Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung eines Schriftzugs als rechtswirksame Unterschrift. Keine Erkennbarkeit der Unterschrift bei bloßer Großschreibung des Vornamens. Priorität des Nachnamens im rechtsgeschäftlichen Verkehr
Leitsatz (amtlich)
1. Eine rechtswirksame Unterschrift setzt voraus, dass dem Schriftzug die Absicht der Wiedergabe des vollen Namens des Unterzeichners, ggf. im Wege der Auslegung, entnommen werden kann.
2. Daran fehlt es, wenn die Unterzeichnung lediglich den ersten Großbuchstaben des Vornamens enthält. In diesem Fall liegt eine unzureichende Paraphe vor; im rechtsgeschäftlichen Verkehr kommt es im Allgemeinen auf den Nachnamen und nicht auf den Vornamen an.
Normenkette
BGB §§ 623, 125 S. 1, § 126 Abs. 1, § 611; ZPO § 91 Abs. 1, § 520
Verfahrensgang
ArbG Offenbach am Main (Entscheidung vom 31.08.2017; Aktenzeichen 2 Ca 72/17) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Offenbach am Main vom 31. August 2017 – 2 Ca 72/17 – abgeändert.
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 10. Februar 2017 aufgelöst worden ist.
Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Physiotherapeuten bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens weiterzubeschäftigen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung in einem Kleinbetrieb.
Die Beklagte betreibt eine physiotherapeutische Praxis, in der regelmäßig nicht mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt werden. Unter Berücksichtigung von Vordienstzeiten aufgrund eines Betriebsübergangs war der Kläger im Betrieb der Beklagten seit dem 1. Dezember 2013 als Physiotherapeut beschäftigt. Hinsichtlich der Einzelheiten des schriftlichen Arbeitsvertrags wird verwiesen auf Bl. 120 - 123 der Akte. Der Kläger ist 1956 geboren, verheiratet und zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtet. Er hat einen Grad der Behinderung von 50 und ist damit als Schwerbehinderter anerkannt.
Zwischen den Parteien war vor dem Arbeitsgericht Offenbach a.M. - 2 Ca 414/16 - bereits zuvor ein Kündigungsschutzprozess anhängig, der durch ein Anerkenntnisurteil endete. Hintergrund waren diverse von der Beklagten ausgesprochene Kündigungen. Zur Akte gereicht wurde eine Kündigung vom 26. Oktober 2016, die keinen vollen Namenszug enthält (Bl. 102 der Akte), eine Kündigung vom gleichen Tag, die den vollständig ausgeschriebenen Vor- und Nachnamen der Beklagten enthält (Bl. 119 der Akte) sowie eine weitere fristlose Kündigung vom 2. November 2016, bei der der Vorname mit „A.“ offenbar abgekürzt ist und die den Nachnamen voll ausgeschrieben erkennen lässt (Bl. 124 der Akte).
Auf Antrag der Beklagten erteilte der Landeswohlfahrtsverband Hessen mit Bescheid vom 27. Januar 2017 seine Zustimmung zur beabsichtigten ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger (Bl. 76 - 78 der Akte).
Mit Schreiben vom 10. Februar 2017 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31. August 2017. Ob dieses Schreiben eine Unterschrift der Beklagten beinhaltet oder ein bloßes Namenskürzel, steht zwischen den Parteien im Streit. Hinsichtlich der Einzelheiten der Kündigung wird Bezug genommen auf Bl. 24 der Akte.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, seine Kündigungsschutzklage sei begründet, da die Kündigung entgegen § 623 BGB nicht rechtswirksam unterzeichnet gewesen sei.
Der Kläger hat die Anträge gestellt,
- festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung der Beklagten mit Schreiben vom 10. Februar 2017 nicht aufgelöst worden ist;
- festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien auch nicht durch anderweitige Beendigungstatbestände aufgelöst ist und fortbesteht;
- hilfsweise für den Fall des Obsiegens mit der Kündigungsschutzklage die Beklagte zu verurteilen, ihn zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Physiotherapeuten weiter zu beschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht Offenbach a.M. hat mit Urteil vom 31. August 2017 die Kündigungsschutzklage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, das Kündigungsschreiben vom 10. Februar 2017 enthalte eine hinreichende Namensunterschrift und nicht nur eine Paraphe. Es schade nicht, dass einzelne Buchstaben nicht erkennbar seien. Durch die charakteristischen Linien, mit welchen der Schriftzug gefertigt wurde, sei eine Nachahmung hinreichend erschwert. Wegen der weiteren Einzelheiten des Urteils der ersten Instanz wird Bezug genommen auf Bl. 42 - 46 der Akte.
Dieses Urteil ist dem Kläger am 11. September 2017 zugestellt worden. Die Berufungsschrift ist am 29. September 2017 und die Berufungsbegründung am 7. November 2017 bei dem Hessischen Landesarbeitsgericht eingegangen.
In der Berufungsinstanz vertritt der Kläger die Auffassung, dass das Arbeitsgericht zu Unrecht davon ausgegangen sei, dass das Kündigungssch...