Entscheidungsstichwort (Thema)
Unverbindliche Leistungsbestimmung der Arbeitgeberin (§ 315 Abs. 3 S. 1 BGB ) Bestimmung durch Urteil gemäß § 315 Abs. 3 S. 2 BGB
Leitsatz (amtlich)
Unverbindliche Leistungsbestimmung der Arbeitgeberin (§ 315 Abs. 3 S. 1 BGB). Bestimmung durch Urteil gemäß § 315 Abs. 3 S. 2 BGB.
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine vom Arbeitgeber einseitig erstellte Richtlinie zum Vergütungsmodell für den variablen Gehaltsbestandteil ist allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne von §§ 305 ff. BGB.
2. Eine Richtlinie, die festlegt, dass variable Vergütungsanteile nur dann gezahlt werden, wenn im Unternehmensergebnis eine bestimmte Messgröße erreicht wird, verstößt jedenfalls dann gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 BGB wenn nach der Regelung im Anstellungsvertrag alleinige Voraussetzung für die Zahlung variabler Gehaltsbestandteile die persönliche Zielerreichung durch den Arbeitnehmer ist.
3. Gleichzeitig berücksichtigt eine solche Richtlinie den Leistungsbezug der variablen Gehaltsbestandteile nicht hinreichend, weil dem betreffenden Mitarbeiter im Falle der Nichterreichung der Unternehmensziele die Auszahlung variabler Gehaltsbestandteile durch seine persönliche Leistung zu beeinflussen.
4. Eine Leistungsbestimmung auf “0„ oder jedenfalls einen weit geringeren Betrag als bei vollständiger Erreichung der persönlichen Ziele in Aussicht gestellt, stellt sich damit als unbillige Leistungsbestimmung im Sinne von § 315 Abs. 2 BGB dar.
Normenkette
BGB §§ 611, 315 Abs. 3, § 307 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
ArbG Wiesbaden (Entscheidung vom 08.03.2017; Aktenzeichen 11 Ca 1812/16) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 8. März 2017 - 11 Ca 1812/16 - werden zurückgewiesen.
Von den Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger 62% und die Beklagte zu 38% zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Berufungsrechtszug noch um die Zahlung eines variablen Gehaltsbestandteils für das Geschäftsjahr 2015 und anteilig für Geschäftsjahr 2016, im Zeitraum von April 2015 bis 31. Januar 2016.
Der Kläger war bei der Beklagten auf der Grundlage des Anstellungsvertrags der Parteien, wegen dessen Inhalts auf Bl. 19-20 d.A. Bezug genommen wird (nachfolgend: Anstellungsvertrag) und einer Zusatzvereinbarung, die u.a. eine Gehaltserhöhung beinhaltete und vom 05. September 2013 datiert, wegen deren Inhalts auf Bl. 24-25 d.A. Bezug genommen wird (nachfolgend: Zusatzvereinbarung), beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund einer Kündigung des Klägers zum 31. Januar 2016.
Die Zusatzvereinbarung enthält u.a. folgende Regelungen:
"...
Ihr monatliches Brutto-Grundgehalt beträgt mit Wirkung zum 01. Juli 2013
€ 8.970,00.
Zusätzlich zu Ihrem monatlichen Brutto-Grundgehalt ist ein variabler Gehaltsbestandteil vereinbart, der sich nach Ihren arbeitsvertraglichen Vereinbarungen sowie der jeweils für Sie gültigen Regelung zum "Vergütungsmodell für den variablen Gehaltsbestandteil" richtet. Danach kann das Jahreszieleinkommen je nach dem Grad der Zielerreichung über-, aber auch unterschritten werden. Das Unternehmen behält sich vor, mit Wirkung zu Beginn eines jeden Geschäftsjahres das Vergütungsmodell für den variablen Gehaltsbestandteil im Rahmen des rechtlich Zulässigen zu ändern.
Ihr vertraglich vereinbarter variabler Gehaltsbestandteil beträgt 22,00%, bezogen auf 100% Jahreszieleinkommen. Der variable Gehaltsbestandteil beträgt mit Wirkung vom 1. Juli 2013 € 30.360,00 p.a..
Bei Annahme einer 100%igen Ausschüttung Ihres variablen Gehaltsbestandteils ergibt sich ein Jahreseinkommen in Höhe von brutto
€ 138.000,00.
..."
Die Beklagte erstellte eine Richtlinie A zum Vergütungsmodell für den variablen Gehaltsbestandteil (nachfolgend: Richtlinie A) für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, mit denen sie individualvertraglich einen variablen Gehaltsbestandteil vereinbart hatte. Wegen des genauen Inhalts der Richtlinie A wird auf Bl. 164-173 d.A., und Bl. 174-183. d.A. Bezug genommen.
Weder für das Geschäftsjahr 2015 noch für das Geschäftsjahr 2016 zahlte die Beklagte einen variablen Gehaltsbestandteil an den Kläger, der die ihm persönlich vorgegebenen Ziele jeweils erreicht hatte.
Wegen des weiteren unstreitigen Sachverhalts, des Vortrags der Parteien im ersten Rechtszug und der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 08. März 2017 - 11 Ca 1812/16 - gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen (Bl. 187-193 d.A.).
Das Arbeitsgericht Wiesbaden hat durch vorgenanntes Urteil der Klage teilweise stattgegeben und die Beklagte verurteilt, an den Kläger 55.660 EUR brutto zu zahlen und hat im Übrigen die Klage abgewiesen. Es hat angenommen, der Kläger habe gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung von insgesamt 55.660 EUR brutto aus § 611 BGB i.V.m. der Zusatzvereinbarung i.V.m § 315 BGB. Die Beklagte habe nach der vertraglichen Vereinbarung der Parteien eine Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen gemäß § 315 BGB vorz...