keine Angaben zur Anfechtbarkeit

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Vergütung. Arbeitsleistung. Rufbereitschaft. Rufbereitschaftspauschale

 

Leitsatz (amtlich)

§ 11 Abs. 3 TV-Ärzte/VKA gewährt neben der Rufbereitschaftspauschale einen Anspruch auf eine zusätzliche Vergütung, wenn während der Rufbereitschaft tatsächlich eine Arbeitsleistung (hier: Telefonate mit Patienten) erbracht wurde.

 

Normenkette

TV-Ärzte/VKA 11 III

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 13.02.2008; Aktenzeichen 22/3 Ca 5642/07)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 13. Februar 2008 – 22 Ca 5019/07 – wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Vergütungsansprüche.

Die Beklagte ist Mitglied eines Mitgliedsverbandes der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) und betreibt die Klinik „A”. Die Klägerin ist Mitglied des Marburger Bundes und war in der Zeit vom 15.08.1990 bis 31.03.2008 bei der Beklagten als Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie in der Institutsambulanz beschäftigt. Der von ihr geleistete Rufbereitschaftsdienst ist als telefonischer Dienst für die „ambulante psychiatrische Akutbehandlung zu Hause” (APAH) im häuslichen Umfeld eingerichtet und garantiert die Erreichbarkeit von Fachärzten 24 Stunden am Tag und am Wochenende. Der Rufbereitschaftsdienst ist kein Hintergrunddienst für Ausnahmefälle, sondern der einzige Ansprechpartner für psychische Irritationen der Akutpatienten zu Hause. Ein Einsatz im Krankenhaus während der Rufbereitschaft ist bei der Beklagten ausgeschlossen, da es sich bei der Klinik A um eine Institutsambulanz handelt. Ein Einsatz am Aufenthaltsort der Patienten während der Rufbereitschaft ist nur in sehr seltenen Fällen notwendig. Zwischen den Parteien besteht Streit, ob neben der tariflichen Rufbereitschaftspauschale eine zusätzliche Vergütung für die Arbeitsleistung während der Rufbereitschaft in Form einer telefonischen ärztlichen Beratung der Patienten gemäß § 11 des TV-Ärzte/VKA zu zahlen ist. Die Vorschrift lautet soweit im Streitfall von Interesse: § 11 Ausgleich für Sonderformen der Arbeit

(1) Die Ärztin/Der Arzt erhält neben dem Entgelt für die tatsächliche Arbeitsleistung Zeitzuschläge. Die Zeitzuschläge betragen – auch bei teilzeitbeschäftigten Ärztinnen und Ärzten – je Stunde …

(3) Für die Rufbereitschaft wird eine tägliche Pauschale je Entgeltgruppe bezahlt…

Hinsichtlich der Arbeitsleistung wird jede einzelne Inanspruchnahme innerhalb der Rufbereitschaft mit einem Einsatz im Krankenhaus einschließlich der hierfür erforderlichen Wegezeiten auf eine volle Stunde gerundet. Für die Inanspruchnahme wird das Entgelt für Überstunden sowie etwaige Zeitzuschläge nach Absatz 1 gezahlt.

Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin von der Beklagten für die Zeit von August 2006 bis einschließlich Januar 2007 die Zahlung einer zusätzlichen Vergütung in der rechnerisch außer Streit stehenden Höhe von insgesamt EUR 1.958,60 brutto. Wegen des Sachverhalts, des Vortrags der Parteien im ersten Rechtszug sowie der dort gestellten Anträge wird im Übrigen gem. § 69 Abs. 2 ArbGG auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils – Bl. 126 – 135 d.A. – ergänzend Bezug genommen.

Mit dem am 13. Februar 2008 verkündeten Urteil hat das Arbeitsgericht Frankfurt am Main der Zahlungsklage stattgegeben. Die Klägerin – so das Arbeitsgericht – habe einen Anspruch auf Vergütung der tatsächlichen Arbeitsleistung während der Rufbereitschaft dem Grunde nach aus § 11 Abs. 3 TV-Ärzte/VKA. Bei Berücksichtigung der Kriterien Wortlaut, Systematik, Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck der Regelung führe die Auslegung der Tarifnorm zu dem Ergebnis, dass auch die im Rahmen der Rufbereitschaft erfolgte tatsächliche Inanspruchnahme in Form der telefonischen Beratung ohne einen Einsatz im Krankenhaus neben der Rufbereitschaftspauschale zusätzlich zu vergüten sei. Insbesondere Sinn und Zweck der Regelung spreche ganz entscheidend für das Auslegungsergebnis. Ziel der Regelung sei es, sowohl die Vergütung für die Rufbereitschaft als solche als auch die Vergütung der während der Rufbereitschaft tatsächlich geleisteten Arbeit zu regeln. Ob die Tätigkeit an einem von dem Arbeitnehmer zu bestimmenden Ort erfolge oder unmittelbar im Krankenhaus könne nicht maßgeblich sein. Wenn die Klägerin während der Rufbereitschaft hoch qualifizierte telefonische Beratung von teilweise akut Suizid gefährdeten Patienten in Form telefonischer Beratung leiste, könne diese Arbeitsleistung nicht „weniger wert” sein als eine vergleichbare Arbeitsleistung, die im Krankenhaus erbracht werde. Wegen der vollständigen Entscheidungsgründe wird auf S. 12 – 17 des angefochtenen Urteils (Bl. 136 – 141 d.A.) ergänzend Bezug genommen. Gegen dieses am 15.04.2008 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 14.05.2008 Berufung eingelegt und diese – nach rechtzeitiger Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 16.07.2008 – am 14.07.2008...

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