Entscheidungsstichwort (Thema)

Stufenaufstieg TV-N Hessen. Zurücklegung von Zeiten in Entgeltstufe nach dem 1. Juli 2010

 

Leitsatz (amtlich)

Nach der erstmaligen Zuordnung des Arbeitnehmers zu einer Stufe der Entgeltgruppen des TV-N Hessen erfolgt der weitere Stufenaufstieg erst dann, wenn die gemäß § 5 Abs. 2 Unterabs. 2, 3 TV-N erforderliche Zeit in dieser Entgeltstufe in vollem Umfang nach dem 1. Juli 2010 zurückgelegt worden ist.

 

Normenkette

GG Art. 3 Abs. 1, Art. 9 Abs. 3, Art. 20 Abs. 3; TV-Nahverkehr Hessen § 23 Abs. 3 S. 1, § 5 Abs. 2 Unterabs. 2, § 5 Abs. 2 Unterabs. 3; ZPO § 256 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Kassel (Entscheidung vom 21.08.2012; Aktenzeichen 3 Ca 307/11)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 15.01.2015; Aktenzeichen 6 AZR 650/13)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kassel vom 21. August 2012 - 3 Ca 307/11 - teilweise abgeändert und wie folgt gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Berufungsverfahren noch die Stufenzuordnung.

Bei der Beklagten, die Mitglied des A ist, handelt es sich um ein hessisches Nahverkehrsunternehmen. Der Kläger, der in der Zeit vom 22. Oktober 2001 bis 30. September 2008 bei der B als Busfahrer beschäftigt war, ist bei der Beklagten seit dem 1. Oktober 2008 auf Grundlage des Arbeitsvertrags vom 15. September 2008 als Busfahrer beschäftigt. Nach dem Arbeitsvertrag bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem BMT-G II und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der jeweils geltenden Fassung. Außerdem finden die für die Beklagte jeweils geltenden sonstigen einschlägigen Tarifverträge Anwendung. Die Parteien vereinbarten überdies, dass die bei der B bereits anerkannte Beschäftigungszeit bei der Ermittlung der Beschäftigungszeit bei der Beklagten angerechnet werde. Der Kläger war entsprechend der Zahl seiner - u. a. anerkannten - Beschäftigungsmonate in die Entgeltgruppe 3 der Anlage 1 der Tarifvertraglichen Vereinbarung Nr. 746 eingruppiert.

Zum 1. Juli 2010 trat der Tarifvertrag für Nahverkehrsbetriebe vom 30. Juni 2010 (TV-N Hessen) in Kraft, der in seinem Geltungsbereich u.a. den BMT-G II sowie die ergänzenden Tarifverträge ersetzte. Ferner trat am 1. Juli 2010 der Landesbezirkstarifvertrag Nr. 25/2010 in Kraft, der Sonderregelungen für Arbeitnehmer der Beklagten zum TV-N Hessen enthält. Mit seinem Inkrafttreten trat die Tarifvertragliche Vereinbarung Nr. 746 außer Kraft. Der Kläger wurde in die Entgeltgruppe 4 eingruppiert (§ 2 Nr. 1 Landesbezirkstarifvertrag Nr. 25/2010). Unter Berücksichtigung seiner Betriebszugehörigkeit bei der Beklagten und der B (§ 2 Nr. 2 Landesbezirkstarifvertrag Nr. 25/2010) seit dem 22. Oktober 2001 wurde er, da er am 1. Juli 2010 mehr als sechs, aber noch nicht neun Beschäftigungsjahre aufwies, der Stufe 3 der Entgeltgruppe 4 gemäß der Anlage 2a zum TV-N Hessen zugeordnet.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die gesamte Beschäftigungszeit sei nicht nur bei der erstmaligen Stufenzuordnung im Rahmen der Überleitung, sondern auch bei der Stufenlaufzeit zu berücksichtigen, so dass er ab 22. Oktober 2010 der Stufe 4 zuzuordnen sei.

Der Kläger hat, soweit für die Berufung von Bedeutung, beantragt,

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm rückwirkend ab dem 22. Oktober 2010 Entgelt nach der Entgeltstufe 4 der Anlage 2a (Monatsentgelttabelle) des TV-N Hessen vom 30. Juni 2010 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, dass der Kläger nicht vor dem 1. Juli 2013 der Stufe 4 zuzuordnen sei. Die dreijährige Stufenlaufzeit habe am 1. Juli 2010 begonnen.

Das Arbeitsgericht Kassel hat der Klage, soweit sie Gegenstand der Berufung ist, durch Urteil vom 21. August 2012 - 3 Ca 307/11 - stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Stufenlaufzeit sich gemäß § 23 Abs. 3 Satz 1 TV-N Hessen nach der Betriebszugehörigkeit bei demselben Arbeitgeber bestimme. Der Regelungsinhalt des § 23 Abs. 3 Satz 2 TV-N Hessen beschränke sich auf die Sonderfälle der Verkürzung und Verlängerung bzw. der Anrechnung förderlicher Zeiten nach den beiden Unterabsätze 2 und 3 des § 5 Abs. 2 TV-N Hessen. Bei einem anderen Verständnis der tariflichen Regelung könnten im Einzelfall eklatante Ungleichbehandlungen auftreten, wenn der Arbeitnehmer - wie hier der Kläger - die Stufe bereits nahezu vollständig vor dem Inkrafttreten des Tarifvertrags am 1. Juli 2010 erfüllt habe.

Das Urteil ist der Beklagten am 11. Oktober 2012 zugestellt worden. Die Berufung der Beklagten ist am 6. November 2012 und ihre Berufungsbegründung nach rechtzeitig beantragter Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 22. Januar 2013 am 22. Januar 2013 beim Hessischen Landesarbeitsgericht eingegangen.

Die Beklagte meint, dass die tarifliche Regelung ausdrücklich zwischen der erstmaligen Stufenzuordnung (§ 23 Abs. 3 Satz 1 TV-N Hessen) und dem weiteren Stufenaufstieg (...

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