Entscheidungsstichwort (Thema)
Gerichtliche Bestimmung eines variablen Gehaltsanteils
Leitsatz (amtlich)
Unverbindliche Leistungsbestimmung der Arbeitgeberin (§ 315 Abs. 3 S. 1 BGB) Bestimmung durch Urteil gemäß § 315 Abs. 3 S. 2 BGB.
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine vom Arbeitgeber einseitig erstellte Richtlinie zum Vergütungsmodell für den variablen Gehaltsbestandteil ist allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne von §§ 305 ff. BGB.
2. Eine Richtlinie, die festlegt, dass variable Vergütungsanteile nur dann gezahlt werden, wenn im Unternehmensergebnis eine bestimmte Messgröße erreicht wird, verstößt jedenfalls dann gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 BGB wenn nach der Regelung im Anstellungsvertrag alleinige Voraussetzung für die Zahlung variabler Gehaltsbestandteile die persönliche Zielerreichung durch den Arbeitnehmer ist.
3. Gleichzeitig berücksichtigt eine solche Richtlinie den Leistungsbezug der variablen Gehaltsbestandteile nicht hinreichend, weil dem betreffenden Mitarbeiter im Falle der Nichterreichung der Unternehmensziele die Auszahlung variabler Gehaltsbestandteile durch seine persönliche Leistung zu beeinflussen.
4. Eine Leistungsbestimmung auf “0„ oder jedenfalls einen weit geringeren Betrag als bei vollständiger Erreichung der persönlichen Ziele in Aussicht gestellt, stellt sich damit als unbillige Leistungsbestimmung im Sinne von § 315 Abs. 2 BGB dar.
Normenkette
BGB §§ 611, 315 Abs. 3, § 307 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
ArbG Wiesbaden (Entscheidung vom 05.04.2017; Aktenzeichen 11 Ca 99/16) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 5. April 2017 - 11 Ca 99/16 - wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Berufungsrechtszug weiterhin um die Zahlung eines variablen Gehaltsbestandteils für die Fiskaljahre 2015 und 2016.
Der Kläger war bei der Beklagten auf der Grundlage des Anstellungsvertrags der Parteien, wegen dessen Inhalts auf Bl. 25-27 d.A. Bezug genommen wird (nachfolgend: Anstellungsvertrag) und einer Zusatzvereinbarung zu diesem Anstellungsvertrag, die vom 02. Juli 2013 datiert, wegen deren Inhalts auf Bl. 28-29 d.A. Bezug genommen wird (nachfolgend: Zusatzvereinbarung), vom 01. September 2011 bis zum 31. Dezember 2015 beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund einer Kündigung des Klägers.
Die Zusatzvereinbarung enthält u.a. folgende Regelungen:
"...
Ihr monatliches Brutto-Grundgehalt beträgt mit Eintritt in unser Unternehmen
€ 14.000,00 (i. W. Euro vierzehntausend).
Zusätzlich zu Ihrem monatlichen Brutto-Grundgehalt ist ein variabler Gehaltsbestandteil vereinbart, der sich nach Ihren arbeitsvertraglichen Vereinbarungen sowie der jeweils für Sie gültigen Regelung zum "Vergütungsmodell für den variablen Gehaltsbestandteil" richtet. Danach kann das Jahreszieleinkommen je nach dem Grad der Zielerreichung über-, aber auch unterschritten werden. Das Unternehmen behält sich vor, mit Wirkung zu Beginn eines jeden Geschäftsjahres das Vergütungsmodell für den variablen Gehaltsbestandteil im Rahmen des rechtlich Zulässigen zu ändern.
Die Komponenten Ihres variablen Gehaltsbestandteils werden Ihnen in einem separaten Schreiben mitgeteilt.
Mit Eintritt in unser Unternehmen beträgt ihr vertraglich vereinbarter variabler Gehaltsbestandteil 40%, bezogen auf 100% Jahreszieleinkommen. Ihr derzeitiger variabler Gehaltsbestandteil beträgt € 112.000,00 p.a..
Bei Annahme einer 100%igen Ausschüttung Ihres variablen Gehaltsbestandteils ergibt sich ein Jahreseinkommen in Höhe von brutto
€ 280.000,00 (i. W. zweihundertachtzigtausend Euro).
..."
Die Beklagte erstellte für die Geschäftsjahre 2015 und 2016 eine Richtlinie A zum Vergütungsmodell für den variablen Gehaltsbestandteil (nachfolgend: Richtlinie A) für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, mit denen sie individualvertraglich einen variablen Gehaltsbestandteil vereinbart hatte. Wegen des genauen Inhalts der Richtlinie A wird auf Bl. 31-41 und 42-47 d.A. Bezug genommen.
Für das Geschäftsjahr 2015 leistete die Beklagte keinen und für das Geschäftsjahr 2016 einen variablen Gehaltsbestandteil i.H.v. 891,71 EUR brutto an den Kläger, der die ihm persönlich vorgegebenen Ziele jeweils erreicht hatte.
Wegen des weiteren unstreitigen Sachverhalts, des Vortrags der Parteien im ersten Rechtszug und der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 05. April 2017 - 11 Ca 99/16 - gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen (Bl. 167-173 d.A.).
Das Arbeitsgericht Wiesbaden hat durch vorgenanntes Urteil der Klage stattgegeben und die Beklagte verurteilt, an den Kläger 195.108,29 EUR brutto nebst Zinsen zu zahlen. Es hat angenommen, dem Kläger stehe für die Geschäftsjahre 2015 und 2016 der geltend gemachte Anspruch brutto aus § 611 BGB i.V. mit der Zusatzvereinbarung i.V. mit § 315 BGB zu. Die Beklagte habe nach der vertraglichen Vereinbarung der Parteien eine Leistungsbestimmung nach bill...