Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksamkeit einer ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung. Auflösung des Arbeitsverhältnisses wegen unberechtigter Strafanzeigen des Arbeitnehmers
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Arbeitnehmer verletzt seine arbeitsvertraglichen Pflichten, wenn er sich trotz wiederholter Anweisungen von Vorgesetzten und auch ausgesprochener Abmahnungen bei Verlassen des Arbeitsplatzes zur Wahrnehmung außerbetrieblicher Tätigkeiten nicht bei Vorgesetzten abmeldet.
2. Hat der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung zuvor annähernd zehn Jahre beanstandungsfrei erbracht, so ist jedoch eine Kündigung im Hinblick auf sein Alter von fast 62 Jahren und seine Schwerbehinderteneigenschaft gerade noch nicht gerechtfertigt.
3. Jedoch ist das Arbeitsverhältnis auf Antrag des Arbeitgebers gegen Abfindung aufzulösen, wenn aufgrund unberechtigter Strafanzeigen des Arbeitnehmers eine gedeihliche Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zu erwarten ist.
Normenkette
KSchG § 9 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 22.01.2013; Aktenzeichen 18 Ca 6013/12) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 22. Januar 2013 - 18 Ca 6013/12 - teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 29. August 2012 aufgelöst worden ist.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Das Arbeitsverhältnis der Parteien wird auf Antrag der Beklagten zum 31. Dezember 2012 aufgelöst und die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger eine Abfindung in Höhe von € 21.645,00 EUR (in Worten: Einundzwanzigtausendsechshundertfünfundvierzig und 0/100 Euro) brutto zu zahlen.
Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten noch über die Wirksamkeit einer ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung der Beklagten vom 29. August 2012, einen Anspruch des Klägers auf vorläufige Weiterbeschäftigung sowie Zahlung eines 13. Gehaltes und einer Jubiläumszuwendung sowie zweitinstanzlich zudem über einen von der Beklagten gestellten Auflösungsantrag zum 31. Dezember 2012.
Bei der Beklagten, die zur A-Gruppe gehört, handelt es sich um ein Unternehmen für Gebäudetechnik, das technische Anlagen in gewerblichen Immobilien wartet und instand setzt. Sie beschäftigt rund 750 Arbeitnehmer, ein Betriebsrat ist gebildet.
Der 63-jährige (geboren am xxx), verheiratete Kläger, der anerkannt ist als schwerbehinderter Mensch mit einem Grad der Behinderung von 60, wurde bei der Beklagten ab dem 1. März 2003 als "Serviceleiter MSR" beschäftigt. Die Parteien schlossen unter dem Datum des 2. Dezember 2012 einen schriftlichen Arbeitsvertrag, hinsichtlich dessen näheren Einzelheiten auf Bl. 7 bis 10 d. A. Bezug genommen wird. Der Kläger erhielt an Vergütung zuletzt monatlich € 3.570,00 an Grundgehalt zuzüglich einer Leistungszulage in Höhe von € 350,00 brutto. Das durchschnittliche Bruttomonatsgehalt belief sich nach den unwidersprochen gebliebenen Angaben der Beklagten auf € 4.328,99.
Als Serviceleiter MSR - die Einzelheiten der Tätigkeit ergeben sich aus dem Zwischenzeugnis der Beklagen vom 18. November 2008 (Bl. 384 und 385 d. A.) - nimmt der Kläger bei der Beklagten umfangreich auswärtige Termine bei Kunden, auf Baustellen etc. wahr. Die Eintragung dieser Termine erfolgt durch die Mitarbeiter bei der Beklagten online im Outlook-System im Ordner Bautechnik ("Bautechnikkalender" - beispielhaft Bl. 282 und 283 sowie 285 und 286 d. A.). Ob und inwieweit daneben für die Mitarbeiter, die der Ebene des Klägers angehören, die Üblichkeit besteht, sich bei Verlassen des Bürogebäudes der Beklagten in der B Straße in F für einen Außentermin abzumelden, ist zwischen den Parteien streitig.
Am 29. Februar 2012 schlossen die Parteien in einem Rechtsstreit über die Wirksamkeit zweier Abmahnungen vor dem Hessischen Landesarbeitsgericht zum Aktenzeichen 2 Sa 1362/11 einen Vergleich, wonach die dem Kläger mit Schreiben vom 3. Februar 2011 erteilte Abmahnung in der Personalakte des Klägers verbleibt und eine weitere, mit Schreiben vom 15. Februar 2011 erteilte Abmahnung aus der Personalakte des Klägers entfernt wird. Der Abmahnung vom 3. Februar 2011 lag der Sachverhalt zugrunde, dass der Kläger Fahrzeugschlüssel in dem ihm überlassenen, unverschlossenen Dienstwagen zurückließ. Hierdurch wurde der Diebstahl des Fahrzeugs ermöglicht, wodurch auf Seiten der Beklagten ein Schaden in einer Größenordnung von mehr als € 1.000,00 entstand.
Für Freitag, den 2. März 2012, fand sich im online geführten Bautechnikkalender als Eintragung des Klägers ein Termin von 14.00 Uhr bis 16.00 Uhr in den Objekten C Hotel und D, und für Montag, den 5. März 2012, fand sich die Eintragung bis 11.00 Uhr beim Zahnarzt und von 13 Uhr bis 16.00 Uhr ein Termin bei E . Unstreitig suchte der Kläger am 2. März 2012 die Ob...