Entscheidungsstichwort (Thema)
Hinreichende Bestimmtheit des Klageantrags. Bestimmtheit des Streitgegenstands. Grundsatz der Bestenauslese im öffentlichen Dienst. Chancengleiche Teilnahme am Bewerbungsverfahren im öffentlichen Dienst. Konkurrentenklage und einstweiliger Rechtsschutz als Rechtsmittel gegen eine Stellenbesetzung im öffentlichen Dienst. Voraussetzungen eines Anspruchs auf Übertragung eines öffentlichen Amts
Leitsatz (amtlich)
Begründete Berufung
Der Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst hat keinen Anspruch auf Übertragung eines öffentlichen Amtes, welches, nach Durchführung eines ordnungsgemäß an Art 33 Abs. 2 GG orientierten Auswahlverfahrens, dem erfolgreichen Konkurrenten rechtswirksam auf Dauer übertragen worden ist, wenn er
1.) als Bewerber am Auswahlverfahren teilgenommen hat und
2.) weder die Auswahlentscheidung (zugunsten des Mitbewerbers) mit einer Konkurrentenklage angegriffen noch versucht hat, die bevorstehende Besetzung der Stelle mit dem Mitbewerber im Wege einstweiligen Rechtsschutzes zu verhindern.
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Klageantrag ist hinreichend bestimmt, wenn er den erhobenen Anspruch konkret bezeichnet, dadurch den Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis (§ 308 ZPO) absteckt und Inhalt und Umfang der materiellen Rechtskraft der begehrten Entscheidung (§ 322 ZPO) erkennen lässt.
2. Ist Streitgegenstand allein die Art der Beschäftigung und nicht (auch) der Umfang der Arbeitszeit oder deren Lage, genügt es, wenn der Klageantrag das Berufsbild enthält, nach dem der Arbeitnehmer beschäftigt werden soll, oder sich in vergleichbarer Weise ergibt, worin die Tätigkeit bestehen soll. Weitere Angaben sind im Klageantrag nicht erforderlich.
3. Gemäß Art. 33 Abs. 2 GG hat jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Beamte und Angestellte haben bei der Besetzung von Ämtern des öffentlichen Dienstes den grundrechtsgleichen Anspruch auf ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Einbeziehung in die Bewerberauswahl, ihnen steht ein verfassungsrechtlicher sog. Bewerbungsverfahrensanspruch zu.
4. Angesichts der Kriterien Eignung, Befähigung und fachliche Leistung folgt aus Art. 33 Abs. 2 GG ein subjektives Recht jedes Bewerbers auf chancengleiche Teilnahme am Bewerbungsverfahren. Der am besten geeignete Bewerber für die ausgeschriebene Stelle hat einen Anspruch auf Besetzung oder auf Beförderung. Sofern Arbeitsrecht Anwendung findet, richtet sich dieser Anspruch gegen den zukünftigen Arbeitgeber.
Normenkette
ZPO § 259; BGB § 275 Abs. 1; GG Art. 33 Abs. 2; ZPO § 308 Abs. 1, § 322; GewO § 106; BGB § 162
Verfahrensgang
ArbG Offenbach am Main (Entscheidung vom 18.11.2021; Aktenzeichen 2 Ca 178/21) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Offenbach am Main vom 18. November 2021 – 2 Ca 178/21 – abgeändert und die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreites hat die Klägerin zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin von der Beklagten als Geschäftsbereichsleiterin Kommunale Dienste zu beschäftigen ist.
Nach abgeschlossener Berufsausbildung ist die Klägerin auf der Grundlage eines schriftlichen Vertrages vom 23. Juni 1986 seit dem 01. August 1986 bei der beklagten Stadt als Verwaltungsangestellte beschäftigt und zunächst nach Vergütungsgruppe VIII BAT vergütet worden. In § 2 des Vertrages heißt es
„Das Dienstverhältnis richtet sich nach den Bestimmungen des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT) mit den zusätzlich abgeschlossenen Tarifverträgen in ihrer jeweils geltenden Fassung. Das gleiche gilt für die an ihre Stelle tretenden Tarifverträge. Daneben finden die für den Bereich des Arbeitgebers jeweils in Kraft befindlichen sonstigen Tarifverträge Anwendung.“
Wegen er Einzelheiten des Vertrages wird auf die Anlage BK2, Bl. 346f d.A. Bezug genommen.
In der Folgezeit hat es zwischen den Parteien einvernehmliche Änderungen hinsichtlich der Arbeitszeit gegeben, teilweise Umsetzungen und Höhergruppierungen.
Mit Schreiben vom 19. August 2016 hat die Beklagte der Klägerin zum 01. August 2016 die „Bereichsleitung Kommunale Dienste für die Bereiche Abfallwirtschaft, Friedhofs- und Bestattungswesen sowie Bauhof übertragen“ (im Folgenden: Bereichsleitung Kommunale Dienste) und sie nach Entgeltgruppe (im Folgenden: EG) 12 TVöD-VKA mit zuletzt 5.601,68 Euro brutto im Monat vergütet, wegen der Einzelheiten des Schreibens wird auf die Anlage I, Bl. 13 d.A. verwiesen. Diese Stelle war bei den als Eigenbetrieb organisierten Stadtwerken der Beklagten (im Folgenden: die Stadtwerke) angesiedelt.
Zu den Aufgaben der Klägerin in der genannten Funktion hat insbesondere die Wahrnehmung von Personalführungsverantwortung für ca. 60 Mitarbeiter gehört, außerdem hatte die Beklagte der Klägerin eine Ausgabenbefugnis i.H.v. 15.000,- Euro eingeräumt. Die Klägerin ist ermächtigt gewesen, Kassenanordnungen zu erteilen und hatte sachliche und rechnerische Feststellungsbefugnis...