Entscheidungsstichwort (Thema)
Ansprüche auf Auszahlung einbehaltener Vergütung und Wirksamkeit eines im Zusammenhang mit der Schulung zur Flugzeugführerin abgeschlossenen Darlehensvertrages. Inhaltskontrolle der Darlehensrückzahlungsklausel
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Schulung zum Verkehrsflugzeugführer stellt keine anerkannte Berufsausbildung im Sinne des Berufsbildungsgesetzes dar. 2. Die Klauseln über die Kostenbeteiligung und Rückzahlungsverpflichtung im verbundenen Darlehensvertrag sind nach dem § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam, da sie dem Schüler das Risiko einert wertlosen Teilschulung aufbürdet.
Normenkette
BGB § 307 Abs. 1 S. 1, § 488 Abs. 1 S. 2, § 611a
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 20.09.2021; Aktenzeichen 9 Ca 9843/20) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 20. September 2021 - 9 Ca 9843/20 - wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagte auf Auszahlung einbehaltener Vergütung und über die Wirksamkeit eines im Zusammenhang mit der Schulung der Klägerin zur Flugzeugführerin abgeschlossenen Darlehensvertrages.
Die Klägerin ist bei dem beklagten Luftfahrtunternehmen auf Grundlage des Arbeitsvertrages vom 2. Februar 2011 (Anl. K1 der Klageschrift, Bl. 24 f. d. A.) als Flugzeugführerin beschäftigt. In Ziff. 7 des Arbeitsvertrages heißt es:
"Rückzahlung von Schulungskosten/Darlehensrückzahlung
Bezüglich der Rückzahlung des Frau A gewährten Darlehens gelten die Regelungen des Darlehensvertrages vom 29.12.2007. Sollte Frau A nicht bis zum Ende des zweiten Kalendermonats, ab Beginn des Arbeitsverhältnisses, schriftlich erklärt haben für welches Tilgungsmodell sie sich entscheidet, gilt automatisch die zweite Alternative."
Ihre fliegerische Grundschulung zur Flugzeugführerin hatte die Klägerin auf der Grundlage eines mit der B ("B") am 1. Februar 2008 abgeschlossenen Schulungsvertrages (Anl. K2 der Klageschrift, Bl. 27 ff. d. A.) begonnen. Unternehmensgegenstand der B, bzw. ihrer Rechtsnachfolgerin der C ("C"), ist insbesondere die umfassende Aus- und Weiterbildung fliegerischen Personals. Sie ist eine 100%ige Tochtergesellschaft der Beklagten und führt u.a. für diese die Schulung erfolgreicher Bewerber für die Ausbildung zum Flugzeugführer durch. Der zwischen den Parteien abgeschlossene Schulungsvertrag regelt u.a.:
"§ 1 Vertragsgegenstand
Gegenstand dieses Vertrages ist die fliegerische Grundschulung von Frau A zur Flugzeugführerin nach den Standards der D, E, durch die B. Diese beinhaltet die Vermittlung von theoretischen Kenntnissen und praktischen Fähigkeiten zum Erwerb des Luftfahrerscheins für Berufspiloten mit Instrumentenflugberechtigung zum Erwerb des Luftfahererscheins für Berufspiloten mit Instrumentenflugberechtigung (CPL (A)/IR) und die Schulung zum theoretischen ATPL (frozen ATPL) nach den jeweils geltenden gesetzlichen Bestimmungen in durchgehender Schulung.
Die B plant in der Laufzeit dieses Vertrages eine Umstellung der Schulung nach den Vorschriften der Multi Pilot Licence (MPL). Der Schulungsvertrag umfasst in diesem Fall die theoretische und praktische Ausbildung der Core und Basic Phase im Rahmen des MPL Lehrplans sowie die Schulung zum theoretischen ATPL (frozen ATPL) nach den jeweils geltenden gesetzlichen Bestimmungen und führt nicht zu einem Erwerb der Multi-Crew Pilot Licence (MPL).
[...]
§ 10 Schulungskosten
(1) Frau A trägt von den Gesamtkosten grundsätzlich einen Eigenanteil von € 40.903. Dieser wird 12 Monate nach Schulungsbeginn fällig. Die restlichen Kosten der Schulung werden von der D, E, getragen, sofern nicht der Darlehensvertrag zwischen der D und Frau A eine andere Kostentragungspflicht vorsieht.
(2) Endet das Schulungsverhältnis vorzeitig aus Gründen, die Frau A zu vertreten hat, trägt Frau A die bis zu diesem Zeitpunkt entstandenen Schulungskosten, maximal jedoch € 14.000 für die abgeschlossene Phase 1, maximal € 22.000 nach abgeschlossener Flugausbildung der Phase 2 sowie maximal € 40.903 nach der abgeschlossenen Phase 4. Die Schulungsphasen sind im Lehrplan einzusehen.
[...]
§ 13 Schulung zum Erwerb der Musterberechtigung
(1) Nach dem Erwerb des Luftfahrerscheins für Berufspiloten mit Instrumentenflugberechtigung (CPL (A)/IR) und erfolgreicher Schulung zum theoretischen ATPL wird Frau A von einer Gesellschaft die unter den "Konzerntarifvertrag" fällt im Hinblick auf ein Beschäftigungsverhältnis bei einer dieser Gesellschaften ein Schulungsvertrag für die praktische und theoretische Schulung zum Erwerb der Musterberechtigung für ein Flugzeugmuster, das bei dieser Gesellschaft geflogen wird, angeboten.
(2) Ein solches Vertragsangebot erfolgt nur, sofern ein entsprechender Bedarf an Copiloten bei einer dieser Gesellschaften ausgewiesen wird, ein Tauglichkeitszeugnis im Sinne von § 2 Abs. (3) d...