Entscheidungsstichwort (Thema)
Unzulässigkeit der Containersignatur. Keine Wiedereinsetzung wegen Verletzung gerichtlicher Hinweispflicht. Hinweispflicht nur bei offenkundigen Formmängeln
Leitsatz (amtlich)
Die Gerichte trifft auch unter Berücksichtigung ihrer verfassungsrechtlichen Fürsorgepflicht keine anlasslose Pflicht, die Formalien einer als elektronisches Dokument eingehenden Rechtsmittelschrift abweichend vom ordnungsgemäßen Geschäftsgang noch vor Ablauf der Rechtsmittelfrist eingehend richterlich prüfen zu lassen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn im ordnungsgemäßen Geschäftsgang zuvor für eine Kontrolle zur Feststellung von „ohne weiteres“ bzw. „leicht und einwandfrei“ bzw. „äußerlich“ zu erkennender Formmängel gesorgt ist.
Normenkette
ZPO § 130 a Abs. 2; ERVV § 4 Abs. 1 Nr. 2; GG Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3; ZPO § 233 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Teilurteil vom 25.01.2018; Aktenzeichen 3 Ca 5794/17) |
Tenor
Der Wiedereinsetzungsantrag der Beklagten vom 10. September 2018 hinsichtlich der versäumten Berufungs- und Berufungsbegründungsfrist gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 25. Januar 2018 - Az.: 3 Ca 5794/17 - wird zurückgewiesen.
Die Berufung der Beklagten gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 25. Januar 2018 - Az.: 3 Ca 5794/17 - wird auf Kosten der Beklagten als unzulässig verworfen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Berufungsrechtszug noch über die Wirksamkeit einer arbeitgeberseitigen fristlosen, hilfsweise fristgerechten Kündigung und über einen Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf vorläufige Weiterbeschäftigung.
Die Beklagte ist ein auf dem Gebiet des Kaffee- und Non-Food-Artikel-Vertriebes tätiges Filialunternehmen mit bundesweit rund 600 Filialen und insgesamt rund 7.500 Arbeitnehmern. Betriebsräte sind gebildet.
Die 45-jährige (geboren am xx xx 1973), geschiedene Klägerin, Mutter von zwei Kindern, wurde bei der Beklagten ab dem 1. August 2013 beschäftigt, zuletzt auf Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 15. Juli 2015 (Bl. 11 bis 14 d. A.) als Servicekraft mit einer monatlichen Arbeitszeit von 100 Stunden und einer Vergütung von zuletzt € 1.218,00 brutto im Monat. Der Einsatz der Klägerin erfolgte in der Filiale A der Beklagten in B, xxxx.
Mit Schreiben vom 27. März 2017 (Bl. 61 d. A.) mahnte die Beklagte die Klägerin wegen der Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht im Krankheitsfall ab. Im anschließenden Rechtsstreit über die Wirksamkeit dieser Abmahnung schlossen die Parteien einen Vergleich vor dem Arbeitsgericht Frankfurt am Main.
Mit Schreiben vom 15. August 2017 (Bl. 247 und 248 d. A.), der Klägerin zugegangen am 16. August 2017, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin außerordentlich fristlos, hilfsweise fristgerecht zum 30. September 2017, weil die Klägerin sich nach den Behauptungen der Beklagten in der Vergangenheit mehrfach beleidigend über Kollegen geäußert und diese verbal angegriffen habe, weiterhin sich aus der Trinkgeldkasse selbst bedient und inhaltlich falsche Atteste vorgelegt sowie angedroht habe, sich einen nicht gerechtfertigten Schwerbehindertenstatus zu beschaffen.
Mit ihrer am 21. August 2017 beim Arbeitsgericht Frankfurt am Main eingegangenen und der Beklagten am 30. August 2017 (Bl. 16 d. A.) zugestellten Klage hat sich die Klägerin, soweit für die Berufung von Interesse, gegen die Wirksamkeit der Kündigung der Beklagten vom 15. August 2017 gewandt und, für den Fall des Obsiegens mit der Kündigungsschutzklage, ihre vorläufige Weiterbeschäftigung als Servicekraft verlangt.
Wegen des weiteren unstreitigen Sachverhalts, des Vortrags der Parteien im ersten Rechtszug und der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Teil-Urteils des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 25. Januar 2018 - 3 Ca 5794/17 (Bl. 104 bis 109 d. A.) - Bezug genommen.
Mit dem am 25. Januar 2018 verkündeten und der Beklagten am 5. März 2018 (Bl. 116 d. A.) zugestellten Teil-Urteil hat das Arbeitsgericht Frankfurt am Main, soweit wiederum für die Berufung von Interesse, der Kündigungsschutzklage voll entsprochen und die Beklagte zur vorläufigen Weiterbeschäftigung der Klägerin als Servicekraft in der Verkaufsfiliale der Beklagten in B, xxxx verurteilt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, das Arbeitsverhältnis der Parteien sei weder durch die außerordentliche fristlose noch durch die hilfsweise fristgerechte Kündigung der Beklagten vom 15. August 2017 beendet worden. Zunächst fehle es der Beklagten hinsichtlich der außerordentlichen fristlosen Kündigung an hierzu berechtigenden Gründen. Wohingegen die Beklagte bei der ordentlichen Kündigung im Lichte der Ultima-Ratio und der Verhältnismäßigkeit zum milderen Mittel der Versetzung in eine andere Filiale oder dem Ausspruch einer Abmahnung verpflichtet gewesen sei. Wegen der Unwirksamkeit ihrer beiden Kündigungen vom 15. August 2017 sei die Beklagte schließlich zur vo...