Entscheidungsstichwort (Thema)
Klage einer gemeinsamen Einrichtung der Tarifvertragsparteien im Baugewerbe wegen der Zahlung von Beiträgen zu dem Sozialkassenverfahren im Baugewerbe. Geltungsbereich des Tarifvertrages
Leitsatz (redaktionell)
1. Führen Arbeitnehmer Tätigkeiten aus, die sowohl baulicher Natur als auch einem der ausgenommenen Gewerke des § 1 Abs. 2 Abschn. VII VTV (Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe) zuzuordnen sind, kommt es darauf an, welches Gepräge diese "Sowohl-als-auch-Tätigkeiten" dem Betrieb geben. 2. Das Verlegen von Heizungsschläuchen aus Kunststoff zählt zu dem Heizungsbauerhandwerk im Sinne des § 1 Abs. 2 Abschn. VII Nr. 12 VTV und unterfällt damit nicht dem VTV.
Normenkette
VTV § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 37; BauWiAusbV Anl. 14 zu § 74; TVG § 1
Verfahrensgang
ArbG Wiesbaden (Entscheidung vom 21.03.2023; Aktenzeichen 12 Ca 172/22 SK) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 21. März 2023 - 12 Ca 172/22 SK - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um eine Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Beiträgen zu dem Sozialkassenverfahren im Baugewerbe.
Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien im Baugewerbe. Auf der Grundlage des für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) nimmt er die Beklagte nach Verbindung von zwei Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung auf Zahlung von Beiträgen in Höhe von 67.542 Euro in Anspruch. Dabei handelt es sich um Beiträge für gewerbliche Arbeitnehmer in dem Zeitraum Juni 2018 bis Dezember 2021. Der Kläger berechnete seine Beitragsforderung für die gewerblichen Arbeitnehmer auf der Grundlage statistischer Durchschnittslöhne und legte dabei zu Grunde, dass pro Monat mindestens zwei gewerbliche Arbeitnehmer beschäftigt waren.
Im Gewerberegister ist der Betrieb der Beklagten mit der Tätigkeit "Montage von Fertigteilen" eingetragen. Eine Innungsmitgliedschaft besteht nicht. In dem Betrieb der Beklagten wurden in dem streitgegenständlichen Zeitraum 2018 bis 2021 Kunststoffschläuche für Fußbodenheizungen verlegt. Die Beklagte ist dabei überwiegend als Subunternehmerin für Heizungsbauerfirmen beauftragt worden. Der eigentliche Arbeitsablauf gestaltete sich derart, dass aus Kunststoff bestehende Schläuche von einer Rolle abgerollt, zugeschnitten, gebogen, ggf. mittels einer sog. Presse mit anderen Schläuche verbunden und am Ende am Boden - mit sog. Tackern - befestigt wurden. Die Heizleitungen wurden typischerweise nicht gerade, sondern zur Erzielung optimaler Ergebnisse in Schlaufen verlegt. Teilweise lagen fertige Planungen vor, die die Beklagte nur umsetzen musste, teilweise hat sie auch selbst bei Planungen, z.B. im Badbereich, mitgewirkt.
Anschließend sorgten die Beschäftigten der Beklagten für die Anschlüsse an die Verteiler, führten Druck- und Dichtigkeitsprüfungen durch und waren bei der Inbetriebnahme der Heizung zugegen, wobei die Inbetriebnahme der Heizungsanlage insgesamt von einer Heizungsbauerfirma vorgenommen wurde. Wartungen und Reparaturen bereits installierter Schläuche wurden ebenfalls durch eigene Mitarbeiter durchgeführt.
Im streitgegenständlichen Zeitraum sind die geschilderten Tätigkeiten von einem vor Ort mitarbeitenden und die Kollegen anleitenden Gas- und Wasserinstallateur beaufsichtigt worden. Ferner arbeitete ein Mitarbeiter der Energieelektronik mit. Die zwei anderen Arbeitnehmer waren Bauhelfer.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, dass der Betrieb verpflichtet sei, am Sozialkassenverfahren teilzunehmen.
Hinsichtlich der Einzelheiten der streitigen Tatsachenbehauptungen und Rechtsansichten der Parteien in der ersten Instanz wird nach § 69 Abs. 2 ArbGG auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts verwiesen.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 67.542 Euro zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat gemeint, sie sei nicht verpflichtet, am Sozialkassenverfahren teilzunehmen.
Das Arbeitsgericht Wiesbaden hat mit Urteil vom 21. März 2023 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es - kurz zusammengefasst - ausgeführt, der Betrieb sei als Sanitärinstallationsbetriebs nach § 1 Abs. 2 Abschn. VII Nr. 12 VTV von dem betrieblichen Geltungsbereich ausgenommen. Das Verlegen von Heizungsschläuchen für Fußbodenheizungen gehöre zum Sanitär- und Heizungsbauerhandwerk. Mit der Verrichtung entsprechender Tätigkeiten seien typischerweise Anlagenmechaniker der Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik befasst. Es sei auch eine Überwachung durch eine Fachkraft erfolgt. Die Rückausnahme greife nicht ein, weil die Tätigkeit nicht zugleich die Merkmale des Rohrleitungsbaus im Sinne von § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 25 VTV erfülle. Rohrleitungsbauer erstellten, warteten und reparierten Rohrleitungssysteme, um den Transport von Gas, Wasser, Öl oder Fernwärme in Wohn-, Gewerbe- bzw. Industriege...