Entscheidungsstichwort (Thema)
Erfüllung des Urlaubsanspruchs während eines ärztlichen Beschäftigungsverbots gem. § 3 Abs. 1 MuSchG
Leitsatz (amtlich)
Eine bloße Möglichkeit für den Arbeitgeber zur Umsetzung einer schwangeren Arbeitnehmerin reicht im Fall eines individuellen Beschäftigungsverbots nach § 3 Abs. 1 MuSchG nicht aus, um den neben der Vornahme der Leistungshandlung zur Erfüllung des Urlaubsanspruchs nach § 362 Abs. 1 BGB ebenfalls erforderlichen Leistungserfolg eintreten zu lassen.
Normenkette
MuSchG § 3 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Darmstadt (Entscheidung vom 30.08.2016; Aktenzeichen 3 Ca 13/16) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 30. August 2016 - Az. 3 Ca 13/16 - teilweise abgeändert und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin an Urlaubsabgeltung weitere € 846,60 EUR (in Worten: Achthundertsechsundvierzig und 60/100 Euro) brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2015 zu zahlen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Berufungsrechtszug um die Frage, ob die Beklagte zur Abgeltung weiterer 13 Urlaubstage aus dem Urlaubsjahr 2015 verpflichtet ist.
Die Beklagte betreibt Spielhallen und beschäftigt über 100 Arbeitnehmer.
Die 27-jährige Klägerin (geboren am xx.xx.1989) wurde bei der Beklagten in der Zeit vom 18. September 2014 bis zum 17. September 2015 auf der Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 18. September 2014 (Bl. 13 und 14 der beigezogenen Akte 3 Ca 169/15) als Serviceaufsichtskraft in einer Spielhalle der Beklagten in A beschäftigt. Die monatliche Vergütung lag bei € 1.411,00 brutto zuletzt.
Unter dem Datum des 17. März 2015 legte die Klägerin der Beklagten ein "ärztliches Attest" des Frauenarztes Dr. med. B aus A mit der Überschrift "vollständiges Beschäftigungsverbot" vor, hinsichtlich dessen nähere Einzelheiten auf Bl. 27 d. A. verwiesen wird und das im Übrigen wie folgt lautet:
...
Hiermit sprechen wir oben genannter Patientin zum Schutz von Mutter und Kind ein vollständiges Beschäftigungsverbot ab dem 17.03.2015 aus.
Eine Weiterbeschäftigung bei der derzeitigen Arbeitsstätte (Nikotinexposition) gefährdet die Gesundheit der Patientin.
Die sonstigen gesetzlichen Regelungen des Mutterschutzgesetzes sind ebenfalls zu beachten.
...
Die Beklagte teilte der Klägerin daraufhin mit, sie könne ihr auch einen rauchfreien Arbeitsplatz zur Verfügung stellen, und forderte sie auf, ihre Tätigkeit in der Spielothek der Beklagten in C wieder aufzunehmen und dort die Passkontrolle im Eingangsbereich durchzuführen. Die Klägerin nahm die Arbeit bei der Beklagten in deren Spielothek in C aber nicht wieder auf, woraufhin die Beklagte der Klägerin ab dem Monat März 2015 keine Vergütung mehr zahlte.
Am 18. Mai 2015 erhob die Klägerin gegen die Beklagte vor dem Arbeitsgericht Darmstadt unter dem Aktenzeichen 3 Ca 169/15 Klage auf Feststellung, dass sie nicht verpflichtet sei, Tätigkeiten als Servicekraft bzw. Aufsicht in der Spielothek der Klägerin (gemeint war die Beklagte) in C wahrzunehmen, und auf Zahlung von Vergütung für die Monate März und April 2015. Ausweislich des Beschlusses des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 15. September 2015 - Az. 3 Ca 169/15 (Bl. 12 und 13 d. A.) - schlossen die Parteien in diesem Verfahren einen Vergleich, dessen Ziffer 1 wie folgt lautet:
1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass die Klägerin nicht verpflichtet ist, Tätigkeiten als Servicekraft bzw. Aufsicht in der Spielothek der Beklagten in C wahrzunehmen, solange das ärztliche Beschäftigungsverbot vom 17. März 2015, ausgestellt vom Gynäkologen Dr. med. B, weiterbesteht.
Bereits mit Schreiben vom 31. August 2015 (Bl. 14 d. A.) hatte sich die Beklagte zuvor wie folgt an die Klägerin gewandt:
Arbeitsvertrag/Jahresurlaub
Sehr geehrte Frau E,
eine Überprüfung hat ergeben, dass Sie noch Anspruch auf Jahresurlaub für das Jahr 2015 mit restlichen 16 Arbeitstagen haben. Der Jahresurlaub ist innerhalb des Bestehens des Arbeitsverhältnisses zu nehmen.
Wir ordnen aus diesem Grunde an, dass Sie den Ihnen noch zustehenden restlichen Jahresurlaub in der Zeit vom 31.08.15 bis zum 17.09.2015, beginnend mit dem 31.08.2015, zu nehmen haben.
Mit freundlichen Grüßen
...
Mit ihrer am 13. Januar 2016 bei dem Arbeitsgericht Darmstadt erhobenen und der Beklagten am 21. Januar 2016 (Bl. 8 d. A.) zugestellten Klage hat die Klägerin von der Beklagten an Urlaubsabgeltung für insgesamt 16 Urlaubstage aus dem Jahr 2015 Zahlung eines Betrages in Höhe von € 1.041,97 brutto nebst Zinsen verlangt.
Wegen des weiteren unstreitigen Sachverhalts, des Vortrags der Parteien im ersten Rechtszug und der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 30. August 2016 - Az. 3 Ca 13/16 (Bl. 68 bis 69 d. A.) - Bezug genommen.
Mit dem am 30. August 2016 verkündeten Urteil - Az. 3 Ca 13/16 (Bl. 67 bis 74 d. A.) - hat das Arbeitsgerich...