Entscheidungsstichwort (Thema)

Druckkündigung. Kündigung wegen Schlechtleistung. Weiterbeschäftigungsanspruch

 

Leitsatz (redaktionell)

Eine außerordentliche Druckkündigung ist unverhältnismäßig, wenn es dem Arbeitgeber möglich ist, zur Vermeidung von Arbeitsplatzkonflikten eine Änderungskündigung auf einen anderen Arbeitsplatz auszusprechen.

 

Normenkette

BGB § 626; KSchG § 1 Abs. 2; GG Art. 1, 2 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Gießen (Urteil vom 07.10.2009; Aktenzeichen 2 Ca 113/09)

 

Nachgehend

BAG (Aktenzeichen 9 AZN 1334/10)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Gießen vom 07. Oktober 2009 – 2 Ca 113/09 – teilweise abgeändert.

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung vom 04. März 2009 noch durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 11. Mai 2009 aufgelöst worden ist.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 1/5 und die Beklagte 4/5 zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer durch die Beklagte ausgesprochenen außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Druckkündigung sowie um die Wirksamkeit einer ordentlichen verhaltens- und krankheitsbedingten Kündigung.

Die Klägerin ist am A geboren und verheiratet. Sie hat einen Grad der Behinderung von 40, ist bislang aber nicht einem Schwerbehinderten gleichgestellt.

Die Beklagte ist eine von 17 Ärztekammern in B mit der Hauptverwaltung in C. Sie unterhält unter anderem das Fortbildungszentrum in D, an das die E angeschlossen ist. Letztere hat die satzungsgemäße Aufgabe, medizinische Fachangestellte (Arzthelfer/ innen) überbetrieblich aus- sowie weiterzubilden. Der E gehören mit der Klägerin sechzehn Mitarbeiter an. Ein Personalrat ist gebildet.

Nachdem die Klägerin zunächst von November 2000 bis Dezember 2006 als freiberufliche Dozentin für die Beklagte tätig war, wurde sie mit schriftlichem Arbeitsvertrag vom 04. Dezember 2006 mit Wirkung zum 01. Januar 2007 als stellvertretende Leiterin der E angestellt. Das Bruttomonatsgehalt belief sich zuletzt auf 3.299 EUR (VGR 6) zuzüglich einer monatlichen Leistungszulage in Höhe von 219, 05 EUR. Bezüglich der Einzelheiten des Arbeitsvertrages wird ergänzend verwiesen auf Blatt 3 – 8 der Akte.

Die Klägerin arbeitete ab Juli 2007 in einem ihr direkt zugeordneten Team bestehend aus den vier Mitarbeiterinnen F, G, H und I. Zwischen der Klägerin und diesen Teammitgliedern kam es in der Vergangenheit zu Konflikten. Mit E-Mail vom 12. März 2008 (Bl. 497 – 499 d. A.) kritisierte die Klägerin die Teammitarbeiterin F und sprach davon, dass zukünftig Richtlinien oder Maßstäbe artikuliert werden sollten, um im Team besser zusammenzuarbeiten. Am 13. März 2008 führte die Schulleiterin J mit allen Teammitarbeitern ein Konfliktgespräch, in dem es auch um das Führungsverhalten der Klägerin ging. Hierüber wurde ein Protokoll angefertigt, bezüglich dessen Einzelheiten auf Bl. 508 – 510 d. A. verwiesen wird. Am 14. März 2008 fand eine Fortsetzung des Gesprächs statt. Nachdem auch in diesem Gespräch ein konkretes Ergebnis nicht erzielt werden konnte, wurde vereinbart, sich am 08. April 2008 zu einem weiteren Gespräch zu treffen. An Hand eines Flipcharts wurde in diesen Gesprächen versucht, Probleme in der Zusammenarbeit im Team aufzuzeigen und zu lösen. Seitens der vier Teammitgliedern wurde dabei insbesondere der Führungsstiel der Klägerin kritisiert. Hinsichtlich der zur Akten gereichten Fotos der Flipchartwände wird verwiesen auf Bl. 511 – 514 d. A. In der Folgezeit fanden am 15. April 2008, 06. Mai 2008, 25. Juni 2008 und 26. Juni 2008 weitere Gespräche mit dem Unterrichtsteam statt, an dem die Schulleiterin teilnahm. Ziel dieser Gespräche war es, eine bessere Kommunikation und einen besseren Umgang im Team zu schaffen.

Am 31. Juli 2008 bat die Klägerin den Personalleiter der Beklagten um ein vertrauliches Gespräch. Am 1. August 2008 thematisierte die Schulleiterin die Konflikte des Teams mit dem Hauptgeschäftsführer der Beklagten.

Mit Schreiben vom 7. August 2008 wandten sich die vier Teammitglieder an die Schulleiterin J und beschwerten sich über die aus Sicht des Teams mangelhafte Zusammenarbeit mit der Klägerin. So habe die Klägerin mitgeteilt, dass sie die Teammitglieder zukünftig wieder mit „Sie” ansprechen werde. Aus Sicht des Teams würde die Arbeit seit Beginn der Tätigkeit der Klägerin erschwert werden. Unter anderem äußerten die vier Teammitglieder:

„Wir kommen nach den Vorfällen der letzen Monate zu dem Schluss, dass wir mit einer direkten Vorgesetzten, die unserer persönlichen Meinung nach weder einen Gesamtüberblick noch Teamfähigkeit, Führungsqualitäten und Sozialkompetenz besitzt, nicht länger zusammenzuarbeiten, da wir bereits auf Grund der psychischen Belastung körperliche Beschwerden haben”.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten dieses Schreibens wird verwiesen auf Bl. 96 – 97 d. A.

Einen Tag später, am 8. August...

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