Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsbedingte Kündigung aus innerbetrieblichen Gründen für den Wegfall des Weiterbeschäftigungsbedarfs im Gemeinschaftsbetrieb. Unbegründete Kündigungsschutzklage bei unsubstantiierten Darlegungen der Arbeitnehmerin zu weiteren vergleichbaren und sozial weniger schutzwürdigen Beschäftigten im Gemeinschaftsbetrieb

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Hat sich die im Zeitpunkt des Ausspruchs einer betriebsbedingten Kündigung vorausgesagte Entwicklung tatsächlich bestätigt, lässt dieser Umstand Rückschlüsse darauf zu, dass die Arbeitgeberin die bereits vor der Kündigung getroffene unternehmerische Entscheidung ernsthaft getroffen hatte und die getroffene Prognoseentscheidung plausibel war.

2. Gemäß § 1 Abs. 3 Satz 3 KSchG obliegt die Darlegungs- und Beweislast für die Tatsachen, aus denen sich die Unrichtigkeit der Sozialauswahl ergibt, zunächst der Arbeitnehmerin; soweit die Arbeitnehmerin nicht in der Lage ist, die Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl darzulegen und deswegen die Arbeitgeberin zur Mitteilung der Gründe auffordert, die sie zu der Auswahl veranlasst haben, hat die Arbeitgeberin als Folge ihrer inhaltlichen Auskunftspflicht nach § 1 Abs. 3 Satz 1 Hs. 2 KSchG auch im Prozess substantiiert vorzutragen.

3. Die sich aus der Mitteilungspflicht ergebende Vortragslast der Arbeitgeberin ist grundsätzlich auf die subjektiven und von ihr tatsächlich angestellten Auswahlüberlegungen beschränkt; die Arbeitnehmerin hat keinen Anspruch auf eine vollständige Auflistung der Sozialdaten aller objektiv vergleichbaren Beschäftigten.

4. Gibt die Arbeitgeberin keine oder keine vollständige Auskunft, kann die Arbeitnehmerin bei fehlender eigener Kenntnis ihrer aus § 1 Abs. 3 KSchG und § 138 Abs. 1 ZPO herzuleitenden Substantiierungspflicht die Namen sozial stärkerer Beschäftigter zu nennen, nicht genügen; in diesen Fällen ist bei fehlender Kenntnis der Arbeitnehmerin ihr Vortrag, dass sozial stärkere Beschäftigte als sie vorhanden sind, schlüssig und ausreichend.

5. Diese Erwägungen zur Darlegungslast gelten auch für den Fall, dass mehrere Unternehmen einen gemeinschaftlichen Betrieb bilden; bis zu einer etwaigen Auflösung des Gemeinschaftsbetriebes ist die Sozialauswahl auf den gesamten Betrieb zu erstrecken.

6. Hat die Arbeitgeberin ihre subjektiven Auswahlüberlegungen dazu dargelegt, dass mangels Vergleichbarkeit die Sozialauswahl nicht auf die Beschäftigten der N GmbH & Co KG zu erstrecken war, und ist sie damit ohne Anhaltspunkte für die Fehlerhaftigkeit dieser Auswahl der ihr obliegenden Darlegungslast nachgekommen, ist es im Rahmen der abgestuften Darlegungslast nunmehr Sache der Arbeitnehmerin, konkrete Fehler der Sozialauswahl darzutun; mit der namentlichen Benennung von drei Beschäftigten der N GmbH & Co KG und deren Tätigkeitsgebiet im Vertriebsinnendienst genügt sie ihrer Darlegungslast nicht, da sie einerseits darzulegen hat, aus welchen konkreten Tatsachen sich ihre Vergleichbarkeit mit den genannten Beschäftigten ergibt (insbesondere ob und aufgrund welcher Tatsachen sie mit den drei Beschäftigten vergleichbar war) und dass den drei Beschäftigten aufgrund ihrer Sozialdaten vorrangig zu kündigen gewesen wäre.

7. Zur Darlegung einer Vergleichbarkeit mit weiteren Beschäftigten genügt nicht die bloße Bezeichnung einer Tätigkeit ("Vertriebsinnendiensttätigkeit") sondern es ist im Einzelnen darzulegen, welche Aufgaben dabei zu erfüllen sind und/oder dass diese Aufgaben gegebenenfalls nach einer kurzen Einarbeitungszeit von der gekündigten Arbeitnehmerin hätten übernommen werden können.

 

Normenkette

KSchG § 1 Abs. 2 S. 1 Alt. 3, Abs. 3 S. 1 Hs. 2, S. 3, § 17 Abs. 1; BetrVG § 102 Abs. 1; SGB IX § 68 Abs. 3, § 85; BGB § 134; ZPO § 138 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 21.08.2012; Aktenzeichen 10 Ca 2954/12)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 21. August 2012 - Az.: 10 Ca 2954/12 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Berufungsverfahren noch um die Wirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung durch die Beklagte vom 27. März 2012 zum 30. September 2012.

Die am ... geborene Klägerin hat einen Grad der Behinderung (GdB) von 40. Sie wurde mit Bescheid vom 12. August 2009 einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt.

Sie hat die Berufsfachschule und anschließend die Fachoberschule besucht. Nach einer Ausbildung zur Zahntechnikerin von 1992 bis 1996 hat sie im Anschluss bis 1999 in diesem Beruf gearbeitet. Seit 01. Oktober 1999 war sie bei der Beklagten tätig und erzielte im Rahmen einer 39-Stunden-Woche zuletzt eine monatliche Bruttovergütung von 3.851,00 EUR und war in der Funktionsgruppe 6 eingruppiert.

Mit Schreiben vom 08. Februar 2012 hat die Beklagte den bei ihr eingerichteten Betriebsrat zu insgesamt 56 geplanten Kündigungen, unter anderem auch zur beabsichtigten Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin, angehört, wegen der ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge