Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine anerkannte Berufsausbildung i.S.d. BBiG bei Schulung zum Verkehrsflugzeugführer. "Einstellung" i.S.d. § 26 BBiG a.F.. "Einheitlichkeitswille" bei äußerlich getrennten Verträgen. Schulungsvertrag zum Flugzeugführer und Darlehensvertrag als einheitlicher Vertrag im Sinne einer AGB-Kontrolle. Kostenbeteiligung und Rückzahlungsverpflichtung als unangemessene und damit unwirksame Vertragsklauseln
Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Schulung zum Verkehrsflugzeugführer handelt es sich um keine anerkannte Berufsausbildung iSd. BBiG, so dass Abschnitt 2 des BBiG und damit §§ 12, 14 BBiG auf das mit dem Schulungsvertrag begründete Rechtsverhältnis des Klägers nicht anwendbar sind.
2. Die Anwendbarkeit der §§ 12 Abs. 2 Nr. 1, 14 Abs. 1 Nr. 3 BBiG auf das mit dem Schulungsvertrag begründete Rechtsverhältnis des Klägers folgt mangels Einstellung auch nicht aus § 26 BBiG aF.
3. Der Schulungsvertrag zwischen dem Flugschüler und der Ausbildungsgesellschaft stellt ein einheitliches Rechtsgeschäft mit dem zwischen den Parteien zu diesem Schulungsvertrag geschlossenen Darlehensvertrag dar und ist daher als einheitlicher Vertrag einer AGB-Kontrolle zu unterziehen.
4. Die Klauseln über die Kostenbeteiligung des Klägers gemäß § 10 Abs. 1 des Schulungsvertrages und des zu diesem Zweck getroffenen Darlehensvertrages mit der darin vereinbarten Rückzahlungsverpflichtung des Klägers sind gemäß §§ 307 Abs. 1 Satz 1 unwirksam. Im Ergebnis der wechselseitigen Berücksichtigung und Bewertung der anzuerkennenden Interessen der Vertragspartner ergibt sich die Unangemessenheit der vereinbarten Kostenbeteiligung bzw. Rückzahlungsverpflichtung des Klägers i.S.d. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB daraus, dass er sich in dem vereinbarten Umfang an den Kosten der Schulung beteiligte, bzw. zur Rückzahlung der Schulungskosten in dieser Höhe verpflichtete, obwohl ihm ausweislich der Regelungen in §§ 1, 13 Abs. 2 des Schulungsvertrages das Risiko einer letztendlich wertlosen Teilschulung aufgebürdet wurde.
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine Einstellung i.S.d. § 26 BBiG a.F. setzt voraus, dass der Vertragspartner durch ein Mindestmaß an Pflichtenbindung am arbeitstechnischen Zweck des Betriebs des anderen Teils mitwirkt. Für den Einstellungsbegriff des §26 BBiG bedarf es daher einer Eingliederung des Vertragspartners, so dass dieser durch Mitwirkung am Betriebszweck praktische Erfahrungen erlangen kann. Erforderlich ist mithin eine betriebliche Ausbildung, eine schulische Ausbildung genügt nicht.
2. Äußerlich getrennte Verträge können, auch wenn sie nicht zwischen den gleichen Parteien geschlossen wurden, eine rechtliche Einheit bilden, wenn sie durch den Willen der Parteien miteinander verknüpft sind. Ein sog. "Einheitlichkeitswille" liegt vor, wenn das eine Geschäft nicht ohne das andere gewollt ist. Dabei kommt es auf den rechtlichen Zusammenhang und nicht auf eine wirtschaftliche Verknüpfung an.
Normenkette
BGB § 305 Abs. 1 S. 1; BBiG a.F. § 26; BGB § 306 Abs. 3, § 307 Abs. 1 S. 1, § 358 Abs. 3, § 359 Abs. 1 S. 1, § 488 Abs. 1 S. 2, § 812 Abs. 1 Alt. 2, § 818 Abs. 2; BBiG § 12 Abs. 2 Nr. 1, § 14 Abs. 1 Nr. 3; GG Art. 12; LuftVZO § 20 Abs. 2 Nr. 1
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 9 Ca 135/21) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 10. November 2021 – 9 Ca 135/21 – wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Zahlungsansprüche des Klägers gegen die Beklagte und über die Wirksamkeit eines im Zusammenhang mit der Schulung des Klägers zum Flugzeugführer abgeschlossenen Darlehensvertrages.
Der Kläger ist seit dem 23. Januar 2014 im Konzern der Beklagten als Flugzeugführer beschäftigt. Seine fliegerische Grundschulung zum Flugzeugführer hatte er auf der Grundlage eines mit der A („A“)am 10. September 2009 abgeschlossenen Schulungsvertrages (Anl. K2 der Klageschrift, Bl. 44 ff. d. A.) begonnen. Unternehmensgegenstand der A bzw. ihrer Rechtsnachfolgerin, der B („B“), ist insbesondere die umfassende Aus- und Weiterbildung fliegerischen Personals. Sie ist eine 100%ige Tochtergesellschaft der Beklagten und führt u.a. für diese die Schulung erfolgreicher Bewerber für die Ausbildung zum Flugzeugführer durch. Der zwischen den Parteien abgeschlossene Schulungsvertrag regelt u.a.:
„§ 1 Vertragsgegenstand
Gegenstand dieses Vertrages ist die fliegerische Grundschulung von Herrn C zum Flugzeugführer nach den Standards der D, E, durch die A. Diese beinhaltet die Vermittlung von theoretischen Kenntnissen und praktischen Fähigkeiten zum Erwerb der Lizenz Multi-Crew Pilot Licence MPL(A). Der Schulungsvertrag umfasst in diesem Fall die praktische Ausbildung der Core und Basic Phase im Rahmen des MPL Lehrplans sowie die theoretische ATPL (A)-Schulung und führt nicht zum Erwerb der Multi-Crew Pilot Licence (MPL).
[…]
§ 10 Schulungskosten
(1) Herr C trägt von den Gesamtkosten grundsätzlich einen Eigenanteil von € 60.000,00. Dieser wi...