Entscheidungsstichwort (Thema)

Direktionsrecht. fristlose Kündigung. Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Zumutbarkeit einer anderweitigen Beschäftigung. Änderungskündigung

 

Orientierungssatz

1. Vor einer außerordentlichen Kündigung ist eine an sich mögliche Versetzung in Betracht zu ziehen, wenn der Grund, der einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem bisherigen Inhalt entgegen steht, es nicht zugleich ausschließt, den Arbeitnehmer auf einem anderen Arbeitsplatz oder zu anderen Bedingungen weiterzubeschäftigen. Dies ist der Fall, wenn der Kündigungsgrund arbeitsplatzbezogen ist, d.h. bei einer anderweitigen Beschäftigung sich voraussichtlich nicht wiederholen wird.

2. Eine Änderungskündigung ist unverhältnismäßig, wenn der Arbeitnehmer einer vorherigen Versetzung widersprochen hatte und auch das anschließende Angebot, zu geänderten Bedingungen weiterzuarbeiten, vorbehaltlos ablehnte (BAG 6.9.2007 – 2 AZR 368/06). Dem Arbeitgeber ist es zuzumuten, von seinem Direktionsrecht Gebrauch zu machen.

 

Normenkette

BGB § 626; KSchG § 2

 

Verfahrensgang

ArbG Gießen (Urteil vom 21.04.2009; Aktenzeichen 5 Ca 496/08)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Gießen vom 21. April 2009 – 5 Ca 496/08 – wird zurückgewiesen.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Gießen vom 21. April 2009 – 5 Ca 496/08 – wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien auch nicht durch die hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 23. Dezember 2008 aufgelöst worden ist.

Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Klägerin zu einem Fünftel und die Beklagte zu vier Fünftel zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung sowie einer ordentlichen Änderungskündigung und die Weiterbeschäftigung der Klägerin.

Die am XX.XX.19XX geborene, einem Kind zum Unterhalt verpflichtete Klägerin, ist seit 1. Oktober 1997 bei der Beklagten, die regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt und bei der kein Betriebsrat gebildet ist, zu einer Bruttomonatsvergütung von zuletzt 2333,33 EUR als Krankenpflegehelferin tätig.

Der schriftliche Arbeitsvertrag der Parteien, wegen dessen Inhalt im Übrigen auf Blatt 64 und 65 der Akten verwiesen wird, enthält unter § 4 folgende Regelung:

„An Sonn- und Feiertagen ist im Wechsel Dienstpflicht, in der übrigen Wochenarbeitszeit fällt Früh- und Spätschicht an. Frau A verpflichtet sich bei Bedarf auch im Nachtdienst zu arbeiten.”

Seit 1999 wurde die Klägerin ausschließlich im Nachtdienst eingesetzt. Anfang November 2008 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie künftig im Tagdienst arbeiten solle. Unter Bezugnahme auf den Betreuungsbedarf ihres Kindes lehnte die Klägerin dies durch Schreiben Ihres Prozessbevollmächtigten vom 17. November 2008 ab. Ungeachtet dessen teilte die Beklagte ihr unter dem 19. November 2008 mit, dass sie aufgrund des Direktionsrechts künftig im Tagdienst eingesetzt wird. Seit dem 3. Dezember 2008 ist die Klägerin arbeitsunfähig krank. Mit Schreiben vom 10. Dezember 2008 wies die Beklagte die Klägerin an, am 25. Dezember 2008 pünktlich zum Dienstantritt im Frühdienstes zu erscheinen. Gegen diese Maßnahme wandte sich die Klägerin mit einer am 18. Dezember 2008 beim ArbGer eingegangenen Klage, die dort unter dem Aktenzeichen 5 Ca 477/08 geführt wurde und beim Hessischen Landesarbeitsgericht unter dem Aktenzeichen 16 Sa 1282/09 anhängig ist.

Unter dem 10. Dezember 2008 erklärte die Beklagte gegenüber der Klägerin eine ordentliche Änderungskündigung zum 30. April 2009, wonach sie künftig im Früh-, Spät- und Wochenenddienst mit 40 Stunden wöchentlich zu einer Grundvergütung von 1564 EUR zuzüglich Zuschlägen tätig sein soll (Blatt 4,5 der Akten). Dieses Änderungsangebot nahm die Klägerin nicht unter dem Vorbehalt des § 2 Kündigungsschutzgesetz an, sondern erhob mit einem am 30. Dezember 2008 beim ArbGer eingegangenen Schriftsatz Kündigungsschutzklage. Ferner wendet sich die Klägerin gegen eine fristlose, hilfsweise fristgemäße Kündigung zum 30. April 2009 (Blatt 6 der Akten). Schließlich begehrt die Klägerin für den Fall des Obsiegens mit den Feststellungsanträgen ihre Weiterbeschäftigung bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung im Nachtdienst als Krankenpflegerin.

Die Klägerin hat behauptet, 1999 sei mündlich vereinbart worden, dass sie nur noch im Nachtdienst eingesetzt werde. Sie hat die Ansicht vertreten, eine Beschäftigung im Tagdienst sei nicht vom Direktionsrecht der Beklagten umfasst. Jedenfalls habe sich ihre Tätigkeit aufgrund der ausschließlichen Beschäftigung im Nachtdienst hierauf konkretisiert. Hinsichtlich der außerordentlichen Kündigung hat die Klägerin die Auffassung vertreten, die von der Beklagten angeführten Kündigungsgründe (Schlafen im Nachtdienst) stünden allenfalls einer künftigen Beschäftigung im Nachtdienst nicht jedoch im Tagdienst entgegen, weshalb im Hinblick auf das Ultima ratio Prinzip...

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