Entscheidungsstichwort (Thema)
Begriff der gemeinsamen Betriebsstätte i.S. von § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII
Leitsatz (redaktionell)
Kommt ein Mitarbeiter einer Spedition auf der Laderampe eines zu beliefernden Unternehmens durch einen unkontrolliert losfahrenden Gabelstapler zu Schaden, als er sich nach dem weiteren Verlauf des Abladevorgangs erkundigt, handelt es sich um einen Unfall auf einer gemeinsamen Betriebsstätte i.S. von § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII.
Normenkette
SGB VII § 106 Abs. 3 Alt. 3
Verfahrensgang
ArbG Gießen (Entscheidung vom 13.12.2013; Aktenzeichen 1 Ca 170/13) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Gießen vom 13. Dezember 2013 - 1 Ca 170/13 - wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Berufung zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Schmerzensgeld und Schadensersatzansprüche wegen eines von dem Kläger in der Betriebsstätte der Beklagten zu 2) erlittenen Arbeitsunfalls.
Der Beklagte zu 1) ist Arbeitnehmer der Beklagten zu 2). Der Kläger ist bei der Spedition A beschäftigt. Die Arbeitgeberin des Klägers steht in Geschäftsbeziehungen mit der Beklagten zu 2).
Auf dem Transport von Waren zum Glaslager der Beklagten zu 2) am 12.10.2009 hatte der Kläger die Aufgabe, den als Fahrer neu eingestellten Mitarbeiter einzuweisen. Der Beklagte zu 1) war an diesem Tag für das Abladen der Lkw's zuständig. Als der Lkw mit dem Kläger ankam, konnte das Fahrzeug nicht sogleich zum Abladen an die Laderampe gefahren werden, da dort zunächst ein firmeneigener Mafitrailer der Beklagten zu 2) abgeladen werden sollte. Der Kläger begab sich auf die Laderampe, um die Ladepapiere vorzulegen und um sich zu erkundigen, wann der Lkw zum Abladen an der Reihe sei. Dort erfuhr er, dass er "als Nächster dran" sei. Während seiner Anwesenheit auf der Laderampe setzte sich ein Gabelstapler, dessen Handbremse nicht angezogen war, unkontrolliert in Bewegung, und kollidierte mit dem Kläger. Wegen der erlittenen Verletzungen begehrt der Kläger Schadensersatz und Schmerzensgeld sowie die Feststellung, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihm sämtlich materiellen und immateriellen Schäden, die aus dem Unfall entstanden sind und künftig entstehen, zu ersetzen. Wegen des weiteren streitigen Sachverhalts, des Vortrags der Parteien im ersten Rechtszug sowie der dort gestellten Anträge wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils - Bl. 153 bis Bl. 156 d. A. - Bezug genommen.
Mit dem am 13.12.2013 verkündeten Urteil hat das Arbeitsgericht Gießen die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es - kurz zusammengefasst - Folgendes ausgeführt: Die Feststellungsklage sei mangels Feststellungsinteresse unzulässig. Es sei nicht ersichtlich, welche Sachschäden vier Jahre nach dem Unfall nicht mit einem bezifferten Leistungsantrag geltend gemacht werden könnten oder welche Zukunftsschäden insoweit noch drohen sollten. Für den erlittenen Personenschaden sowie Schmerzensgeldansprüche hafte der Beklagte zu 1) dem Kläger nicht, da die Ansprüche nach §§ 106 Abs. 3, 105 Abs. 1 SGB VII ausgeschlossen seien. Vorsätzliches Handeln können dem Beklagten zu 1) im Zusammenhang mit dem Unfallereignis nicht vorgeworfen werden und das Haftungsprivileg des § 106 Abs. 3 SGB VII sei erfüllt. Der Kläger und der Beklagte zu 1) seien zum Unfallzeitpunkt nicht zufällig auf dem Gelände der Beklagten zu 2) aufeinander getroffen, sondern deshalb, weil der Kläger Waren im Glaslager 05 Halle Süd der Beklagten zu 2) habe anliefern und der Beklagte zu 1) an diesem Anlieferungsvorgang durch Abladen der Waren habe mitwirken sollen. Durch das Verhalten des Klägers auf der Laderampe seien betrieblich miteinander verzahnte Aktivitäten in Gang gesetzt worden, die der Vorbereitung des Abladevorgangs gedient hätten. Die Verletzungen, die er durch den zu diesem Zeitpunkt herumrollenden Gabelstapler erlitten habe, seien das Ergebnis eines aufeinander bezogenen Handlungsablaufs und nicht eine zufällige Begegnung. Zudem habe eine Gefahrengemeinschaft vorgelegen, da es durch das enge Zusammenwirken wechselseitig zu Verletzungen habe kommen können. Grundsätzlich habe die Möglichkeit bestanden, dass auch der Kläger Mitarbeiter der Beklagten zu 2), etwa beim Befahren des Betriebsgeländes oder beim Heranfahren an die Laderampe, habe verletzen können. Die Klage gegenüber der Beklagten zu 2) sei unter dem Gesichtspunkt des gestörten Gesamtschuldnerausgleichs unbegründet. Wegen der weiteren Begründung im Einzelnen wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils - Bl. 156 bis Bl. 161 d. A. - ergänzend Bezug genommen. Gegen das am 22.01.2014 zugestellte Urteil hat der Kläger am 20.02.2014 Berufung eingelegt und sie - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 24.04.2014 auf rechtzeitigen Antrag hin - mit dem am 24.04.2014 beim Hess. Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.
Der Kläger verfolgt unter Vertiefung und Ergänzung seines erstinstanzlichen ...