Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf Teilnahme an Betriebsratsschulung. Einstweilige Verfügung auf Kostenübernahme als Vorschuss. Schulungsveranstaltung und Kostengesichtspunkte. Zahlung eines Reisekostenvorschusses
Leitsatz (amtlich)
1. Verfügungsgrund
a) Der Anspruch auf Teilnahme an einer Betriebsratsschulung kann im Wege der einstweiligen Verfügung geltend gemacht werden, wenn die gewünschte Schulungsveranstaltung unmittelbar bevorsteht.
b) Eine einstweilige Verfügung auf Kostenübernahme (Vorschuss) ist nur möglich, wenn das Betriebsratsmitglied glaubhaft macht, dass es die Schulungskosten nicht selbst verauslagen kann.
2. Verfügungsanspruch
a) Der Betriebsrat darf bei der Auswahl einer Schulungsveranstaltung Kostengesichtspunkte nicht völlig außer acht lassen. Eine erhebliche Preisdifferenz zwischen mehreren Angeboten muss er mit sachlichen Argumenten begründen können. Bei der Auswahlentscheidung kann von Bedeutung sein, dass ein anderer als der vom Betriebsrat ausgewählte Veranstalter eine vergleichbare Schulung an einem Ort anbietet, für den weder Kosten für die Bahnfahrt, noch Übernachtungskosten anfallen. Ferner kann zu berücksichtigen sein, dass ein anderer Anbieter eine um einen Tag kürzere Fortbildung mit vergleichbaren Inhalten anbietet.
b) Ein Verfügungsanspruch auf Zahlung eines Reisekostenvorschusses besteht nur, wenn im Betrieb des Arbeitgebers eine Reisekostenordnung angewendet wird, aus der sich ein derartiger Anspruch ergibt.
Normenkette
BetrVG § 37 Abs. 6; ZPO §§ 935, 940; BetrVG § 40
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 01.11.2013; Aktenzeichen 13 BVGa 750/13) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 01.11.2013 - 13 BVGa 760/13 - abgeändert.
Die Anträge werden zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten um die Pflicht zur Vorschussgewährung für die Teilnahme an einer Betriebsratsschulung sowie um die Freistellung von der Arbeitsleistung für die Schulungsmaßnahme.
Die Beteiligte zu 2 (Arbeitgeber) ist ein Einzelhandelsunternehmen. Antragsteller ist der in der Filiale des Arbeitgebers in F gebildete Betriebsrat, der aus 5 Mitgliedern, den Beteiligten zu 3-7, besteht.
Im Betrieb des Arbeitgebers in F wurde im November 2012 erstmals ein Betriebsrat gewählt, dessen Mitglieder am 21. und 22. März 2013 eine zweitägige Grundlagenschulung erhielten. Vom 16. bis 20. September 2013 nahmen sämtliche Betriebsratsmitglieder an einer Schulung des I (I) zum Thema Arbeitsrecht Teil II in H teil. Am 19. Oktober 2013 beschloss der Betriebsrat die Teilnahme sämtlicher Betriebsratsmitglieder an dem Seminar "Arbeitsrecht Teil I" in B bei dem Veranstalter I. Gegenstand des Seminars sind die arbeitsrechtlichen Grundlagen für die Betriebsratsarbeit: Grundlagen des Arbeitsrechts, Bewerbungsverfahren, Arbeitsvertrag, befristete Arbeitsverhältnisse, Weisungsrecht des Arbeitgebers, Arbeitszeit und Teilzeit, Arbeitsvergütung. Die Kosten betragen 1190 € für den ersten Teilnehmer, 1090 € für den zweiten Teilnehmer und 890 € ab dem dritten Teilnehmer sowie 125,22 € pro Tag für Unterkunft und Verpflegung, jeweils zuzüglich Mehrwertsteuer; insoweit wird auf Bl. 89,90 der Akten Bezug genommen. Hinzu kommen Kosten für die Anreise per Bahn von 99 € je Teilnehmer. Der Arbeitgeber erklärte sich mit einer Kostenübernahme für diese Veranstaltung nicht einverstanden.
Der Arbeitgeber hat die Auffassung vertreten, der Besuch dieser Schulungsveranstaltung sei nicht erforderlich. Zum einen sei der Betriebsrat bereits im März 2013 entsprechend geschult worden. Zum anderen sei die Veranstaltung mit unverhältnismäßigen Kosten für den Arbeitgeber verbunden. Der Veranstalter J biete zum Preis von 995 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer und einem Rabatt von 5 % für jeden weiteren Teilnehmer desselben Betriebs ein vergleichbares Seminar vom 24. bis 28. November in F an, bei dem keine Hotelkosten anfielen. Der Veranstalter G biete vom 12.-15.11. sowie vom 3.-6.12. ein Grundlagen-Seminar Arbeitsrecht I in B an, wobei für den 1. Teilnehmer 790 €, für den 2. Teilnehmer 690 € und ab dem 3. Teilnehmer 590 € jew. zzgl. MwSt zu zahlen sind. Hinzu kommen Übernachtungskosten von 130 € pro Tag zzgl. MwSt. und Kosten für die Bahnfahrt von 81 € pro Person (Bl. 122, 123 d.A.).
Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Beteiligten und der gestellten Anträge wird auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts im Beschluss unter I der Gründe (Bl. 206-210 der Akten) Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat den Anträgen des Betriebsrats stattgegeben. Zwar entstünden durch die Teilnahme an der Schulung bei dem Veranstalter I Mehrkosten in Höhe von ca. 400 € pro Person und damit um 1/3 höhere Gesamtkosten im Vergleich zum Besuch der Schulung des Veranstalters J in F. Der Betriebsrat sei jedoch nicht verpflichtet, den bundesweit günstigsten Anbieter oder einen solchen, bei dem eine Schulungsteilnahme ohne Anreise- und Übernachtungskosten möglich ist, zu ermitteln. Die Mehr...