Entscheidungsstichwort (Thema)
Prüfungsanforderungen an eine sozial gerechtfertigte betriebsbedingte Änderungskündigung. Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten auf einem anderen Arbeitsplatz. Sozialauswahl und Vergleichbarkeit mit anderen Arbeitnehmern als Prüfungsmaßstab
Leitsatz (redaktionell)
1. Bei der Änderungskündigung ist Voraussetzung für die soziale Rechtfertigung der Änderungskündigung, dass der geltend gemachte Kündigungsgrund geeignet ist, die angestrebte Vertragsänderung zu rechtfertigen. Bei einer betriebsbedingten Änderungskündigung - auf die sich die Beklagte hier beruft - ist deshalb zu prüfen, ob das Beschäftigungsbedürfnis für den gekündigten Arbeitnehmer zu den bisherigen Vertragsbedingungen entfallen ist. Notwendig ist auf der ersten Stufe der Prüfung ein organisatorisches Konzept, aus dem sich das Bedürfnis nach Änderungen der Arbeitsbedingungen ergibt, also eine "konzeptionelle Unternehmerentscheidung" (vgl. BAG v. 23. Juni 2005 - 2 AZR 642/04 -). Auch bei der betriebsbedingten Änderungskündigung unterliegt die ihr zugrunde liegende Unternehmerentscheidung nur einer Rechts- und Missbrauchskontrolle. Es ist jedoch zu prüfen, ob die Organisationsänderung eine Beendigungs- oder Änderungskündigung notwendig macht und ob das unternehmerische Konzept nicht mit anderen Maßnahmen realisiert werden kann, ohne dass hierdurch die Organisationsentscheidung selbst einer inhaltlichen Prüfung unterliegt.
2. Nach § 1 Abs. 2 S. 2 KSchG ist die Kündigung auch sozial ungerechtfertigt, wenn die dann weiter normierten Beschäftigungsmöglichkeiten bestehen. Für die Wirksamkeit der Kündigung kommt es nicht darauf an, ob der Arbeitgeber vorher eine Prüfung der Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten im Sinne einer Wirksamkeitsvoraussetzung vorgenommen hat. Entscheidend ist allein, ob die Umsetzung des gekündigten Arbeitnehmers auf einen anderen freien Arbeitsplatz tatsächlich möglich war und ob der Arbeitnehmer bereit gewesen wäre, dort zu arbeiten. Soll wegen Wegfalls von Beschäftigungsmöglichkeiten mehreren Arbeitnehmern gekündigt werden, und ist die Anzahl der Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten geringer als die Anzahl der "änderungswilligen" Arbeitnehmer, ist zunächst durch eine betriebliche Auswahl zu ermitteln, wer - gemessen an den Anforderungen der neuen Arbeitsmöglichkeiten - für die Weiterbeschäftigung überhaupt in Frage kommt. Sind mehr Arbeitnehmer für eine andere Beschäftigung geeignet, als Beschäftigungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, und will der Arbeitgeber vor Kündigungsausspruch die freien Stellen besetzen, hat er im Rahmen dieser Besetzung eine Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG analog vorzunehmen.
3. Wie auch bei der Beendigungskündigung muss die Austauschbarkeit arbeitsplatzbezogen sein, sich anhand des konkreten Arbeitsvertragsinhalts ermitteln lassen. Es genügt für die Einbeziehung in die Sozialauswahl nicht, dass einer die Tätigkeit des anderen nach seinen Fähigkeiten, die aber arbeitsvertraglich nicht eingebunden sind, tatsächlich ausführen könnte. Sodann ist bei den für die Kündigungsüberlegungen in Frage kommenden Arbeitnehmern auf die aktuelle Vergleichbarkeit abzustellen. Maßgebend für eine nicht mehr gegebene Vergleichbarkeit können Kenntnisse und Fähigkeiten in bestimmten Projekten sein, die andere Arbeitnehmer sich erst durch längere Einarbeitungszeiten aneignen müssen. Nicht ausschlaggebend ist jedoch der arbeitsplatzbezogene "aktuelle Routinevorsprung". Kurze Einarbeitungszeiten stehen daher einer Vergleichbarkeit nicht entgegen.
Normenkette
KSchG §§ 1, 1 Abs. 2 Sätze 1-2, § 2 Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 15.01.2014; Aktenzeichen 15 Ca 4524/13) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichtes Frankfurt am Main vom 15. Januar 2014 - 15 Ca 4524/13 - abgeändert und die Klage abgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen arbeitgeberseitigen Änderungskündigung.
Die Beklagte ist ein Telekommunikationsunternehmen mit weit mehr als 10 in Vollzeit beschäftigte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. In ihrem Betrieb in A ist ein Betriebsrat gebildet.
Der am xx. xx 1959 geborene verheiratete und zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtete Kläger wurde von der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin mit Anstellungsvertrag vom 21. März 1999 als "Spezialist DataWareHouse" am Standort A im Bereich Finance Controlling (FC) innerhalb der Abteilung Business Intelligence (FCR) am 01. Mai 1999 eingestellt. Sein durchschnittliches Bruttomonatsgehalt beträgt derzeit € 6.250,00.
Am 21. März 2013 vereinbarten die Beklagte und der Betriebsrat einen Interessenausgleich und Sozialplan nebst Zusatzvereinbarung (vgl. Kopien Bl. 47 ff d.A., Anlage 1 des Klageerwiderungsschriftsatzes). In der Präambel des Interessenausgleichs heißt es auszugsweise wie folgt:
"Präambel
B ist die Zentrale der C GmbH. Diese ist im Februar 2013 auf den neuerbauten C Campus in B mit einem neuen mobilen und offenen Arbeit...