für die Beschäftigten der Anstalt öffentlichen Rechts und der Töchter. Dabei handelt es sich größtenteils um im Eigentum der Uniklinik stehende Personalunterkünfte, welche an die Beschäftigten weiter vermietet werden. Diese Treffen finden regelmäßig alle 1-3 Wochen statt.
-Zu Terminen, wenn der Vertrauensmann und seine 1. Stellvertreterin zeitgleich Termine der Schwerbehindertenvertretung wahrzunehmen haben bzw. Aufgaben aus ihrem Beschäftigungsverhältnis zu erfüllen haben,
- Beratung für die Schwerbehindertenvertretung in Fällen längerer Abwesenheit des Vertrauensmann oder der 1. Stellvertreterin,
- Beratung der fast 400 schwerbehinderten Mitarbeiter bei Maßnahmen zur Sicherung des Arbeitsplatzes,
- Heranziehung zur Beratung der Beschäftigten mit Handicap bei Fragen zu deren Situation am Arbeitsplatz,
- Heranziehung zur Umsetzung der Integrationsvereinbarung.
Im Anhörungstermin vor dem Arbeitsgericht hat der Vertrauensmann seine eidesstattliche Versicherung dahingehend präzisiert, dass der Bet. zu 3 nach Durchführung der Schulung noch als ständige Aufgabe die Beratung der fast 400 schwerbehinderten Mitarbeiter bei Maßnahmen zur Sicherung des Arbeitsplatzes, die Beratung der Beschäftigten mit Handicap bei Fragen zu deren Situation am Arbeitsplatz und bei der Umsetzung der Integrationsvereinbarung übertragen werden sollen.
Die Beteiligte zu 3 nahm im Februar 2011 bereits an dem 1. Baustein der Grundschulung "XY I" teil. Sie beabsichtigte dann in der Zeit vom 25. bis 30. September 2011 an der (Folge-) Grundschulung XY II teilzunehmen und erwirkte insoweit, nachdem der Arbeitgeber der Schulungsteilnahme widersprach, im Wege eines einstweiligen Verfügungsverfahrens vor dem Arbeitsgericht Frankfurt am Main (24 BVGa 775/11) die Freistellung unter Fortzahlung der Vergütung zu dieser Veranstaltung. Gegen diese Entscheidung legte der Arbeitgeber Beschwerde ein. Zu einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts kam es nicht, da die Beteiligte zu 3 wegen Krankheit an der Schulungsveranstaltung nicht teilnehmen konnte.
Nach ihrer Wiedergenesung begehrt die Schwerbehindertenvertretung die Freistellung der Beteiligten zu 3 unter Fortzah...